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Text und Fotos Friedrich Klawiter
Cirque Stephane Zavatta

Sarreguemines, 29. Mai 2007

Es ist ein beeindruckender Mittelcircus,  der dort auf dem wenig attraktiven Gelände am Rande eines Gewerbegebietes aufgebaut wurde, aber das Fazit des Besuches fällt ein wenig zwiespältig aus. Die französische Circusfamilie Klissing hat die Firmierung „Stephane Zavatta“ seit Jahren gepachtet. Man achtet sehr genau darauf, dass der Familienname der Direktion nirgendwo Erwähnung  - weder in Presseberichten, auf Fahrzeugen oder im Programm - findet.

Kaum nähern wir uns dem Frontzaun, geht der Zauber los. Wort- und gestenreich wird uns aus dem Kassenabteil des Fassadenwagens bedeutet, dass hier totales Fotografierverbot herrscht. Nach längerer, durch mangelnde Sprachkenntnisse erschwerter, Debatte erzielen wir den Konsens, dass Fassade, Wohnkonvois der Familie und Chapiteau fotografiert werden dürfen. Auf dem Circusgelände, während der Show und insbesondere bei den Tieren wird keine Kamera geduldet.
Nachdem wir den für französische Verhältnisse hohen Obolus von € 3,- pro Nase (Pinder € 1,-, Arlette Gruss € 2,-) entrichtet haben, dürfen wir den bescheidenen Tierbestand besichtigen. Der Circus war am gleichen Morgen angereist und nun gegen Mittag naturgemäß noch nicht fertig aufgebaut. Das rotweiße Chapiteau von etwa 36 m Durchmesser sieht fast neu aus und wird von einer hierzulande ungewohnten Kuppelkonstruktion gekrönt. Mitten durch das Gewusel des Zeltinnenausbaues suchen wir den Zugang zur Tierschau. Sieben Tiger sind in ihrem Käfigwagen verhältnismäßig eng untergebracht. Ein junger, halbwüchsiger Löwe komplettiert die Raubtieransammlung. In einem längeren Stallzelt sind in Boxen Kamele, Zebra, Lama und drei Rinder zu sehen. Der recht kleine, magere und ungepflegt wirkende afrikanische Elefant steht in seinem Paddock. Die wenigen Circuspferde sind hinter dem Stall auf einer Wiese angepflockt.


Der Fuhrpark besteht, wie meist bei größeren französischen Circussen, aus optisch eindrucksvoll wirkenden neueren Sattelzügen mit zusätzlichen großen Anhängern. Alle Fahrzeuge sind einheitlich in rot mit weißen Applikationen gehalten, viele tragen in gelben Lettern den Schriftzug „Stephane Zavatta“. Lediglich der Fassaden-Eingangs-Kassenwagen will nicht so ganz zum dem aufwendigen, sehr neu wirkenden übrigen Material passen. Er und der abgerissene Frontzaun, an dem sich kaum noch eine Glühbirne in den Fassungen findet, stammen wohl unverändert aus einer Periode, als man noch als Kleincircus über die französischen Dörfer reiste. Herausragend die vier Wohnwagen-Konvois der Familie. Herausgeputzte und aufgemotzte Kenworth-Trucks sind mit Wohnaufliegern bzw. Anhängern kombiniert, die Ausmaße bieten, wie sie andernorts so leicht nicht noch einmal zu sehen sind. Auszüge über die komplette Seitenlänge, verchromte Anbauteile und schiere Größe verbreiten Pracht und Prunk, wie es hierzulande bei keinem Circuswohnwagen zu sehen ist. Das Tüpfelchen auf dem „i“ ist dann der gestylte riesige „Hummer Jeep“, der beim Umsetzen von einem zum anderen Platz in einem geschlossenen Anhänger transportiert wird.

Die Stadt wurde großzügig mit Plakaten verziert und ständig kreisen mehrere Werbefahrzeuge, per Marschmusik und Laustsprecherdurchsage ihre Botschaft verbreitend, durch die Straßen. Wie vielfach bei französischen Circussen praktiziert, werden Ermäßigungskarten mit der Zusage „2 Karten bezahlen - die 3. Gratiseintritt“ ausgelegt. Genau mit diesen Karten verursachten wir den nächsten Eklat an der Kasse. Die Praxis der Kassiererinnen ist vorsichtig ausgedrückt die reine Abzocke. Wir  waren sechs ausländische Circusbesucher. Die ersten drei schafften nach gut zehnminütiger Diskussion, dass die Ermäßigungskarte Gültigkeit erlangte und zur Anwendung kam. Nach einem Wechsel des Kassenpersonals hatten die anderen drei, einige Minuten später, weniger Erfolg. Auch die Dolmetscherhilfe eines weiteren deutschen Circusbesuchers half nicht. Die Zusage auf Grund der Ermäßigungskarte wurde nicht eingehalten, die Karte für ungültig und nur im gemeinsamen Besuch mit Kindern für einsetzbar erklärt. Nach endloser Debatte wurde ein höherer nur geringfügig ermäßigter Preis gezahlt. Offensichtlich setzt man darauf,  das man durch geringe Sprachkenntnisse nicht richtig versteht und „unbedingtes hineinwollen“ auf Grund der weiten Anreise die Forderung nach Zahlung jeden verlangten Betrages durchsetzbar macht. Bei den einheimischen Besuchern waren diese Diskussionen nicht zu beobachten. Hat man dann endlich das kleine, durch einen riesigen Verkaufswagen gut ausgefüllte, Vorzelt, den anschließenden Tunnel und den äußerst engen Haupteingang passiert, ist es an der Zeit, das Zeltinnere zu betrachten. Der Artisteneingang wird von einem Wagen mit kleiner, mit rotem Samt verhangener, Bühne gebildet, der wohl auch schon viele Jahre zum Bestand des Circus zählt. Die geschmackvollen, üppig mit rotem Samt und goldenen Litzen gestalteten Logen kontrastieren auffallend zu der sehr abgespielten uralten, nur 10cm breiten Piste, die unzweifelhaft ihren Ursprung in einem komödiantischen Kleincircus hat. Das unbequeme, viel zu eng bemessene, typische französische, neunreihige Gradin, natürlich ohne Rückenbretter und mit rohen Holz-Sitzplanken bestückt, ist nur zu einem Drittel aufgebaut. Der übrige Raum beherbergt hinter den Logen noch zwei ebenerdige Reihen alter Klappstühle, sowie die Requisiten.

Auf Grund des reduzierten Platzangebotes „ausverkauft“ beginnt die Show vor etwa 650 Besuchern mit der Dressur der hauseigenen Tiger. "William Caribelli" bringt je zwei weiße und normalfarbene Tiere in den kleinen Käfig. Einer der beiden weißen Tiger hat an beiden Vorderbeinen Geschwülste von mehr als 20cm Durchmesser und große Probleme beim gehen. Ein Tier in einem solchen Zustand hat in einer Circusmanege nichts verloren. Caribelli bevorzugt einen ruhigen, mitunter ziemlich unkonventionell wirkenden Präsentationsstil. Zahlreiche Tricks, insbesondere Sprungvariationen - u. a. über den Vorführer hinweg -   werden ausnahmslos in kurzer Distanz zu den Tieren, nur unter Zuhilfenahme zweier Gerten, gezeigt. In einem zweiten Auftritt sehen wir den Dompteur zusammen mit seiner Frau als Duo "Guildoy". Fünf Huskies und ein Chouchou ziehen einen Hundeschlitten in die Manege. Voller Spielfreude wirbelt die Meute durch die Manege und zeigt ihr Erlerntes. Nur der „Mambo Nr. 5“ will als Musikbegleitung nicht so recht zu dieser ein wenig nordisch, im Eskimolook, gestylten Nummer passen. Generell scheint man ein großes Faible für heiße Latino-Rhythmen zu haben, fast alle Auftritte werden mit dieser Art Musik, sie kommt aus der Konserve, präsentiert. Ein weiteres Mal erleben wir diese Artisten, nun zusammen mit ihrem Sohn als "Cardinali" Clown-Familie. Wie oft in französischen Circusprogrammen sind sie als Schlußnummer platziert. Mit viel Musik und Klamauk reißen die drei das Publikum nochmals richtig mit.

Miss Cathy Klissing präsentiert ihre zahlreichen Abfaller in moderner Choreographie an Vertikaltüchern. Stephanie Beautour ist die Pferdeflüsterin dieses Circus. Einem Groß und Klein folgen  drei Tigerschecken Doppelponys. Die Pferde arbeiten alle mit hohem Tempo und laufen absolut perfekt. Als Truppe Akbar wird der Exotenzug angekündigt. Drei junge Frauen in orientalischen Kostümen leiten die Nummer mit ein wenig Bauchtanz ein. Der „Exotenzug“ ist dann eine Aneinanderreihung von Einzeldressuren von: ein Kamel, ein Zebra, ein Lama, zwei Dromedare. Auch diese Tiere absolvieren ihre Tricks mit hoher Präzision. Noch im ersten Programmteil darf Elefant Indra, angeleitet von "Fred Jackson", eine überschaubare Zahl Tricks zeigen.
Die Pause zieht sich dann ein wenig in die Länge, es dauert halt bis die zahlreichen Kinder auf dem Elefantenrücken fotografiert sind. Das ausgesprochene Fotografierverbot scheint, genau wie die Ermäßigungskarten, keine allgemeine Gültigkeit zu haben. Es gilt allem Anschein nach nur für Kamerabesitzer. Gegen die zahlreichen „Handyfotos“ wird nicht der geringste Bannstrahl gerichtet. Cardinali jun. hat zwei Auftritte als Reprisenclown Willi, wobei seine Toreroparodie guten Anklang findet. Equilibrist Raphael zeigt eine Reihe von Handständen auf seinem Flaschenstuhl. Abweichend von der sonst üblichen Praxis türmt er anschließend keine Stühle zu einer hohen Pyramide, sondern arbeitet sich auf einer fixierten Leiter, die er mehrfach durch aufstecken von Teilen verlängert, in die Höhe. Einzige engagierte Artisten dieses Programms sind die Flying Milla. Zu dritt bieten sie im ersten Teil eine kurze Arbeit auf dem Trampolin. Direkt nach der Pause zeigen sie zu fünft ihre bekannte schwungvolle Arbeit am fliegenden Trapez.
Ein Sprechstallmeister, oder wie es hier heißt Monsieur Loyal, darf in keinem französischen Circus fehlen. Hier wird diese Aufgabe allem Anschein nach vom Patron übernommen und nach rund zweieinhalbstündigem, sehr unterhaltsamen Programm verabschiedet er ein sichtlich zufriedenes Publikum mit der Ankündigung, dass der Cirque Stephane Zavatta im Mai 2009, also in zwei Jahren, wieder in Sarreguemines gastieren wird.