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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RONCALLI – SALTO VITALE
Herne 21. März 2015

www.roncalli.de
Unter dem "Mond von Wanne-Eickel" startete die Roncalli-Einheit „Salto Vitale“ glanzvoll in ihre zweite Saison. Inmitten des Ruhrgebietes, auf dem traditionsreichen Cranger Kirmesplatz war der Circus aufgebaut und begeisterte mit einer gelungenen Show, die in weiten Teilen gegenüber dem Vorjahr verändert wurde.
Der Circus bietet den bestens bekannten, für Roncalli typischen Anblick – nostalgischer Zaun mit hohen und aufwändig gearbeiteten Leuchten, das Vorzelt mit dem bemaltem Giebel, der dekorative Frontwagen Nr. 15 mit viel vergoldetem Zierrat und gedrechselten Säulen an der Veranda und dazu Roncallis mittlerweile historisch zu nennenden ersten Kassenwagen.
Weitere, ebenfalls hervorragend gestaltete Wagen ergänzen die Front. Ihre Aufbauten ziert ein breites dunkelrot lackiertes Band und mit erhaben aufgesetzten Buchstaben ist der Schriftzug „Salto Vitale“ angebracht. Das große Roncalli Logo ist mit einem in Blautönen lackierten, über die ganze Breite des Wagens reichenden, verschnörkelten Zierband unterlegt.
Die Schiebeplanen-Auflieger, in denen das Material transportiert wird, und einige weitere Roncalli-Anhänger, sie dienen als Garderoben, sind rings um das Zelt gruppiert. Im hinteren Teil des Geländes sind die Ställe und Koppeln für Pferde und Hunde, sowie in langen Reihen die Wohnwagen der Artisten  angeordnet. Die Straßenseite des Platzes wird mit einer Vielzahl Container, in denen Mitarbeiter, Musiker und die Tänzerinnen des Balletts wohnen, sowie Betriebsküche und Sozialräume untergebracht sind, abgeschlossen.
Das Vorzelt wird von dem neuen Verkaufswagen, einem Traum in rot und gold, der Circusrestauration dominiert. Diese wurde in diesem Jahr von dem vielseitigen, langjährigen Roncalli-Mitarbeiter, Restaurator historischer Karussells und Betreiber des "Jahrmarkts anno dazumal", Pascal Raviol übernommen.
Das Chapiteau zeigt sich im gewohnten Roncalli-Look – der originale Artisteneingang mit den seitlichen steilen Treppen hinauf zum Musikerpodium, die edlen reich verzierten Logen und ein den Raum komplett füllendes rotes Bankgradin. Lediglich Balkonlogen sind bei dieser Einheit nicht vorhanden.
Ein exzellentes Lichtdesign und das hervorragend aufspielende Orchester schaffen den perfekten Rahmen für eine überaus gelungene Show und reißen das Publikum zu Beifallstürmen hin.

Das Event beginnt mit dem Eintritt auf das Circusgelände. Wie stets bei Roncalli werden während des Einlasses Nasenspitzen mit roten Punkten verziert und ebensolche Herzchen auf Wange gemalt, im Vorzelt agieren Jongleure und Clowns überraschen mit ihren Gags während die Band mit flottem Dixieland-Sound unterhält. Mit strahlendem Lächeln bieten die Programmverkäuferinnen in schmucken Uniformen die Hefte feil.
Nachdem die Clowns Sergej Maslennikov, Gabor Vosteen und Maurin - Hector – Rossi das Publikum angewärmt haben, gibt Betriebsleiter und Abendregisseur Marco Biasini die Manege frei.
Weißclown Yann Rossi schreitet, ein voluminöses blaues Cape über dem phantastischen Kostüm tragend, in die Manege, intoniert dabei „Somewhere over the Rainbow“ auf seinem goldenen Saxophon. Zum Abschluss des stimmungsvollen Opening begrüßt er das zahlreich erschienene Publikum und alle Artisten nehmen kurz im Hintergrund der Manege Aufstellung.

Die vorzügliche dreifache Hohe Schule der Familie Saabel ist in dieser Spielzeit als erstes zu sehen. Zunächst präsentiert Alexandra einen weißen Araberhengst im dichten Bühnennebel als furiosen Steiger. Die Darbietung wurde neu arrangiert und das Roncalli Ballett in den Ablauf mit eingebunden. Das reiterliche Können vereint sich harmonisch mit den Aktionen der Tänzerinnen und das Geschehen in der Manege geht mit den aufwändigen Kostümen sowie der perfekten Ausleuchtung und musikalischen Begleitung eine bezaubernde Symbiose ein.
Im zweiten Teil sehen wir die drei Damen Saabel ein weiteres Mal, nun mit ihrer hervorragend gestalteten Hunde-Show, in der je vier Huskies und Samojeden-Spitze die Hauptakteure sind. Die Aufmachung und der Verkauf der Nummer im „Grönland-Look“ werden exzellent bis hin zum blütenweißen Manegenteppich durchgehalten. Pelz besetzte elegante Kostüme der Vorführerinnen, als Iglus ausgebildete Sitzhocker der Hunde, Requisiten im Eisbergdekor, sowie Beginn und Abschluss der Darbietung mit elegantem Schlittenhundegespann - hier stimmt einfach alles.

Das Trio Csaszar hat seine leistungsstarke Schleuderbrettartistik nun mit ein wenig Comedy gewürzt. Einerseits wetteifert man um die Dame und andererseits  thematisiert man die ein wenig rundliche Figur eines der Herren. Das Trio zeigt sehr viele Sprungvarianten des Genres in erstklassiger Ausführung und sämtliche Saltos – einfach, doppelt, vor- und rückwärts, mit und ohne Schraube – werden sicher gelandet. Ein dreifacher Salto in die Arme der Porteure bietet den bejubelten Höhepunkt der Darbietung, doch reißt es das Publikum förmlich von den Sitzen wenn der kräftige Partner einen Salto dreht und zum Zwei-Mann-hoch auf die Schultern seines Bruders fliegt.
Jean-Rodrique Funke präsentiert in einem charmanten Auftritt einen Foxterrier. Außer den verschiedenen Sprüngen beherrscht der Vierbeiner auch den Spanischen Tritt und in sympathisch verspielter Weise offenbart der kleine Hund komödiantisches Talent.

Hervorragende Musical-Clownerie und Comedy bietet der ausgebildete Blockflötist Gabor Vosteen mit seinem einmaligen Act. Hohe Musikalität und pointierte Komik sind die bestechenden Merkmale dieser mit Temperament und Spielfreude dargebotenen Auftritte.

Bis zu fünf Flöten zur gleichen Zeit lässt der Künstler mit Mund und Nasenflügel erklingen. Im ersten Auftritt sind es allerseits bekannte klassische Musikstücke die durch sein virtuoses Spiel, groteske Mimik und teils absurde Bewegungsabläufe für Heiterkeit auf den Rängen und tosenden Applaus sorgen. Im zweiten Entree werden vier Freiwilligen im Handumdrehen die Flötentöne nahe gebracht.
Sergej Maslennikov, verschiedentlich in der Roncalli-Manege zu erleben, ist mit einigen seiner Reprisen im Programm vertreten. Marco Biasini, Yann und Maurin Rossi und Gabor Vosteen sind die Partner, die ihn bei seiner variantenreichen, feinen Komik mit teils verblüffenden Gags unterstützen.
Die Riege der Clowns wird in dieser Spielzeit von den Rossyann Clowns komplettiert.
Zu dritt, der jüngere Sohn von Maurin - alias Hector - Rossi ist in die bekannten Auftritte involviert, bieten sie klassische Musical-Clownerie. Besonders das virtuose Beherrschen verschiedenartigster Instrumente begeistern stets aufs Neue und ist so fast nicht mehr zu erleben. Zwei Reprisen werden mit dem jonglieren von spitzen Hüten und dem Spiel auf Fingerpfeifen und „Staubwedel“ gestaltet. Im großen Entrée steht die Musik im Vordergrund. Xylophone, Sopran- und Tenorsaxophon, Trompeten, Posaune, Gitarre, Hupen und zwei Blasebälge sind die eingesetzten Instrumente, derweil „Hector“ seine Späße treibt.

Die Curatola Brothers arbeiten ihre bekannte Hand-auf-Hand Darbietung nun in der Salto-Vitale Manege. Mit Temperament und Showmenship erfolgen die Tricks, die allesamt erstklassig ausgeführt werden.
Am Chinesischen Mast bietet das Duo Reyal einen furiosen Auftritt. Die beiden Artisten haben die Darbietung als Lovestory gestaltet und zeigen eine Reihe formidabler, scheinbar mühelos ausgeführter, kräftezehrender Tricks. Mehrmals steht Alla Klystha freihändig auf dem Körper ihres Partners Reydi Argote, während er in der Waagrechten verharrend den Mast nur zwischen seinen Beinen einklemmt, bzw. im „Handstand“ rechtwinklig vom Mast absteht.
Wenig später erleben wir die Hula Hoop Darbietung von Alla Klyshta. Charmant lässt die versierte Artistin die Ringe in immer wieder neuen Varianten um ihren Körper kreisen und schließlich manipuliert sie sieben Reifen zur gleichen Zeit.

Vor der Pause präsentiert Andrej Ivakhnenko seine einzigartige Schlappseil-Darbietung. Im roten, noch immer futuristisch anmutenden „Igel-Kostüm“ unterscheidet er sich rein optisch stark von allen anderen Artisten und die seinerzeit eigens für die Darbietung komponierte, sehr reduzierte Musik, sie kommt aus der Konserve, verstärkt diesen Eindruck. Der kindlich verspielte Vortragsstil lässt die anspruchsvollen Balancen und Jonglagen auf dem schwankenden Untergrund leicht und schwebend wirken.
Klischnigger Andrej Romanovsky ist in der Roncalli-Manege kein Unbekannter und präsentiert nun in dieser Einheit seine extreme Biegsamkeit. Seine durchgestylte, erstklassige Nummer enthält eine ganze Reihe ausgefallener Tricks und sorgt für Verblüffung im Gradin.
Natalia Leontieva ist mit einer tänzerisch-romantischen Rhönrad-Darbietung zu erleben, in deren Beginn das Ballett ebenfalls eingebunden ist.
Auf die sensationelle und einmalige Trapez-Kür des Duo Sorellas mussten wir in der besuchten Vorstellung leider verzichten, da sich Jean-Rodrique Funke am Vortag eine Verletzung zuzog.

Alexandra und Kelly Saabel bieten mit ihrer exzellenten Handstandequilibristik den finalen Höhepunkt der Show. Synchron arbeiten die beiden Schwestern ihre anspruchsvollen Tricks, die perfekt und elegant ausgeführt werden. Im Schwarzlicht bewegen sich die Künstlerinnen voller Anmut in den phantastischen, von Alexandra designeten Kostümen und beinahe scheint es, als schwebten die beiden jungen Frauen im Raum.
Das große klassische Roncalli-Finale mit seiner seit Jahrzehnten unverändert ablaufenden Choreographie beschließt auch diese Show. Es beginnt mit dem fröhlich bunten Bild der Luftballons verteilenden Artisten, darauf folgt - von einem Feuerwerk beleuchtet - der Walzer mit Zuschauern in der Manege. Es schließen sich die einzelnen Vorhänge für jede Darbietung an, dann erfolgen die letzten Zugaben der Truppe und nach dem begeisterten Applaus, der in Standing Ovations mündet, leert sich der rote Ring.
Zum Epilog kehrt zunächst Maurin Rossi zurück, nimmt auf der Piste Platz und spielt eine verträumte Melodie auf der „singenden Säge“. Sein Bruder Yann nimmt unterdessen seinen Platz auf der anderen Manegenseite ein und stimmt auf der Konzertina in das Spiel ein. Sergej Maslennikov kommt hinzu und lässt einen goldfarbenen, halbmondförmigen Luftballon in die Kuppel steigen. Im hellen Lichtkegel eines Spots glänzt der Mond in der Kuppel, der Vorhang schließt sich hinter den Clowns und während aus den Boxen der Kultschläger „Nichts ist so schön, wie der Mond von Wanne-Eickel“ erklingt, verlässt ein höchst zufriedenes Publikum den Ort bester circensischer Unterhaltung.