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Text und Fotos Friedrich Klawiter
WIENER CIRCUS
Kapellen, 24. Mai 2015


www.wienercircus.com

50 Jahre Wiener Circus, das älteste reisende Circusunternehmen Belgiens feiert in dieser Saison ein rundes Jubiläum. Der heutige Seniordirektor Ulrich Malter gründete 1965 nach dem ausscheiden aus dem elterlichen Geschäft, dem Tiroler Circus, den bis heute mit Erfolg reisenden und im ganzen flämischen Landesteil beliebten Wiener Circus.
Das Tagesgeschäft steht seit einigen Jahren unter der Leitung von Ricky Cannone, der in jungen Jahren wie ein Sohn von der Familie Malter aufgenommen wurde.
In Kapellen, einer Stadt im Speckgürtel von Antwerpen gelegen, war der Circus auf dem Marktplatz aufgebaut. Der historische Durchgangs-Kassenwagen, der den Circus seit seiner Gründung begleitet, ist mit seiner großen aufklappbaren und wunderschön bemalten Fassade, das Wahrzeichen des Unternehmens. Die nostalgischen Zugmaschinen und Materialtransporte, allesamt weiß und blau mit gelbem Band lackiert, stehen in einem dichten Kreis um das weithin leuchtende, weiß-blaue Chapiteau, so dass, wie vielfach in unseren Nachbarländern praktiziert, völlig auf Zeltanker verzichtet werden kann und die Absegelungen an den Fahrzeugen erfolgen.
Die Wohnwagen der Artisten sind auf der rechten Platzseite aufgefahren. Stall und Freigehege der drei Ponys des Circus und das Gehege der Hunde komplettieren die Anlagen.
Das moderne Zelt von sechsundzwanzig Metern Durchmesser ist eine spezielle Konstruktion. Die Masten sind am Transportwagen schwenkbar befestigt und wenn das Chapiteau aufgebaut ist, bildet der Wagen die große runde erhöhte Bühne, die an Stelle einer Manege als Spielstätte dient.
Eine warme heimelige Atmosphäre empfängt die Besucher im innen roten Chapiteau. Vier Tribünenwagen mit fest montierten Gradinreihen sowie üppig und kunstvoll verzierte Logen stehen für die Besucher bereit. Der große Artisteneingang, mit orientalisch anmutenden Dekor üppig verziert, nimmt den hinteren Bereich des Zeltes ein.


Ein schwungvolles Charivari des Ensembles eröffnet die Jubiläums-Show. Bunte Bänder werden geschwungen, Jongleure und Einradfahrer geben Kostproben ihres Könnens und auch die Clowns sind in den Ablauf involviert. Manegensprecher Xavier Depaepe begrüßt die Anwesenden und gibt die Bühne für die erste Darbietung frei.
Am Süd-Chinesischen Mast startet Leo Navas die Nummernfolge. Mit lateinamerikanischem Temperament erfolgen die vielfältigen Aktionen. Kraftvolle Aufgänge, riskante Pirouetten-Abfaller die dicht über dem Boden abgefangen werden, Absteher und auch ein Handstand auf der Mastspitze werden souverän ausgeführt.
Ein zweites Mal sehen wir den ecuadorianischen Sonnyboy hoch unter der Zeltkuppel. Vor der Pause arbeitet er gekonnt - longengesichert - seinen Deckenlauf. Mehrfach wird die Kuppels mittels der Fußschlaufen gequert. An den Trapezen zu beiden Seiten der Strecke zeigt Leo Navas eine Reihe kräftezehrender Haltetricks.
Die Hunderevue des Duo Chaves wird erstmals nun im "Trio" präsentiert, da die vierjährige Enkelin Serena eifrig ihre Großeltern unterstützt. Die quicklebendigen Jack Russell Terrier beherrschen ein breites Repertoire. Sie überspringen hohe Hürden, laufen auf einer Rolle, zeigen Rollover und balacieren auf einem Gymnastikball. Als Zofe kostümiert schiebt ein Hund einen weiteren im Kinderwagen und zwei „Paare“ tanzen in Sambakostümen auf der Bühne.
Der jugendliche Joshua Ukmar tritt als vielseitiger und versierter Tempojongleur vor sein Publikum. Zu Beginn des Auftritts lässt er einen Tennisschläger auf den Devilsticks tanzen. Mit vier, fünf und sieben weißen Ringen werden vielfältige Muster geboten. Es schließen sich sicher und flott vorgetragene Routinen mit Keulen an. Effektvoll endet der Auftritt mit beleuchteten Bällen, die im abgedunkelten Zelt ihre leuchtenden Spuren zeichnen.

Die Fakirshow des Duo „Gipsy Fantasy“ beginnt mit dem Auftritt einer Feuer schluckenden Dame und lässt das Publikum staunen. Die Arbeit auf dem Nagelbrett obliegt dem männlichen Part, der auf seinem entblößten Rücken auf den Nägel liegt, während die Partnerin auf seiner Brust steht. Beide Artisten löschen zahlreiche Fackeln im Mund aus und entzünden sie erneut mit im Mund gehaltener Flamme. Langsam wird mit den hell lodernden Fackeln über die Haut der Oberarme gefahren und so die Unempfindlichkeit gegen Hitze den Zuschauern vor Augen geführt. Zum Höhepunkt des Auftritts steigen mächtige Feuersäulen aus dem Mund des Fakir in die Kuppel auf.
Clown Leonel Chaves beweist auch in dieser Saison wieder sein Können und sein  schier unerschöpfliches Repertoire. Den Wettbewerb wer mehr Applaus des Publikums verbuchen kann, entscheidet sein Juniorpartner Lowell Chaves klar für sich. Das Luftballonspiel der Clowns wird vom Manegensprecher verboten und mehrere Ballons von ihm zerstört, bis sich ein Wasserschwall über den „Ordnungshüter“ ergießt. Die Balance einer Flasche auf einem Besenstil entpuppt sich genauso als „fauler Zauber“, wie der Auftritt als Hypnotiseur, der den Mitspieler „schweben“ lässt.
Clown Xavi führt seinem Kollegen seine neueste Erfindung, „die Wunder-Geschirrspülmaschine, die ohne Strom arbeitet“ vor; die Arbeitsweise ist verblüffend.
Als zweite Dressurnummer des Programms präsentiert Direktor Ricky Cannone zwei Ponys. Unter seiner ruhigen Peitschenführung trippeln die beiden Minipferde ihre Figuren über die Bühne. Sie überspringen eine Barriere und steigen auf ein Tonneau. Mit einem tiefen Kompliment eines Pferdes endet der Auftritt.

Ihre „Luna Fantasie“ präsentieren Miss Carla und Xavi zu Beginn des zweiten Programmteils. Xavi lauscht gebannt der Melodie einer Spieluhr und seine Phantasie erweckt die Figur zum Leben. Im sich permanent drehenden Mond arbeitet Miss Carla zu Melodien aus dem Musical „Mary Poppins“ ihre Akrobatik. Kraftvoll und elegant erfolgen die vielseitigen Tricks. Abschließend nimmt die Artistin ihren Platz in einer großen Kugel ein und versetzt diese nur durch Verlagerung ihres Gewichtes in schnelle Rotation.
Alexandra Malter ist in diesem Jahr erstmals mit einer wunderschön präsentierten Luftnummer im Stil eines Black Angels im Wiener Circus zu erleben. Die hübsche junge Frau hat sich eine umfassende Trickfolge an den Strapaten erarbeitet. Kraftvoll und erotisch werden die unterschiedlichen Figuren ausgeführt und eine Reihe im Nackenhang dargebotener Figuren krönen den Auftritt, der einen der Höhepunkte der diesjährigen Show darstellt.
Giody Ukmar präsentiert seine starke Rola-Rola Darbietung auf einem hohen Piedestal. Mit Beginn diesen Jahres ist sein zwölfjähriger Sohn Lowell auch in die Trickfolge eingebunden. Er beherrscht bereits sehr sicher eine Reihe ansprechender Tricks. Die Highlights der Darbietung, die Balancen auf verschiedenen hohen Türmen aus mehreren Lagen zeigt unverändert der Senior.

José Munoz, hierzulande von einigen Saisons im Circus Carl Busch bestens bekannt, brilliert auf dem Drahtseil. Er springt Seil und überquert gekonnt Barrieren in Form spanischer Flaggen. Ein Scheinsturz erhöht die Spannung. Ein Rückwärtssalto, sowie ein weiterer durch einen Reifen gesprungen, sind die Höhepunkte seines Auftritts und werden mit Bravour absolviert.
Ihre elegante Kür am Luftring präsentiert Denise Chaves-Cannone im Zusammenspiel mit ihrem Mann, der das Geschehen mit einem live gesungenen romantischen italienischen Lied begleitet. Ein absolut elektrisierender Auftritt wunderbar!
Traditionell wird im Wiener Circus das große Clowns-Entrée als Finalnummer geboten. Das Wasser-Entrée steht in diesem Jahr auf dem Spielplan. Die „Los Claudios“ werden zunächst vom Direktor zu einem Spiel um ein Gratismenü eingeladen und sind, nachdem sie mit einem Becher voll Wasserübergossen wurden, eifrigst bemüht ihr „Opfer“ giordy Ukmar genauso herein zu legen. Wie stets im traditionellen Entrée mündet auch diese „Schlacht“ in gemeinsames musizieren aller Akteure.
Bunte Luftballons fliegen im Finale ins Publikum und Direktor Ricky Cannone übernimmt eloquent die Rolle des Sprechstallmeisters und stellt sein Ensemble vor. Traditionell verabschieden die Artisten und die Direktion das begeisterte Publikum am Ausgang persönlich.
Wie in den neunundvierzig Jahren zuvor bietet der Wiener Circus auch in seiner Jubiläumstournee ein gutes, unterhaltsames Programm, dass geschickt arrangiert in einem stilvollen Ambiente bestens präsentiert wird. Ein Jeder der gerne gute traditionelle Circuskunst erlebt, sollte einen Besuch dieses liebenswerten Circus nicht versäumen.