Text und Fotos Friedrich Klawiter
Thomas Groll
Neustadt (Hessen) 11. Oktober 2025

Bürgermeister und Impresario eines Circusfestivals –  Thomas Groll erfüllt diese beiden Aufgaben mit Hingabe und Leidenschaft. Der fünfundfünfzigjährige Jurist leitet die Geschicke seiner Heimatstadt seit 2007. Nach der ersten Idee ein eigenes Circusfestival zu veranstalten sollten noch drei Jahre vergehen, bis sich im Herbst 2018 erstmals der Vorhang heben konnte.
Als kleiner Junge von sieben Jahren erlebte Thomas Groll seinen ersten Circusbesuch - im Circus Barum, der im rund dreißig Kilometer entfernten Marburg Station machte. Viele Programmpunkte der damaligen Show zählt er mit einem Leuchten in den Augen heute noch auf. Neustadt bezeichnet der Bürgermeister als „nicht besonders Circus freundlich. Die Besucherzahlen sind meist nicht so gut“. Für Gastspiele der großen Circusse ist die Stadt zu klein und so mussten z.B. Krone, Barum, Sarrasani, Hagenbeck, die Althoffs usw. in Marburg oder Schwalmstadt besucht werden. Als größeres Geschäft kam nur der Circus Herkules von Klaus Bachmann regelmäßig in die Stadt.
Mit großer Begeisterung ging der junge Mann seinem Hobby „Circus“ nach und wurde schließlich Mitglied in der Gesellschaft der Circusfreunde, um mehr Informationen, das Internet befand sich noch in den Anfängen und spielte noch keine große Rolle, über Circusse und Gastspieltermine zu erhalten.
Natürlich wurden nicht nur die Circusse in der Umgebung besucht, sondern auch fleißig weitere Reisen unternommen. So erinnert sich Thomas Groll im Gespräch an den Besuch eines Winterprogramms im Münchner Krone Bau und die anschließende Weiterfahrt mit einem Nachtzug, damit am folgenden Tag der Zirkus Rudolf Probst in Leipzig besucht werden konnte. „Heute mache ich solche Touren nicht mehr“, erfahren wir, „da fehlt auch einfach die Zeit. Eher werden ohnehin geplante Reisen so gelegt und gestaltet, das in deren Rahmen ein Circus besucht werden kann“.

Die Idee ein eigenes Circusfestival zu veranstalten hatte Thomas Groll schon seit einiger Zeit. Als die Familie Bichlmaier mit ihrem Mitmachcircus in Neustadt gastierte hat man sich dahingehend unterhalten und nun wurde die Idee zu einem konkreten Vorhaben. Im Herbst 2018 war es dann soweit – das 1. Festival „Goldener Biber“ konnte stattfinden. Der Name „Biber“ beruht auf dem Spitznamen der Neustädter, die aufgrund der Lage der Stadt in einer Senke inmitten feuchter Wiesen von jeher spöttisch „die Sumpfbiber“ genannt werden. „Golden muss es nun einmal sein im Showgeschäft, auch wegen der Reminiszenz an den Goldenen Clown Monte-Carlos“.
Als Standort wurde die Grünfläche neben dem historischen Wahrzeichen der Stadt, dem Junker Hansen Turm, und dem alten Rathaus ausgewählt. Der Festplatz der Stadt verfüge zwar über eine bessere Infrastruktur – Toilettengebäude, Funktionsgebäude mit Garderoben, mehr Raum für Artistenfahrzeuge und Tiere – und ist befestigt, was je nach Witterung sehr von Vorteil wäre. Doch habe er bei Weitem nicht das Flair und die Atmosphäre, weshalb er als Standort nicht in Frage kommt und man nimmt auch gerne in Kauf, das die Wiese die folgenden drei Monate schlimm aussehe, erfahren wir.

Im Gegensatz zu sehr vielen anderen Circusfestivals werden beim „Goldenen Biber“ keine Preise verliehen. „Diese Praxis haben wir nach zwei Jahren aufgegeben, da Artisten ihre Teilnahme vom garantierten Gewinn des Preises abhängig machen wollten“.
Generell empfindet Thomas Groll die Artistensuche als „leichter als gedacht“. Obwohl das Engagement nur zwei Shows umfasst sei die Bereitschaft dort aufzutreten hoch. In erster Linie seien es bestehende Verpflichtungen und Terminüberschneidungen, die das Engagement von Wunschnummern verhindert haben. In den beiden ersten Jahren wurde in hauptsächlich auf Darbietungen von Artistenschulen und Hausnummern gesetzt, doch inzwischen sind es zumeist renommierte und internationale Acts die verpflichtet werden.
Nach seinen favorisierten Genres befragt, nennt der Bürgermeister an erster Stelle Tier-Darbietungen und ansonsten traditionelle, schon lange existente Disziplinen wie Seillauf, Tellerdrehen und Jonglage. „Natürlich sind die Möglichkeiten aufgrund der Zeltgröße begrenzt. Fliegendes Trapez, Todesrad und Hochseil wären sicherlich schön einmal zu zeigen, doch man muss realistisch bleiben. Aber eine Seillauf-Nummer würde ich schon gerne in nächster Zeit im Programm haben“.
Das Festival soll auf absehbare Zeit im jetzigen Umfang weitergehen: „Unsere Zuschauerauslastung ist gut, aber es gibt noch Reserven. Da machen ein größeres Zelt oder mehr Vorstellungen keinen Sinn“. Auch einen Weihnachtscircus hatte man schon einmal angedacht, doch für ein längeres Gastspiel fehle es einfach an Besucherkapazitäten und „da bekommen wir dann auch Probleme Artisten zu engagieren. Da gibt es einfach zu viel Konkurrenz, die bessere Konditionen bieten kann.“

Das vorgegebene Budget der Veranstaltung, so wird betont, sei zwar begrenzt doch komme man gut zurecht. „Es gelingt mir recht gut Sponsoren zu gewinnen und in Verbindung mit den Eintrittsgeldern können wir zumeist mit einem Nullsaldo abzuschließen. Auf der anderen Seite hat die Gemeinde auch einen Kulturetat und unterstützt auch andere kulturelle Veranstaltungen - Schwimmbad, Musik- und Theaterveranstaltungen zum Beispiel. Ich möchte den Leuten vor Ort Kultur bieten. Circus ist Kultur“.
Auf die Frage, wie der Rat der Stadt, insbesondere die Opposition mit der Rolle des Bürgermeisters als Impresario umgehen schmunzelt Thomas Groll „die Einigkeit in unserem Rat ist groß. In den letzten zehn – zwölf Jahren wurden fünfundneunzig Prozent aller Entscheidungen einstimmig getroffen. Der ein oder andere mag mich wegen meiner Leidenschaft belächeln, doch solange man die Dinge realistisch angeht und die Kirche im Dorf lässt, lassen sie mich mein Hobby ausleben“.
Die Organisation und insbesondere die Verpflichtung der Artisten obliegen Thomas Groll - „die Vorbereitung und ersten Gespräche fürs kommende Jahr beginnen am Montag“ - während die praktische Durchführung Aufgabe der Familie Bichlmaier ist.
Die Ansichten von Thomas Groll zur Zukunft des Circus sind durchaus differenziert und fundiert. „Für die Reiseunternehmen wird es immer schwieriger werden. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, das viele Menschen sehr gerne in den Circus gehen. Dies zeigt sich ganz klar bei den Weihnachtscircussen und auch bei Festivals. Circus hat Zukunft aber er wird sich sehr verändert und leider werden die Tiere immer weiter zurückgedrängt werden und allmählich verschwinden. Es wird sicher nicht mehr der Circus sein den wir kennen und wie ich ihn liebe – man muss abwarten wie man sich damit arrangieren kann“.
Wir danken Thomas Groll für das ausführliche und informative Gespräch und für die Zeit, dies an seinem Geburtstag, die er sich für uns genommen hat.