Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RENAISSANCE
Zaltbommel, 09. Juni 2012

www.circusrenaissance.nl
Der kleinste Großcircus-Gastspielplatz der Niederlande, in einem Wald in der Kleinstadt Zaltbommel gelegen, war zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft Spielort des Circus Renaissance.
Die Freifläche zwischen den Bäumen ist derart begrenzt, dass der Circus auf das aufstellen der neuen, aufwändig mit historischen Circusmotiven gestaltete Fassade verzichten musste. Das Gleiche galt für das Vorzelt. Der Kassencontainer und fünf Auflieger füllen den Raum vor dem rot-blauen Chapiteau restlos aus.Sämtliche Fahrzeuge sind in den Farben des Circus, creme und dunkelrot, lackiert und an den Ecken mit erhabenen Ornamenten verziert. Große nostalgische Plakatmotive zieren die Transportwagen.
Der dekorative Frontzaun des Circus wurde hier als Spalier angeordnet und weist den Besuchern den Weg zum Chapiteau. Hinter diesem finden der Raubtierwagen mit Außenkäfig sowie der Elefantenstall mit einem Paddock gerade noch Platz. Das übrige Material und die Wohnwagen stehen weiter entfernt auf einem anderen Gelände.
Die Liebe der Macher zu ihrem Circus und ihrem Tun zeigt sich im Chapiteau. Auch unter diesen erschwerten Bedingungen wurde für das kurze Gastspiel in der kleinen Gemeinde mit sicherem Gespür und großem Aufwand eine hervorragende Atmosphäre geschaffen. Der Eingangsbereich im Schalensitzgradin wurde verbreitert und hier fand die Restauration ihren Platz. Mit vielerlei circensisch angehauchter Dekoration entstand ein angenehmes, warmherziges Ambiente. Dazu tragen die mit edlem Stoff bespannten Logen, die auf den Brüstungen kleine Kaffeehaus-Lämpchen tragen, ihren Teil bei. Ein mächtiger Kristall-Lüster schwebt romantisch funkelnd über der Manege. Der große Artisteneingang aus dunkelblauem schwerem Samt ist mit üppigen roten Portieren, die von goldenen Trotteln geformt werden, begrenzt. Mittig davor wurde ein kleines Podium errichtet, auf dem zum Einlass eine alte Circusorgel spielt. Der Circus Renaissance scheint der Belle Epoque entsprungen. Selbst die Requisiteure verrichten ihre Arbeit in zeitgemässen Clownskostümen und sind passend geschminkt.

Alberto und Katharzyna Althoff  umrundenrekommandierend
die Manege und kündigen zum Programmbeginn die große Parade aller Artisten an. Das so avisierte Charivari  bringt mit viel Schwung ein erstes großes buntes Bild zu Gesicht. Aus einem kleinen Circus-Oberlichtwagen steigen die Clowns in den roten Ring, dann mündet die Szene in den Auftritt des „starken Mannes“. Yussuf Moustafaiev hantiert wieder stets souverän mit großen Eisenkugeln und balanciert einen Amboss auf seiner Stirn.
Harald Vassallo überzeugt mit einer variantenreichen Arbeit auf dem Drahtseil. Zunächst werden vielfältige Sprünge und Schrittkombinationen auf dem gespannten Seil geboten. Mit wenigen Handgriffen wird das Requisit in ein Schlappseil verwandelt. Auch diese Variante der Disziplin lässt den Artisten attraktive Tricks zeigen und mit einer Balance auf dem Einrad findet die Darbietung ihren Höhepunkt.
Vier „friesische Schönheitsköniginnen“ stellt Alberto Althoff in einer Freiheitsdressur vor. Die schwarzbunten Kühe schreiten in aller Gelassenheit durch den Manegensand, zeigen dabei die von Pferdedressuren bekannten Abläufe. Mit einem artigen Knicks verabschiedet sich die letzte der „Damen“ vom Publikum.
Leo Navas gefällt seine Rolle als feuriger Latino-Lover der permanent mit Teilen des Publikums flirtet. Kraftvoll agiert der junge Ecuadorianer am Chinesischen Mast. Er demonstriert, dass es viele Möglichkeiten gibt einen Mast zu erklimmen und riskante Abfaller bringen ihn wieder auf den Boden zurück. Ein Handstand auf der Spitze beschließt die Evolutionen.

Vladimir und Denis Stoljarov bieten erstklassige Clownerie in bester russischer Clownstradition. Vater und Sohn zeigen sich umfassend bestens ausgebildet und die unterschiedlichsten artistischen Disziplinen sind Basis ihrer Arbeit. Außer durchdachter feiner Komik und stimmigen Gags werden eine Reihe artistischer Kabinettstücke geboten. In der „Marionetten-Reprise“ läuft Vladimir Stoljarov auf hohen Stelzen, derweil Denis im Stile eines Fassspringers aus dem Stand in und aus einer hohen Box springt. Beim Wettstreit, wem der Orden eines Meisters auf der Rola-Rola gebührt, wird ein kleines Brett als Unterlage einfach auf den unebenen Manegenuntergrund gelegt und auf einem Turm aus fünf Walzen und Rollen balanciert.
Originell ist die Quick-Change Darbietung von Irada Stoljarova aufgebaut. Tritt sie zunächst im Kostüm einer russischen Bojarin in den roten Ring, verwandelt sie sich beim durchschreiten eines kleinen Kabinettes in typisches holländisches Meisje. Nach einigen weiteren Kostümwechseln erscheinen Denis und seine Mutter im gleichen Dress aus der Kabine und agieren kurz im Stil des Spiegelentrees. Das bunte Treiben wird nun immer turbulenter und erreicht seinen Höhepunkt als Vater Vladimir als „wilder Häuptling“, mit freiem Oberkörper aus der Kabine kommend, die Manege rockt. Im Tutu, mit Taucherbrille und Schwimmflossen ausgerüstet geben Vater und Sohn ein Konzert und sind zugleich auch das Ballett. „Schwanensee“ spielen sie auf Hupen, die in Froschpuppen stecken und mit den Füssen bedient werden.

Das Duo Shmarlovski erobert mit seiner Papageienrevue das Publikum im Sturm. Aus einer Schatzkiste werden zahlreiche Kleinpapageien aus der Familie der Agaporniden hervorgezaubert. Stimmig ist die Nummer durchgängig im Piraten-Look gestaltet. Die Vögel zeigen ein abwechslungsreiches Repertoire, u. a. Turnen sie am Reck, hüpfen durch Reifen, laufen auf Kugeln und nutzen eine Rutsche. Im zweiten Teil der Nummer treten Aras als Akrobaten auf und hissen eine Flagge, ehe sie ihre Flugkünste über dem weiten Circusrund zeigen.

Das Duo Vassallo präsentiert seinen Auftritt an der freistehenden Leiter. Balancen auf verschiedenen Leiterformen erfolgen sicher und gekonnt. Die Jonglage von fünf Ringen, bzw. Tennisschlägern gehört genauso zum Gebotenen wie ein Zwei-Mann-Hoch auf der Leiterspitze.
Als Pausennummer ist „Feuerwehrmann“ Alex Lupescu platziert. Turbulent geht es zu, wenn er versucht ein Feuer in der Kuppel zu löschen und mittels einer hohen Leiter dieses zu erreichen versucht.

Mario Mason stellt zu Beginn des zweiten Programmteils seine sechs jungen Tiger, in drei Farben, vor. Der erfahrene Dompteur arbeitet in ruhiger Manier mit den jungen, einige sind  erst sechs Monate alt, Tieren, die bereits ein umfangreiches Programm beherrschen. Pyramide, Sprünge, Teppich, Fächer- und Balkenlauf sowie verschiedenste Hochsitzer werden absolviert.
Carmen Murariu füllt mit ihren weiten Flügen an den Strapaten die Kuppel des Chapiteau. Die elegant vorgetragene Kür erhält ihre ganz besonderen Momente durch Denis Stoljarov, der die Evolutionen seiner Lebensgefährtin mit seinem Spiel auf dem Saxophon in stimmungsvoller Weise untermalt.

Eine stimmungsvolle Präsentation des Programms mit fließenden Übergängen zwischen den Nummern ist ein besonderes Anliegen der Direktion.  Alberto und Katharzyna Althoff verweilen in passender Dekoration auf dem Podium im Hintergrund. Mit einem Tango leiten sie zur Leiterbalance des Duo Vassallo über, dessen Nummer zu entsprechender Musik und Gestaltung abläuft. An der Spitze, der frei auf den Füssen von Harald Vassallo balancierten, hohen Leiter demonstriert Sharon mit verschiedenen Handständen ihr akrobatisches Können.
Michael Betrian, fünfzehnjähriger Diabolojongleur, zeigt viele hohe Schwierigkeitsgrade in seinem furiosen Auftritt. In hohem Tempo folgen routiniert die Muster mit bis zu drei Diabolos aufeinander. Auch im „Verkauf“ zeigt sich der junge Mann bereits als Vollprofi, der es versteht mit sympathischem Jungencharme das Publikum für sich zu gewinnen.

Mario Mason lässt vor dem Finale seine afrikanische Elefantenkuh ihr breitgefächertes Repertoire vortragen. Umfangreiche Laufarbeit wird mit allerlei Aktionen auf dem Tonneau ergänzt und auch akrobatische Tricks sind zu sehen. Zum Höhepunkt der Darbietung schreitet der Elefant über eine junge Frau, die zuvor als Figurantin in den Ablauf integriert war. Es ist eine komplette Elefantendressur, die so gut wie alle Möglichkeiten ausschöpft, die mit einem Tier gegeben sind.

Ein großes, buntes Finale hat in diesem Circus Tradition und so hat Katharzyna Althoff auch in diesem Jahr wieder eine schwungvolle Choreographie geschaffen, die dem besonderen Anspruch der Direktion gerecht wird. Ein mitreißendes traditionelles Circusprogramm findet seinen gelungen Abschluss und begeistert feiert das Publikum die Akteure der äußerst unterhaltsamen Show.
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