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Text und Fotos Friedrich Klawiter
HEIKO OLF
Verviers, 22. April 2011
Die Löwen liegen dösend im  Schatten ihres Wagens, als uns Heiko Olf zu einem Gespräch über seine bisherige Tierlehrer-Laufbahn empfängt.  Simba, der prächtige Löwenmann lässt hin und wieder sein lautes kehliges Brüllen in unsere Unterhaltung einfliesen.
Der aus Vahingen a. d. Enz stammende Heiko Olf absolvierte nach Abschluss der Schule eine Ausbildung zum Metzger. Nebenbei jobte er als Discjockey und diese Tätigkeit wurde mehr und mehr zu seinem Broterwerb. Ein zweiter Hörsturz beendete abrupt seinen Diskojob. Nach einiger Wochen des Überlegens, wie es nun weitergehen solle, nahm er Kontakt mit dem Circus Bely der Familie Frank auf und fing dort an zu arbeiten.
Heiko Olf lernte im Alter von etwa fünfzehn Jahren den Circus Bely kennen, da dieser zu jener Zeit in der alten Leimfabrik in Vahingen regelmässig sein Winterquartier nahm und Olf einen großen Teil seiner Freizeit dort verbrachte. Ziemlich schnell bot die Familie Frank ihm die Möglichkeit des mitreisens an, doch noch war der Mut des jungen Mannes, die private Welt zu verlassen nicht groß genug. So gesehen war der Hörsturz ein Wink des Schicksals.
Hier lernte er das Circusleben in seiner vollen Bandbreite kennen -  baute den Circus auf und ab, machte Reklame, saß an der Technik und arbeitete bei den Tieren mit. Gut zwei Jahre dauerte diese „Lehrzeit“ im Circus und es reifte der Entschluss mit einer eigenen Dressurnummer in der Manege zu stehen.

Raubtiere, am liebsten Bären sollten es nach Möglichkeit sein, mit denen Olf künftig arbeiten wollte.
Eine Anzeige in der Circus-Zeitung erregte seine Neugier und so rief er den holländischen Dompteur Henk Luycx, der zu dieser Zeit mit seinen Tigern im Circus Belly von Klaus Köhler engagiert war, an, um zu fragen ob dieser nicht Jemanden kenne, der Raubtiere verkaufen wolle.
Henk Luycs Antwort lautete kurz und knapp: "Ich verkaufe alles".
Heiko Olf fuhr nach Goslar, wo der Circus Belly gastierte und  übernahm dort kurz entschlossen die Tiger und Requisiten von Luycx. Es handelte sich um relativ alte Katzen und der junge Dompteur sah sich gleich gefordert, neue Tiere zur Manegenreife zu bringen. So wurde Löwenmann Simba, der vor gut zehn Jahren als Baby zu Heiko Olf kam, das erste Mitglied der künftigen Gruppe, dem weitere Löwinnen folgen sollten.
Bei der Gestaltung seiner Nummer hält es Heiko Olf bis heute mit den Grundsätzen seines Mentors Henk Luycx, wonach die Trickfolge zu etwa einem Drittel das bieten solle „was alle machen und bekannt und bewährt ist“. Ein weiteres Drittel sollten Abläufe sein, die die jeweiligen Tiere von sich aus anbieten. Das letzte Drittel wird mit den Vorlieben und Ideen des Dompteurs gestaltet. Solcherart aufgebaute Darbietungen würden immer beim Publikum  Anklang finden.
In der Saison 2003 blieb Heiko Olf beim Circus Belly. Nach dem Weihnachtsgastspiel wechselte der junge Dompteur zum Circus Herkules von Klaus Bachmann. Zwei Jahre verbrachte er in dem gepflegten Unternehmen und führte in dieser Zeit auch die Pferde und Exoten des Circus vor.

Mit diesen Tieren zu arbeiten mache schon Spaß, lässt er uns wissen, stelle allerdings keine dauerhafte Alternative zur Arbeit mit Raubtieren für ihn dar. Löwen, dass sind seine bevorzugten Partner. „Sie sind schwieriger im Umgang als Tiger, aber es macht mehr Spaß mit ihnen. Auch kleine Raubkatzen sind interessanter als Tiger“.
Die kleinen Katzen, die er zeitweise mit auf der Reise hatte, wurden inzwischen wieder abgegeben. Zu groß seien die Anforderungen an Unterbringung und Außengehege  für diese Arten. Wie überhaupt die Tierhalte-Bestimmungen die Größe und Zusammensetzung der Gruppe maßgeblich beeinflussen. Fünf bis sechs Tiere – mehr sei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr sinnvoll zu händeln.
Dazu kommt der Publikumsgeschmack, der sich in den letzten zwanzig Jahren stark gewandelt hat. „Stand früher die Dressurleistung im Mittelpunkt, geht es heute fast nur noch um Entertainment und  die Leute sind schon zufrieden, dass sie ein paar Tiere zu sehen bekommen“. Schöne Tiere, Aussehen des Dompteurs, Kostüm und  Requisiten, Licht und Musikauswahl, Vorführstil und auch die Unterbringung der Tiere – alles müsse harmonisch zusammenwirken um den Anspruch des Publikums zu erfüllen. „Leider wird das Können, größere Schwierigkeitsgrade und die Gruppengröße nicht mehr honoriert, weder vom Publikum noch von den Direktionen“.
Gerne arbeite er im Circus, erzählt uns Heiko Olf, aber nicht um jeden Preis. Die Bedingungen müssen schon stimmen. Ansonsten gäbe es auch für Dompteure andere Möglichkeiten der Berufsausübung.
Nachdem Heiko Olf  sein erstes Auslandsengagement bei Galas des französischen Cirque Kinos der Familie Rech beendet hatte, ging es nach dem Gelsenkirchener Weihnachtscircus für die folgende Saison 2006 wieder zu Kinos. Nach Problemen des Circus und einer sich hinziehenden Zwangs-Sommerpause fuhr er zurück in sein Quartier. Im Herbst 2006 sah man seine Dressurdarbietung dann im Circus Carl Busch.  In der Sommerpause von Carl Busch 2007 gab es ein Galagastspiel bei Barelli, dann wechselte Heiko Olf zum Circus Paul Busch. Hier war er engagiert, bis dieses Geschäft seine Reisetätigkeit einstellte.
Es folgten Gastspiele beim „Grossen Russischen Staatscircus“ von Smitt
, bei der „Fete du Cirque Lilloise“ und zu Weihnachten in Bonn. In diesem Jahr reist Heiko Olf mit dem Cirque Firmin Bouglione durch den französischsprachigen Teil Belgiens.
Zukunftsperspektiven für Dompteure sieht Olf in allererster Linie im Ausland. In Deutschland gebe es nur noch zwei – drei Circusse, die als Arbeitsplatz in Frage kämen. Da sei die Situation im Ausland, sehe man von Geschäften mit hauseigenen Gruppen einmal ab, besser. Die deutschen, im Engagement reisenden Raubtierlehrer sieht Heiko Olf sehr gut aufgestellt. Nirgends sei die Überwachung der Bestimmungen durch die Amtsveterinäre so penibel wie hier und demzufolge würden er und seine Kollegen die Bedingungen eher übererfüllen und könnten überall auf der Welt arbeiten.

Derzeit befindet sich Olfs Gruppe ein wenig im Umbruch. Der letzte Tiger wurde in einen Park abgegeben.
Ein jüngerer männlicher Löwe, er zeigte in den letzten Wochen permanente Unverträglichkeiten mit Simba, verließ ebenfalls die Gruppe. Im Gegenzug wurde von Kid Bauer eine erwachsene Löwin erworben, sodas wieder fünf Tiere im Zentralkäfig zu sehen sind.

Viele Verbesserungen in der Tierhaltung und Veränderungen der Dressurmethoden begrüßt er ausdrücklich im Sinne einer verbesserten Lebenssituation der Tiere. Doch andererseits sei nun auch die Grenze des Machbaren unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erreicht.
Das sich die Rahmenbedingungen für Tierhaltung im Allgemeinen und für Dompteure im Speziellen weiter verändern werden, davon geht Heiko Olf aus. Allerdings ist er auch fest davon überzeugt, dass es auch in zwanzig Jahren noch möglich sei, mit Raubtieren zu arbeiten. „Vielleicht nicht mehr in der heute aktuellen Form. Es mag weiterhin einen  Wandel geben, aber die Haltung und Arbeit mit Tieren wird in irgendeiner Form immer weiter bestehen“.

Seine eigene Zukunft sieht Heiko Olf im Zentralkäfig. Sollte es unvermeidlich sein, „da man ja von etwas leben muss“, kann er sich auch vorstellen andere Tätigkeiten im Circus - vom Dresseur bis zum Zeltmeister – oder auch wieder in bürgerlichen Berufen auszuüben.
Auf die direkte Frage, wo er sich in fünfundzwanzig Jahren sehe, antwortet Heiko Olf spontan „wenn ich bis dahin gesund überlebe - im Zentralkäfig“.
Es ist kurz vor zwanzig Uhr, die Löwen werden unruhig, so als wüssten sie, dass ihr Auftritt in ca. einer Viertelstunde ansteht. Wir bedanken uns bei Heiko Olf für das interessante, ausführliche und informative Gespräch.