Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
WIENER CIRCUS
Vilvoorde, 06. Oktober 2012

www.wienercircus.com
In Vilvoorde, einer kleinen Stadt im Nordosten von Brüssel, war der Wiener Circus, der älteste in Belgien reisende Circus, auf einem langen schmalen Platz, auf dem auch der Wochenmarkt abgehalten wird, in der Innenstadt aufgebaut.
Chapiteau und Wagen stehen dicht gedrängt und ragen an einigen Stellen sogar ins Straßenprofil.
Prägnant leuchtet der große, den Circusplatz dominierende, Fassadenwagen den Besuchern entgegen. Seine weit auskragenden Klappelemente sind mit vier klassischen großflächigen Circusmotiven bemalt. In den Wagen wurde der Kassenschalter integriert und der Durchgangsbereich wird von buntem Neonlicht erhellt. Die mächtigen Wohnwagen der Direktion und die Artisten-Campings flankieren die sympathische Front. Für vorbei eilende Passanten ist im vorderen Bereich der Stall und der große Ausfall für die Ponys des Unternehmens gut sichtbar aufgebaut.
Der romantische und den Charme einer längst untergegangenen Circus-Epoche ausstrahlende Fuhrpark des Circus umringt das zwei hydraulischen Masten getragene Chapiteau. Die Lkw und Wagen, alle in den Hausfarben blau weiß und gelb gehalten, lassen das Herz eines jeden Oldtimer Fans höher schlagen. Die Kuppel des modernen blau-weiße Chapiteau, es misst sechsundzwanzig Meter Durchmesser, wird von sechs Quaderpools geformt.
Das im Innern rot-weiße Chapiteau bietet eine romantische, fast schon idyllisch zu nennende Atmosphäre. Für die Besucher stehen vier Tribünenwagen mit fest aufmontierten, klappbaren  Gradinreihen bereit. Kunstvoll verzierte Logen schmiegen sich eng um die erhöhte runde Bühne, die an Stelle einer Manege im Zentrum des Zeltes zu finden ist.
Der unverwechselbare, große Artisteneingang verleiht dem gesamten Arrangement mit üppigen, orientalisch inspirierten Verzierungen ein besonderes Flair.
Top ist die Lichtanlage mit Movingheads, sowie den ringförmig angeordneten, zahlreichen kleinen Scheinwerfern entlang des Bühnenrandes. Ebenso leistungsstark und klangrein zeigt sich die Tonanlage mit ihrem Dolby-Surround-Sound.

Ein "Aha" Effekt wird jedes mal erzielt, wenn sich der rote Vorhang neben dem Artisteneingang zur Pause erhebt und den Blick auf den gut ausgestatteten  Restaurationswagen freigibt.

Da man ausschließlich im flämischen Teil Belgiens reist, besucht der Wiener Circus alljährlich fast die gleichen Tourneestädte. Auf Grund dessen werden die originellen Hausnummern immer wieder neu gestylt und durch jährlich wechselnde artistische Darbietungen ergänzt.
Direktor Ricky Cannone eröffnet mit einem stimmungsvollen Trompetensolo die Vorstellung und präsentiert im Anschluss die Ponyfreiheit des Hauses. Routiniert trippeln die Minipferde über die Bühne und zeigen ihr erlerntes Können.
Nun platzen zwei Herren lautstark durch den Haupteingang in die Show und begehren den Direktor zu sprechen. Solcher Art erobern die Clowns Lionel Chaves und Jeanot die Bühne und starten ihre ureigenste Version des Entree „abladen – aufladen“ und spielen sich so direkt in die Herzen der Zuschauer.
Der "Wilde Westen" ist die Heimat von Tatiana Hartmann. Schnell und geschickt jongliert sie mit zwei Trommelrevolvern, lässt sie elegant um den Finger kreisen und manipuliert sie aus und in die Holster. Auch die Lassoarbeit ist der quirligen jungen Dame nicht fremd. Bis zu drei dieser Seilschlingen hält sie in der Luft.
Antipodenspiele "at his best" zeigt uns die auch hierzulande bestens, durch ihre langjährigen Engagements bei FlicFlac und Universal Renz, bekannte Claudia Bremlov. Nachdem bis zu vier Rollen im Stand und auf der Trinka liegend mit den Füssen jongliert wurden, baut sie einen labilen, zehn Etagen hohen Turm aus immer kleiner werdenden Koffern auf ihren Füssen auf und auch schrittweise wieder ab.

Großes Können gepaart mit purer Spielfreude zeichnen den portugiesischen Clown Lionel Chaves aus. Trotz sparsamer Schminke verkörpert er eine eigenständige Clownsfigur, wie man sie in dieser traditionellen Art in der heutigen Zeit nur noch selten erleben darf und bei Jung und Alt gleichermaßen gut ankommt. Ganz August alter Schule, lässt er auf seine Kosten lachen und verzichtet auf Zuschauerbeteiligung. In diesem Jahr animiert er das Publikum mit einem großen Ball, überrascht als Schlangenbeschwörer, balanciert eine Flasche auf einem Stab und lässt raten welche Flüssigkeit aus einer kleinen Kiste rinnt. Den seriösen Gegenpart übernimmt in gewohnter Weise Ricky Cannone. So auch im großen Entree vor der Pause, in dem der Direktor den Beweis erbringen möchte, dass er ein großer Magier ist.
Clown Jeanot hat gleichfalls einen Soloauftritt, in dem er ein Paar aus dem Zuschauerraum verheiratet und als phantastischer Schnellzeichner „porträtiert“.
Die große Magic-Show der Magic Fantasy komplettiert mit ihren Groß-Illusionen den ersten Programmteil.

Das Ehepaar Chaves eröffnet mit ihrer originellen Hundedressur den zweiten Programmteil.  Gezeigt werden „moderne“ Tricks, wie z. B. Sprünge und Walzenlauf. Diese werden von kleinen Terriern souverän ausgeführt. Des Weiteren treten einige Tiere im Stil der Belle Epoque auf. Die kostümierten Hunde schieben einen Kinderwagen und bilden „Tanzpaare“.
Tempo geladen jongliert Direktor Ricky Cannone mit Keulen, Ringen und Tellern. Routiniert und sicher werden die verschiedensten Muster in die Luft gemalt. Auch das extrem schnelle drehen von drei Keulen beherrscht Ricky Cannone sicher. Abschließend fliegen bis zu fünf Teller hoch in die Kuppel.
Deny Chaves-Cannone bietet eine elegante Kür am Luftring. Vielerlei Tricks und Posen werden publikumswirksam zu Gesicht gebracht. Ausgezeichnet versteht es die junge Frau, sich und ihre Leistung ins rechte Licht zu rücken.

„Barbie“, alias Alexandra Malter, entsteigt einem aufwändig gestalteten Kabinett und zu „I' m a Barbie Girl“ bietet sie eine Hula Hoop Nummer der Sonderklasse, in die einige Parterreakrobatik-Elemente eingefügt sind. Darüber hinaus lässt die Artistin die Reifen kreisen während sie auf einer großen Kugel läuft und verleiht dem Auftritt auf diese Weise zusätzlichen Drive.
Das Duo Lagroni überzeugt mit rasantem Quick Change. Zahlreiche erstklassige Outfits folgen in flottem Wechsel aufeinander. In gewohnter Weise erreicht auch diese Darbietung ihren Höhepunkt mit dem Wechsel in ein Brautkleid, während Silberkonfetti herabregnet.

Ein letztes großes Entree bringen die beiden Clowns zusammen mit Ricky Cannone. In turbulentem Spiel wird geboxt. Die Auguste geben alles und die Kinder jauchzen vor Vergnügen. Traditionsgemäß klingt das Entree mit gemeinsamen musizieren aus und Ricky Cannone leitet mit seiner goldenen Trompete das Finale ein. Alle Mitwirkenden empfangen ihren wohlverdienten Applaus und der Direktor verabschiedet sich bis zum Gastspiel in der kommenden Saison.
Zufrieden mit dem Gebotenen verlassen die Besucher allmählich das Zelt und werden im Eingang von den Spalier stehenden Artisten persönlich verabschiedet. Der Wiener Circus bietet ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Programm, dass mit viel Liebe und Engagement zu einer runden, gelungenen und flott ablaufenden Show in einem stilvollen Ambiente geformt wurde. Ein Besuch dieses familiären Circus ist jederzeit lohnenswert.
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