Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE Willie ZAVATTA
Metz, 16. April 2011


„Zavatta“ - dieser große Circusname übt auf französische Familiencircusse eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, wohl nicht zuletzt auch deshalb weil es der einzige „große“ Namen ist, den man noch in Lizenz führen kann.
Berühmt wurde der Name durch Alfonso – genannt Achille – Zavatta (1915-1993), der nach einem Unfall am fliegenden Trapez zum Starclown avancierte und auch viele Jahre mit einem eigenen großen Circus reiste. Aus seinen drei Ehen gingen fünf Kinder – Lydia, William, Willie, Eric, Franck – hervor.
Die Anzahl Circusse, die unter „Zavatta“ durch den französischen Sprachraum touren ist riesig,  und die Variationen an Vornamen schier unerschöpflich.
Der unter der Firmierung „Cirque Willie Zavatta“ reisende Circus von Charles Caplot, dessen Bruder Adrien mit seinem „Cirque Lydia Zavatta“ im Großraum Paris unterwegs ist, bespielt in der lothringischen Metropole Metz nacheinander zwei Plätze. Man gastiert auf den Parkplätzen der Filialen einer großen Gartenmarktkette in zwei Gewerbegebieten am östlichen bzw. westlichen Rand der Stadt.

Direkt an der Haupteinfallstraße und gegenüber einem großen, stark frequentierten Supermarkt steht der Circus bestens sichtbar aufgebaut. Die Werbung erfolgt flächendeckend mit Plakaten an Laternenmasten bzw. auf größeren circuseigenen Aufstellern. Selbstverständlich werden auch die in Frankreich üblichen Werbefahrzeuge, die mit Musik und Durchsagen durch die Stadt kreisen, eingesetzt.

Das Unternehmen strahlt in den meist genutzten Farben französischer Circusse – gelb und rot. Das gesamte Material wirkt bestens gepflegt. Größe und Lage des Platzes führten zu einer unkonventionellen Anordnung des Circus. Entlang der Straße sind Fassade Tierunterkünfte, Freigehege und Transporter aufgestellt, vermitteln den Eindruck eines größeren Circus mit umfangreichem Material. Der Fassadenwagen, mit den integrierten Kassenschaltern ist aufwändig in Airbrush-Technik mit Circusmotiven dekoriert. Rechts und links daneben sind in verschiedenen Freigehegen auf dem schmalen Grünstreifen zwischen Parkflächen und der Hauptverkehrsstraße Lamas, Kamele, Pferde und Ziegen untergebracht. Stallzelte sind nicht vorhanden. Über zwei Freigehegen sind hohe Zeltdächer angebracht. Der Pferdetransporter bietet in mehreren Boxen, die seitlich über Rampen erreicht werden, eine feste Unterkunft. Direkt am Chapiteau steht der Raubtierwagen, der die hauseigenen Tiger beheimatet. Einen Zaun ums Gelände gibt es nicht, die Menagerie kann den ganzen Tag über frei betreten werden. Von diesem Angebot machen die zahlreichen Familien auf ihrem samstäglichen Besuch der umliegenden Einkaufsparadiese reichlich Gebrauch.
Als Spielzelt ist ein großes, modern gestyltes Zweimasten-Chapiteau errichtet. Mit der hohen, spitzen Kuppel entspricht das gelb-rot gestreifte Zelt dem zur Zeit angesagten Design in unserem Nachbarland. Vier Quaderpools, senkrecht stehende Gittermastkonstruktionen, geben der Kuppel Volumen und sorgen im Innern für ein „Viermaster-Feeling“.
Die, für deutsche Verhältnisse, extravaganten Wohnwagen der Familie kommen aus der Edelschmiede „Laurent“. Riesengroß, mit beidseitigen Auszügen, sind sie aufwändig lackiert, mit vielen Edelstahlanbauteilen versehen und luxuriös ausgestattet. Die meisten der, dekorativ rot und gelb lackierten, Zugmaschinen sind Volvos. Viele Transporter tragen neben dem Namenszug „Cirque Willie Zavatta“ den Zusatz „Fils d' Achille“. Wie in Frankreich üblich, ist der Fuhrpark darauf eingerichtet, den Circus in einer einzigen Fahrt zum nächsten Gastspielort zu transportieren.
Das innen ganz in rot gehaltene Chapiteau ist mit ebensolchen Logen, mit feinen Polsterstühlen, und einem sechsreihigen Holzbankgradin eingerichtet. Auch der kleine Verkaufswagen, der die „Mini Bar“ des Circus beheimatet, findet im Chapiteau seinen Platz. Ein dekorativ gestalteter Wagen mit integrierter Bühne bildet den Artisteneingang. Zu den zahlreichen Scheinwerfer der Beleuchtungsanlage gehören auch vier Kugelköpfe. Gekonnt wird die Vorstellung, auch mit Hilfe des Verfolgers, ins rechte Licht gesetzt.

Das umfang- und abwechslungsreiche Programm wird komplett von der Familie Caplot bestritten. Direktor Charles Caplot ist in seinem Circus ein eleganter und wortgewaltiger Monsieur Loyal. Nach seiner ausführlichen Begrüssung präsentiert Junior Cliff die hauseigene Raubtier-Darbietung. Drei Tiger beherrschen ein breites Repertoire verschiedener Sprünge, bilden ein Pyramide und zeigen den Balkenlauf. Hochsitzer bilden den effektvollen Abschluss dieser souverän vorgetragenen Dressurfolge.
Nachdem der Zentralkäfig in kurzer Zeit entfernt ist, reitet Sammy Caplot, gleichfalls ein Sohn des Direktors, auf einem Schimmel die Hohe Schule. Zum Gesang der „Gipsy Kings“ wird eine umfangreiche Abfolge, darunter auch der spanische Schritt am Zügel, absolviert.
Eine erste Luftnummer sieht Miss Esperina am Vertikalseil. Kraftvolle Tricks wechseln mit eleganten Wirbeln, zur Begleitmusik „Allegria“, gekonnt ab. Natürlich lässt sie sich zum Abschluss ihrer Kür an einem Arm voll ausdrehen.

Eine schwungvolle Jonglage bringt das Duo Alvarez zu Gesicht. Mit kleinen Bällen, Ringen, Fußbällen und Keulen arbeitet der junge Mann, ein Neffe des Direktors, seine Routinen. Sicher und flott läuft die Darbietung ab.
Die Exoten des Circus werden von Sammy Caplot vorgeführt. Zuerst zeigen ein Dromedar und zwei Kamele ihre Lauffiguren. Anschließend umrundet ein Watussi in aller Seelenruhe die Manege. Abschließend sorgen drei Lamas gemeinsam mit drei Zebras und einem Esel für ein buntes Bild.
Die Clowns Rico und Peppino stürmen zu ihrem ersten Auftritt in die Manege. Sie erklären dem Direktor, wie ein gebührender Empfangsapplaus ausfallen muss und mit dessen Hilfe gelingt die Übung im dritten Anlauf. In ihrer nächsten Szene wird wieder einmal das musizieren verboten und ein weiterer Cassettenrecorder landet in der Mülltonne. In einem Soloauftritt balanciert Peppino solange eine Flasche auf einem Holzstab, bis er den Trick verrät.

Eine anmutige Kür an den Tuchstrapaten bietet die jugendliche Miss Christina. Viele gängige Abläufe des Genres werden gekonnt vorgetragen.
Die Cavallerie des Hauses, drei Haflinger, wird von Sammy Caplot elegant vorgestellt. Die Pferde beherrschen ein umfangreiches Repertoire, dass in flottem Tempo ohne jede Unsicherheit absolviert wird. Ein Steiger rundet die Präsentation ab. Als Da Capo folgen zwei Ponys.
Als Pausennummer ist die Magic-Show des Trio Jackson platziert. Verschiedene Großillusionen werden routiniert und effektvoll dargeboten.

Der zweite Programmteil beginnt mit einer furiosen Westernshow. In permanentem Wechsel werden Tricks mit Peitschen und Lasso ausgeführt. Auf unterschiedliche Arten werden Zeitungen, auch brennende, mit den Peitschen zerteilt. Die Ausführung der Lassotricks erfolgt mit unterschiedlich langen Seilen.
Ein weiteres Mal geht der Blick hoch unter die Kuppel. Miss Esperina arbeitet eine dritte Luftnummer – dieses Mal am Ring. Kraftvoll und elegant werden die wesentlichen Posen des Genres vorgetragen.
In einem orientalischen Phantasietanz ist der weibliche Teil des Duo Alvarez mit einer großen Boa zu sehen. Neben dem, an diesem Tag leider nicht gelungenen, Versuch des „Todeskusses“, wird ein Zuschauerpaar in die Manege gebeten und bekommt die Schlange um die Schultern gelegt.
Es folgt als Finalnummer das große Clown-Entree. Ein Kunstschützen-Entree wird geboten und Clown Rico lässt in munterem, engagiertem Spiel zahlreiche Ballons platzen, bevor Direktor Charles Caplot zum finalen Schuss kommt. Auf ihren Trompeten spielen die Caplot-Junioren zum Abschluss des Entrees die Erkennungsmelodie der in Frankreich populärenTV-Sendung „Le plus grand Cabaret du Monde“ und heizen so die Stimmung auf den Rängen noch einmal richtig an.

Der jugendliche Clown Peppino schminkt sich in der Manege ab, leitet so zum Finale über, während sein Großvater Charles Caplot ein Gedicht rezitiert. Dann sind alle Mitwirkenden noch einmal in der Manege präsent und nehmen den ausdauernden, verdienten Schlussapplaus des Publikums entgegen.
Der Cirque Willie Zavatta ist ein Familiencircus mit einem unterhaltsamen abwechslungsreichen Programm, dass  in sehr professioneller Art sympathisch dargeboten wird. Der äußere Eindruck des Circus ist ein erstklassiger, so dass sich ein Besuch des Unternehmens in jeder Beziehung als sehr lohnenswert erweist. 
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