Text und Fotos Friedrich Klawiter
WIENER CIRCUS
Schoten, 13. April 2013



www.wienercircus.com
Der belgische Wiener Circus gastierte in Schoten, einer rund dreiunddreißigtausend Einwohner zählenden Gemeinde im Umland Antwerpens, direkt am idyllisch gelegenen Yachthafen. Malerisch leuchtet das Zelt und die große Fassade in der Frühlingssonne über den Kanal herüber.
Der Wiener Circus von Ulrich Malter ist der älteste in Belgien reisende Circus und bestreitet in diesem Jahr seine achtundvierzigste Tournee durch den flämischen Teil unseres Nachbarlandes. Das schmucke blau-weiße Zwei-Masten-Chapiteau von sechsundzwanzig Metern Durchmesser ist eine spezielle Konstruktion. Die beiden Masten sind schwenkbar am Transportwagen, der das gesamte Zelt aufnimmt, angebracht. Ist das Chapiteau aufgebaut, bildet dieser Wagen die runde Bühne, die im Wiener Circus die Manege ersetzt. Dieser Aufbau ermöglicht es, auf das einschlagen von Ankern zu verzichten, da die Abseglungen des Rondells, wie zumeist bei unseren westlichen Nachbarn üblich, an den dicht ums Zelt stehenden Wagen befestigt werden. In den großen, den Platz dominierenden Fassadenwagen sind die Kassenschalter integriert. Seine weit auskragende Front ist mit vier klassischen Circusmotiven bemalt und in der Dunkelheit illuminiert buntes Neonlicht den Durchgangsbereich. Die mächtigen Wohnwagen und Campings sind auf diesem Platz hinter dem Chapiteau abgestellt. Lkw und Wagen, allesamt in den Hausfarben weiß, blau und gelb gehalten, sind Oldtimer die von der langen Geschichte des Wiener Circus Zeugnis ablegen. Romantisch ist die Atmosphäre des im Innern rot-weißen Zeltes. Vier Tribünenwagen mit fest montierten, klappbaren Gradinreihen stehen für die Besucher bereit. Kunstvoll verzierte Logen schmiegen sich eng um die erhöhte Bühne. Im gleichen orientalisch inspirierten Dekor ist der große Artisteneingang gehalten. An den sechs schlanken Gittermast-Quaderpools sind die zahlreichen Beleuchtungskörper, darunter auch moderne Movingheads, angebracht. Genauso leistungsstark wie die Licht- zeigt sich auch die Tonanlage, die mit ihrem Sound das Geschehen klangrein untermalt.
Die Circusrestauration hat ihren Platz hinter einem roten Vorhang, der sich ausschließlich während der Pause hebt, neben dem Artisteneingang.

Auch in dieser Spielzeit wartet der Wiener Circus wieder mit einem neuen Programm, die originellen Hausnummern wurden neu arrangiert, auf, da man alljährlich die gleichen Plätze bespielt.
Direktor Ricky Cannone gestaltet auf seiner goldenen Trompete die Ouverture.
Gleich im Anschluss präsentiert er die Pferdefreiheit des Unternehmens. Drei Shetland-Pony trippeln routiniert über die Bühne und zeigen ihre Lauffiguren. Sie besteigen Tonneaus und überspringen Barrieren. Mit dem Kompliment eines Minipferdchens endet die Dressurfolge.
Karim Bogaba  arbeitet eine umfassende Trickfolge an den Strapaten. Scheinbar ohne Anstrengung führt der Künstler die kräftezehrenden, anspruchsvollen Tricks aus. Stimmungsvoll fügen sich weite Flüge und Haltepositionen zu einer formidablen Komposition.
Glamourös präsentieren „The Magic Phantasies“ - vier junge Damen bilden die bezaubernde Compagnie – ihre Magic-Show. In erstklassiger Attitüde und hervorragend ausgeleuchtet folgen u. a. Durchdringung, Zickzack- und Fluchtkiste aufeinander.

Aus ihrem umfangreichen Repertoire zeigen die Clowns Lionel Chaves und Jeanot zunächst „die magische Glocke“. Deren selbstständiges Läuten, ohne dass eine Hand angelegt wird, funktioniert solange, bis es Manegensprecher Xavier  vorgeführt wird und Lionel das Geheimnis offenbart. In einem weiteren gemeinsamen Auftritt wird ein Junge aus dem Zuschauerraum zum gemeinsamen Seil springen aufgefordert. Erfreulich straff gespielt, kommt man ohne Umschweife zur Pointe, mit einer Kapuze über dem Kopf hüpft der Mitspieler, ohne das ein Seil geschwungen wird.
In zwei Reprisen tritt Lionel Chaves alleine vor sein Publikum. Zum einen dirigiert er den Applaus der Zuschauer und im zweiten Teil zeigt er sich höchst geschickt darin, eine Flasche auf ihrem Hals stehend auf einem Besenstil zu balancieren. 
Jeanot und Ricky Cannone bringen vor der Pause das Kunstschützen-Entree auf die Bühne. Mit Hingabe und großer Spielfreude gibt Jeanot den ungeschickten August, der die Anweisungen des Chefs konterkariert und reihenweise Luftballons zerstört, ehe es zum finalen Revolverschuss kommt.
Finalnummer ist auch in dieser Spielzeit wieder das große Clowns-Entree. Zusammen mit Direktor Ricky Cannone, der in souveräner Manier die Rolle des Weißclowns ausfüllt, bringen die beiden Auguste das Karate-Entree. Komödiantisches Können paart sich hier mit hinreißender Spielfreude und lässt die Gags unter großem Jubel der zahlreichen Kinder im Gradin rasch aufeinander folgen. Mit gekonntem und schwungvollem gemeinsamen musizieren klingt das Entree in traditioneller Weise aus.

Mit den „Cascadeurs Galey“ wurde ein temperamentvoller Akt zum Ende des ersten Programmteils aufgeboten. Handstände, Salti, Pirouetten, Flickflacks und weitere Aktionen reihen sich im Kampf um einen Stuhl geschickt zu einer schlüssigen Handlung aneinander. Die Tricks werden sowohl alleine als auch in Interaktion mit dem Partner gearbeitet. Im zweiten Teil des turbulenten Ablaufs steht ein stabiler Tisch im Mittelpunkt des Interesses. Auch auf, unter, neben und über diesem Requisit sind die gängigen Tricks des Genres zu erleben.
Das Duo Chaves startet den zweiten Programmteil mit der Dressurfolge seiner Jack Russell Terrier. Die quicklebendigen und gelehrigen Hunde beherrschen eine Vielzahl verschiedenster Tricks. Sie überspringen hohe Hürden, laufen auf einer Rolle, überspringen einander, laufen auf den Hinterbeinen, balancieren auf einem Gymnastikball und dergleichen mehr. Als Zofe gekleidet schiebt ein Hund einen Kinderwagen mit einem Kollegen darin. Abschließend zeigen sich zwei Hundepaare in Samba-Kostümen als furiose Hinterbeinläufer. In einem von einem Boxer gezogenen Wagen gelangen die vierbeinigen Artisten wieder von der Bühne herunter.
Western-Lady Tamara Hartmann jongliert mit zwei Trommelrevolvern. Schnell und geschickt zieht sie die Waffen aus dem Holster, rotiert sie um ihre Finger und lässt sie zurückgleiten. Die Manipulationen erfolgen in hohem Tempo und sicherer Ausführung. Anschließend zeigt sich die sympathische Artistin als elegante Lasso-Dreherin. Bis zu drei dieser Wurfschlingen rotieren zur gleichen Zeit in ihrem Mund und Händen.
Deny Chaves-Cannone bietet eine elegante Kür am Luftring. Mit Schwung und Kraft versteht sie es, ihre vielen verschiedenen Tricks und Posen publikumswirksam dar zu bieten. Ausgezeichnet versteht es die junge Frau, sich und ihre Leistung ins rechte Licht zu rücken.

Das Duo Soljak fasziniert mit einer interessanten Magic Darbietung. In stetigem Wechsel folgen traditionelle Zaubertricks und Quick Change aufeinander. Gleich zu Beginn manipuliert der männliche Part mit sich selbst entzündenden Handschuhen aus denen ein Zauberstab erscheint. Zwei Tücher durchdringen einander und großformatige Spielkarten wechseln, ohne erkennbare Einwirkung den angezeigten Wert. Im Wechsel mit den, in ansprechender Choreographie flink ausgeführten Quick Change Tricks ergibt sich eine abwechslungsreiche Show, die bestens unterhält. Abschließend präsentiert der Magier die „zersägte Jungfrau“. Auf einem fragilen, mit dünner Deckplatte versehenen Gestell nimmt die Assistentin Platz, wird mit relativ knappen Abdeckungen versehen und mit dünnen Blechplatten „geteilt“ - eine gekonnte Interpretation eines bekannten Tricks.
Alexandra Malter startet ihre temperamentvolle Hula Hoop Darbietung der Sonderklasse aus einem aufwändig gestalteten Kabinett – sie verkörpert eine zum Leben erwachte „Barbie“. „I' m a Barbie Girl“ klingt aus den Boxen, als sie ihre „Verpackung“ verlässt und einige akrobatische Tricks zeigt. Dann kreisen zu rockiger Musik die Hula-Reifen in vielfältigen Mustern um ihren Körper. Besonderen Drive bekommt der Auftritt durch die gelungene Kombination von Kugellauf und Hula Hoop.
Selbstverständlich mündet auch dieses gelungene Circusprogramm in ein ebensolches Finale. Sprechstallmeister Xavier, er tritt während der Show als souveräner, sehr angenehmer Moderator und als Partner der Clowns in Erscheinung, stellt die Mitwirkenden vor und dankt für den zahlreichen Besuch. Winkend verlassen die Artisten die Bühne und stellen sich, wie es im Wiener Circus Tradition ist, im Zelteingang zu einem Spalier auf, die Gäste persönlich zu verabschieden. Höchst zufrieden mit dem Gebotenen verlassen die Besucher das Zelt und viele nutzen die Gelegenheit zu einigen persönlichen Worten.
Wie stets bietet der Wiener Circus ein gutes, geschickt arrangiertes und unterhaltsames Programm in einem stilvollen Ambiente. Die Liebe der Macher zu ihrem tun ist allgegenwärtig und für die Zuschauer wahrnehmbar. Wie stets kann man einem Jeden, an gutem Circus Interessierten nur wärmstens einen Besuch dieses Circus empfehlen.
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