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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS SCHOLLINI
Neustadt a.d. Orla, 20. September 2014

www.circus-schollini.de
Im vierten Jahr ist der Circus Schollini nun auf der Reise. Martin Scholl, jüngster Sohn des legendären Circuskönig Alfred Scholl, betreibt den aufstrebenden Circus mit seiner Frau Peggy Frank. „Klein aber fein“ lautet das Motto der Direktion und so bietet man, ganz der Familientradition folgend, erstklassigen, leistungsstarken traditionellen Circus in ansprechendem Rahmen.
Die neuen Bundesländer hat sich die Familie Scholl zum Reisegebiet erkoren und machte für ein Wochenende im thüringischen Neustadt a. d. Orla Station. Auf dem Festplatz am Stadion war der Circus wunderschön aufgebaut. Hoch ragen die vier Masten des gelb-blauen Chapiteau in den Himmel. Mit hellem funkeln transportieren die Lichter der Palmen auf ihren Spitzen und die Lichterketten in der Dunkelheit den romantischen Charme des Circus. Im Zentrum der breiten Front hat der dekorative Kassenwagen seinen Platz. Sämtliche Wagen und Auflieger sind sauber in blau mit gelben Absetzungen lackiert und die Frontwagen tragen den Namenszug des Unternehmens auf ihren Flanken. Ein gelb-roter Zaun mit Lichterbögen komplettiert die Fassade. Die Zugmaschinen stehen seitlich in einer Linie ausgerichtet und die Transporte und Wohnwagen der Familie sind zu einem Karree entlang der Platzseiten aufgefahren. Die Rückseite des Geländes nimmt der geräumige Stall ein. Pferde, Ponys, Lama, Ziegen und Hunde haben hier in großzügigen Boxen und geräumigen Freigehegen ihr Zuhause und auf der Wiese abgesteckte Koppeln bieten den Pferden Freiraum.
Das Innere des zwanzig Meter Durchmesser zählenden Zeltes wird zum größten Teil von einem vierreihigen Bankgradin eingenommen. Zwei Reihen gelber Logen-Klappstühle ziehen sich hinter den hübsch gestalteten Brüstungen dicht um die Leuchtpiste. Der romantische rote Artisteneingang nimmt den hinteren Bereich des Zeltes ein und die Circusrestauration findet gleichfalls hier ihren Platz.
Die Lichtanlage ist großzügig dimensioniert und lässt viele Effekte zu. Ein starker und gekonnt eingesetzter Verfolger komplettiert das Equipement. Auch Musik und Ton zeigt sich modern und leistungsstark und die gut abgestimmte CD-Musik unterstützt das Programm wirkungsvoll.

Wortgewandt begrüßt Direktor Martin Scholl sein Publikum und gibt die Manege frei für das aktuelle Programm „Romantika“. Zur Programmeröffnung singt Peggy Frank in exzellenter Weise „Granada“ und verleiht damit der Pferdefreiheit, die Martin Scholl als erste Darbietung präsentiert, einen besonderen Touch. Die vier Haflinger bieten in schwungvollem Ablauf eine Reihe Lauffiguren und mit einem Kruppensteiger findet die Nummer ihren gelungenen Höhepunkt. Ein Da Capo Pony beschließt als Barrierenspringer die Vorführung.
Clown „Lummi“, der achtjährige Sandro ist in dieser Rolle zu erleben, versucht sich in seinem ersten Auftritt als Schlangenbeschwörer.
Gleich darauf erleben wir das Direktionspaar an den Tuchstrapaten. Beide Partner bieten eine Reihe eleganter, kraftvoll ausgeführter Solotricks. Gemeinsame Aktionen und schwungvolle weite Flüge durch die Kuppel runden die erstklassig dargebotenen Tricks effektvoll ab.
Für Heiterkeit sorgt der Besuch von "Mickey Mouse" bei den kleinen Gäste und überbrückt charmant eine kleine Umbaupause. Jolina, die Meisterin der Hula Hoops, selbst ein integrierter Quick Change ist hierbei zu sehen, mußte in der von uns besuchten Vorstellung auf Grund einer Erkrankung leider passen.

Miss Cherry begeistert mit zwei gelungenen Darbietungen. Zunächst erleben wir die jugendliche Artistin mit einer erstklassigen Kautschuk-Arbeit. Flüssig leicht, scheinbar ohne die geringste Anstrengung, nimmt die junge Frau die unterschiedlichen Positionen ein. Zahlreiche Tricks reihen sich aneinander und werden hervorragend präsentiert. Selten zu sehende Tricks sind mit großer Selbstverständlichkeit in den Ablauf eingebunden und mit der Aufnahme einer Papierblume, die gut zehn Zentimeter unter der Position ihrer Füße liegt, endet der Auftritt.
Am Ringtrapez absolviert Cherry im zweiten Programmteil eine temperamentvoll vorgetragene Nummer. Mit einem Serpentinentanz beginnt sie ihre Evolutionen. Eine umfassende Anzahl Tricks wird ohne Sicherung zunächst am ruhenden Ring gearbeitet. Alsbald erfolgt der Fortgang der Darbietung am weit schwingenden Requisit und das zierliche junge Mädchen bietet hoch in der Kuppel in hohem Tempo seine anspruchsvolle Kür.

Ein umfangreiches Entrée bieten die Clowns „Charly“, alias Martin Scholl, und „Lummi“ im ersten Programmteil. Allerlei Wortwitz ist im Spiel, wenn Frau Direktor versucht, die beiden Spaßvögel zu bändigen. Im zweiten Entrée ist wieder einmal das „musizieren verboten“ und Direktor Scholl lässt schließlich das Musikgerät zum Leidwesen von „Lummi“ in den Mülleimer wandern.
„Fakir Ali ben Hassan“, so der Manegenname von Marcel Frank, spielt mit dem Feuer. Immer wieder führt er brennende Fackeln in seinen Mund und verlöscht ihre Flammen, bzw. hält die Flamme im Mund um die Fackel wieder neu zu entzünden. Den Höhepunkt der Darbietung bilden wie stets kraftvoll ausgestoßene, riesige Feuersäulen.
Im zweiten Programmteil präsentiert Marcel Frank ein Groß-und-Klein. Ruhig agierend lässt der Vorführer zunächst die typischen, vielfach zu sehenden Abläufe ausführen. Dann sehen wir einen ungewöhnlichen Trick. Das Pony steht quer zur Laufrichtungdirekt vor seinem großen Kollegen an der Piste und dieser springt aus dem Stand über das Kleinpferd.
Den Reigen der Dressurnummern komplettiert Martin Scholl mit einer erstklassigen Hunderevue. Außergewöhnlichen Drive erhält die Darbietung durch die Einbeziehung „lebender Requisiten“. Sally und Cherry Scholl bilden im u. a. Handstand und Spagat verharrend die Hindernisse, die von den Vierbeinern zu überspringen oder umrunden sind.
Die beiden Schwestern brillieren nach der Pause mit einer Darbietung der Meisterklasse auf dem gespannten Silberdraht. Viele Schrittkombinationen und verschiedenste Balancen bis hin zum Spagat erfolgen mit Temperament in sicherer Ausführung. Bocksprung und laufen in Reifen sind weitere sehenswerte Elemente. Einzigartig und absolut ungewöhnlich ist ihr Schlusstrick. Nacheinander überqueren die Schwestern das Seil, indem sie sich bei jedem Schritt in einen Spagat gleiten lassen und blitzschnell, ohne Hilfsmittel nur mit der Kraft ihrer Beine wieder in stehende Position zurückkehren.

Den spannungsgeladenen akrobatischen Höhepunkt des Programms bietet Senor Martino, alias Martin Scholl, mit einem hervorragenden, perfekt gearbeiteten Flaschenstuhl. Auf der Lehne eines Stuhles, der auf einem hohen Piedstal auf vier gläsernen „Eiffeltürmen“ steht, wird der erste Handstand ausgeführt. Dann erhöht sich der Turm und auf einem quer liegenden Stuhl werden handstand und Waage geboten. Schließlich türmen sich fünf Stühle bis in die Zeltkuppel und auf dieser labilen Konstruktion führt der erfahrene Artist einen erstklassigen Handstand aus. Mit einem Handstand auf einem Stuhl der nur noch auf drei Beinen ruht klingt die Darbietung aus.
Zum Finale versammeln sich alle Mitwirkenden in der Manege und Peggy Frank verabschiedet mit ihrem stimmungsvollen Gesang das begeisterte Publikum.
Zwei Stunden bester klassischer Circuskunst wurden geboten und die Erwartungen des Publikums an einen "kleinen" Familiencircus mehr als erfüllt.
„Klein aber fein“ - dem gewählten Motto wird die Familie Scholl mit ihrem Circus jederzeit gerecht.