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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RONCALLI
Köln, 20. April 2014

www.roncalli.de
Turnusmäßig gastiert der Circus Roncalli alle zwei Jahre in seiner Heimatstadt Köln.  Wie in all den Jahren zuvor findet das Gastspiel auf dem Neumarkt, im Herzen der Stadt statt. Eng und lebhaft geht es auf dem Platz zu und in der warmen Frühlingssonne stehen die Besucher Schlange, lange bevor der Einlass beginnt.
Über dem markanten cremefarbenen Zelt, mit den blauen Absetzungen, flattern gelb-blaue Fahnen an den Mastspitzen fröhlich im Wind und in der Dunkelheit verstärken die vielen Lichterketten den Zauber Roncalli' s. Unter hohen, den Platz säumenden Platanen drängen sich einige wenige Circuswagen dicht aneinander. Büros, Fahrzeuge der Restauration, Garderoben und Schneiderei sowie die Elektrozentrale sind da zu nennen. Auch der Stall für die Ponys, tagsüber werden diese tagtäglich auf eine Koppel nahe dem Winterquartier gebracht,  von Karl Trunk hat hier seinen Platz.
Der bekannte aufwändig dekorierte Kassenwagen, sowie die in einem Circus einzigartige Wurstbraterei und der schon legendär zu nennende Caféwagen mit angeschlossenem Biergarten runden das Ensemble ab.
Der überaus reich verzierte Frontzaun mit den Kandelabern und die schmucken Frontwagen empfangen mit ihrer Pracht die Besucher. Auch das große Vorzelt mit der Restauration und den Souvenirständen zeigt sich in bekannter Weise. Das Ritual des Einlasses bleibt unverändert. Im Vorzelt spielt das Orchester und die Artisten heißen die Gäste mit Konfettiregen und kleinen Kostproben ihres Könnens willkommen. Die erwartungsfrohen Gesichter werden mit roten Herzchen und Nasen geschmückt.

Wie von Roncalli nicht anders gewohnt, wird das Geschehen in der Manege von der Kapelle, zu größten Teilen, live begleitet. Eine breite Fülle unterschiedlichster Klänge, von romantischem Geigenspiel bis hin zu hart rockenden E-Gitarren, bringen die acht Musiker zu Gehör. In diesem Jahr überwiegen Geigenklänge im Stil der „Wiener Caféhaus-Musik“. Schnelle, härtere rockige Töne sind leider nur zwei Mal zu hören und werden vom Publikum sofort mit einem deutlichen Anstieg der Stimmung honoriert. Für das adäquate Lichtdesign ist unverändert Lightoperator Markus Wietkamp verantwortlich. Licht und Ton komunizieren somit in beeindruckender Weise mit den Darbietungen der Künstler.
„Time is Honey“ ist wiederum das Motto des Programms.
Abendregisseur Patrick Philadelphia macht einer „Putzfrau“ klar, dass nun keine Zeit zum staubsaugen sei und die Clowns illustrieren anschaulich die Anweisungen bezüglich Rauch- und Videoverbot, bzw. die Lage der Notausgänge.
Passend zum Programmmotto ziert eine große „Uhr“ zu Beginn die Manege und Sergi Buka tritt in einem an eine napoleonische Uniform erinnernden Kostüm in den Ring und fasziniert mit seiner Lasershow. Mit seinen Händen lenkt er die Lichtstrahlen in unterschiedlichen Richtungen und formt sie zu immer wieder neuen Mustern.
Gensi und Devlin Bogino spielen auf einer Glasorgel, dann erleben wir ein temperamentvolles Charivari von fünf ArtistenInnen des Circustheater Bingo. Im unverkennbaren Stil werden Elemente der Luftartistik – Tücher und Strapaten – und Tricks auf der Rola-Rola geboten.

Ein erstes Entree bringt die fünf Clowns – Gensi, Oriol, Devlin Bogino und KGB Clowns – in einem gemeinsamen Auftritt in die Manege. In turbulentem Spiel wird Hochzeit gefeiert. Oriol ist der Bräutigam, der samt voll verschleierter „Braut“ in einem posierlichen Vintagecar die Manege umrundet und schließlich von Gensi vor den beiden Zeugen verheiratet wird. Beim nun anstehenden Brautkuss lüften sich die Schleier der „Braut“ und Anatoli Akermann strahlt dem Bräutigam entgegen.
Die weiteren Auftritte von Oriol werden gleichfalls von den Kollegen begleitet. Sein Glockenspiel wird als großes Vivaldi Konzert annonciert. Die Kinnbalance von vier aufeinander gestapelten Klappstühlen starten die Clowns als „Reise nach Jerusalem“ mit geradezu grotesken Gags.
Gensi ist in seinen Soli mit poetisch-musikalischen Reprisen zu erleben.
Die KGB Clowns, der Name steht in keinem Zusammenhang mit dem ehemaligen sowjetischen Sicherheitsorgan, sondern vielmehr für die Kunst von Gestik und Bewegung, kommen beim Publikum ausgezeichnet an.
Clown Anatoli Akermann präsentiert u. a. einen grandiosen Auftritt mit einer Vielzahl an Gags und kombiniert dabei Stepptanz mit einer erstklassigen Zigarrenkästchen-Jonglage.
Eine deftige Niederlage im Kampf gegen die Tücke des Objektes erleidet hingegen sein Partner Edouard Neumann beim Versuch das Eigenleben einer "Napoleon Bonaparte Statue" – dargestellt durch Anatoli Akerman – zu bändigen.
Als Final-Darbietung sehen wir die KGB Clowns in einer Playback-Show, in der sie zu den unterschiedlichsten Musikstilen tanzend Gag an Gag reihen.

Geraldine Philadelphia präsentiert gekonnt ihr Spiel mit den Hula Hoop Ringen.  Außer den hinlänglich bekannten Abläufen des Genres wird mit den Ringen jongliert. Im Handstand verharrend, lässt die junge Artistin Hula Hoops um ihre Beine rotieren.
Die hervorragende Pony-Freiheit von Karl Trunk ist nach wie vor die einzige Tierdarbietung im Programm. Der Ablauf der Nummer wurde in dieser Saison variiert. Zuerst flechten die drei größten Ponys bunte Stoffbahnen, die von ihren Geschirren bis in die Kuppel reichen, zum einem Zopf. Anschließend laufen sie Achten um bunt bemalte Pylonen. Nun kommen die weiteren fünf Pferdchen hinzu und es folgen die bekannten Lauffiguren. Roncallis aktuelles Programmheft 2014 verspricht uns das kleinste und das größte Pferd Europas in der Manege, doch das Groß-und-Klein mit dem mächtigen Shirehorse wurde in der besuchten Vorstellung nicht gezeigt.
Das Duo Viro arbeitet seine Romanze an den Tuchstrapaten in der Kuppel des Chapiteau. Einzig die im „Plastik-Look“ glänzenden Kostüme passen nicht in das Roncalli-Ambiente.
Als Pausennummer sind die vier Rogashkov mit ihrer Liebesgeschichte am Quadratreck zu erleben. Nach vielen Jahren zurückgekehrt, erfolgt, zu schwermütigen Tangomelodien, das werben der drei Herren um die Dame nun wieder in der Roncalli-Manege. In allmählich sich steigerndem Tempo und mit spektakulärer werdenden Tricks strebt die Darbietung ihrem Kumulationspunkt entgegen.

Der zweite Programmteil beginnt mit einem Luftballett zweier Artistinnen der Truppe Bingo  an parallel angeordneten Trapezen. Nach einigen Handvoltigen werden einige synchron gearbeiteter Abläufe der im typischen Bingo-Stil gehaltenen Darbietung gezeigt. Mit einem doppelten Nackenwirbel kehren die beiden Protagonistinnen zur Erde zurück.
Fußball-Jongleur Jemile Martinez ist mit seiner tempogeladenen Darbietung nun im zweiten Programmteil zu erleben. In der besuchten Vorstellung war Martinez allerdings derart indisponiert, dass ihm kein Trick gelang und selbst einfachste Abläufe misslangen und der Artist schließlich sichtlich genervt die Manege verließ.
Das Trio Laruss bildet mit seiner Adagio-Akrobatik den herausragenden Höhepunkt der Show. Mit großer Eleganz und weich fließenden Bewegungen werden die hochkarätigen Tricks verbunden und schwierige, kraftraubende Hebungen durchgeführt. Besonders beeindruckend, dass auch eine der beiden weiblichen Artisten als Porteur das Gewicht ihrer Partner trägt.
Les Paul - die Junioren des Hauses - Adrian, Vivian und Lili bieten gemeinsam mit ihrem Partner Jemile Martinez die einzige temporeiche Darbietung des Programms. Rasant erfolgt eine große Anzahl der gängigen Tricks der Rollschuartistik in routinierter Ausführung. Mit einem fulminanten Wirbel, den die vier Artisten gemeinsam entfachen, findet die Darbietung ihren gelungenen Abschluss.
Die Sanddornbalance der Schweizer Tanztheater-Formation Rigolo wird in der Roncalli-Produktion von einem weiteren Protagonisten ausgeführt. Der Amerikaner Andreis Jacobs fügt in seinem dreiundzwanzig Minuten währenden Auftritt dreizehn Palmäste zu einer fragilen Skulptur, um sie sodann durch Wegnahme des kleinsten Teiles zum Einsturz zu bringen.
Dieser sehr lange und sehr ruhige Auftritt hat das ohnehin geringe Tempo vollkommen aus der Show genommen und so ist es nur gut, dass die KGB Clowns mit ihrer temperamentvollen Playback-Show noch einmal für Schwung vor dem Finale sorgen.


Das große Finale, mit der seit Jahrzehnten bewährten Choreographie lässt die typische Atmosphäre Roncallis erlebbar werden - die große Schar der Mitwirkenden verteilt fröhlich Luftballons an die Besucher, es folgt der Walzer mit den Logengästen und nach einem Vorhang kommen alle Akteure einzeln nacheinander in den roten Ring und werden mit wohlverdientem Applaus belohnt. Es folgen die obligatorischen Standing Ovations und einige Zugaben, dann fällt der Vorhang.
In die Aufbruchstimmung hinein tritt Weißclown Gensi in die Manege und spielt auf dem Miniklavier in seinen Händen eine verträumte Melodie. Oriol kommt hinzu und stimmt auf der Klarinette in das Lied ein und nun, ganz zu Ende der Show ist die Poesie, die Roncalli dereinst in die Manege brachte, mit einem Mal doch noch spürbar. Es wird still im Gradin und die Besucher verharren auf ihren Plätzen, bis der Zauber durch die anderen Clowns, die in Nachthemden mit Wecker, Kissen und Kuschelbär in Händen auf der Szene erscheinen, aufgelöst wird.