Text und Fotos: Friedrich Klawiter
CIRQUE PINDER
Paris, 11. Dezember 2010

www.cirquepinder.com
Pinder in Paris – das ist immer wieder eine Faszination. Diese Größen der Chapiteaus, die Menge an Material, die Vielfalt der Fahrzeuge, die Vielzahl der Mitarbeiter – fast fühlt man sich ein wenig wie auf einer Zeitreise, bekommt man doch derlei heute fast nicht mehr geboten.
Durch zwei langgestreckte Vorzelte, im ersten erhalten die Galagäste die Geschenke ihrer Firmen, gelang man in den riesigen Sechsmaster. Die Menagerie ist weiträumig im Anschluss an das Chapiteau aufgebaut und dahinter sind zwei große Viermaster, in ihnen werden die normalen Tourneegastspiele absolviert, platziert. Hier finden die Firmenfeiern der Galabesucher statt.
Die allermeisten Plätze im rund fünftausend Besucher fassenden Gradin des großen Chapiteau sind besetzt, als gegen einundzwanzig Uhr dreißig die dritte Show des Tages beginnt.

Die Manege ist bereitet und nacheinander kommen die sechzehn Raubkatzen, 12 Löwinnen und Löwen sowie vier Tiger, in den Zentralkäfig. Juniorchef Frederic Edelstein hat seine mehrere Monate währende Armverletzung auskuriert und präsentiert in gewohnt souveräner Manier die 'Große Gemischte'. Immer wieder beeindruckend ist die große Pyramide aller sechzehn Tiere. Hochsitzer am Platz, je zu acht auf einer Seite werden von mehreren Sprüngen gefolgt. Aus dem Fächerlauf heraus wird ein Teppich von zehn Löwen gebildet und nachdem der Dompteur mit einem der Tiger geschmust hat, wirft er sich längs auf den Löwenteppich. Rückwärtssteiger und Sprung einer Löwin über den abduckenden Frederic Edelstein werden vom Chef mit Löwenmann gemeinsam auf der Spiegelkugel gefolgt. Den Platz an der Käfigtür, den jahrelang Dickie Chipperfield inne hatte, wird nun von Beat Decker eingenommen.
Nachdem Monsieur Loyal wortreich die Zusammensetzung der Dressurgruppe beim jungen Publikum abgefragt hat, wird der weitere Käfigabbau von Akaena am Ringtrapez überbrückt. Kraftvoll arbeitet die junge Frau in größerer Höhe.

Paris ist die letzte Stadt der Pinder-Tournee, die alljährlich Mitte Januar in Tours beginnt. Das Programm wird stets für das Hauptstadtgastspiel verstärkt und teilweise ausgewechselt. Der Tausch der weiteren Artisten verfolgt dann zum Start der neuen Saison. So sehen wir, genau wie im Sommer, Liu Xin mit ihrer Kontorsionsdarbietung. Anmutig präsentiert die junge Frau ihre anspruchsvollen Evolutionen. Höhepunkt ihrer Arbeit ist der Stand auf dem Mundstab und gleichzeitiges drehen zweier kleiner Teppiche auf den Händen.
Gleiches gilt für die Truppe Qiqihaer, deren Handvoltigen in der hohen Kuppel des riesigen Sechsmasters noch eindrucksvoller wirken, als auf der Saison. In vielfältigen Variationen wirbeln die vier Flieger/Innen zwischen den vier Fängern umher, allerlei Pirouetten Salti und Passagen zeigend.
Jongleur Michael Olivares beweist ebenso seine Geschicklichkeit mit Bällen, Bumerangs und Keulen vor dem Pariser Publikum. Zusammen mit seinem Bruder und Vater ist er im Trio Nicols Clowns zu sehen. Im Zusammenspiel mit Frederic Colnot wird das Wasserentree gespielt.
Last but not least sind die Fernandez Brothers zu nennen. Die beiden zierlich wirkenden Kubaner überraschen mit einer enorm kraftvollen Hand-auf-Hand Darbietung, die sie mit großer Selbstverständlichkeit und Sicherheit ausführen.

Der große Exotenzug von Sacha Houcke präsentiert, zeigt sich in veränderter Form. Fünf Tänzerinnen, eine Novität im Hause Pinder, leiten die Darbietung ein. Zunächst zeigen sechs Kamele eine variantenreiche ausführliche Laufarbeit. Es folgt das bekannte große Karussell mit Eseln, Lamas, Kameln, Zebra und Norwegerpferden.
Gaby Dew hat eine neue Pferdefreiheit zusammengestellt, die in dieser Form bereits während der Saison zu sehen war. Neun Pferde in drei Farben zeigen interessante Lauffiguren, werden immer wieder nach Farben umsortiert, bzw. gemischt. Ein Karussell auf drei Zirkeln arrangiert die Dresseurin vollkommen alleine und ohne Hilfe von außen. Natürlich dürfen auch Da Capo Steiger nicht fehlen.

Die beiden Pinder-Elefanten hören seit einiger Zeit auf das Kommando von Sacha Houcke. Dieser wird mit seiner Lebenspartnerin Gaby Dew mit Beendigung des Paris-Gastspiels aus dem Team des Circus ausscheiden, so dass ein neuer Elefantenvorführer eingearbeitet werden muss. So sind derzeit Sacha Houcke und Frederic Edelstein, er wird die beiden Damen im kommenden Jahr vorführen, gemeinsam in der Manege zu erleben. In der besuchten Vorstellung Sacha Houcke. Nach etwa der Hälfte der Nummer übernahm Frederic Edelstein und Houcke zog sich vor den Vorhang Manege zurück. Gleich zeigte sich, dass die beiden Elefanten den neuen Mann in der Manege noch nicht voll als Chef akzeptieren, bzw. austesten wie weit sie gehen können. Er musste wesentlich mehr auf die Elefanten einwirken um sie zur Ausführung der Tricks zu bewegen als Sacha Houcke, bei dem sparsame Bewegungen und ein kurzes Kommando genügen.

Alle Jahre wieder – ist Sophie Edelstein mit ihrer großen, höchst professionellen und glamourösen Magic-Show  während des Paris-Gastspiels in der Pinder-Manege zu erleben. Zusammen mit fünf Tänzern/Assistenten wird eine umfassende Anzahl erstklassiger Groß-Illusionen geboten. Auf dem eigens verlegten manegenfüllenden Holzboden bereitet sich ein wenig Las Vegas Atmosphäre aus und wie stets wird die Nummer mit neuen Tricks begonnen. Aktuell erscheint einer der Assistenten „aus dem Nichts“ unter einem einfachen Tuch auf einem Stuhl sitzend. Bei den erkennbaren Materialstärken des gepolsterten Stuhls stellt man sich schon die Frage, wo der Zauberassistent untergebracht ist. Heuer wird den Illusionen effektvoll eine Laser-Show vor an gestellt. Explizit für die Dauer dieser Darbietung „bittet“ Monsieur Colnot auf Fotos komplett und mit allen Aufnahmegeräten zu verzichten.

Neu in der Pinder-Manege ist die Truppe Zhukov an der doppelten russischen Schaukel. In ungewöhnlichen Kostümen, die perfekt in eine Flicflac-Show passen würden, wird eine durchgestylte Darbietung präsentiert. Ein paar Tage vor unserem Besuch gab es einen Zwischenfall mit Verletzung eines Artisten, so dass wir nicht den vollen Umfang der Nummer erleben konnten. Beeindruckend sind immer wieder die weiten und hohen Flüge der Artisten von einer zur anderen Schaukel.
Eine weitere neue Nummer bei Pinder wird von Shaolin-Mönchen zu Gesicht gebracht. Fünf junge Männer in den typischen orangen Kutten ihrer Zunft zeigen in sehr flottem Ablauf gängige Tricks des Genres. Zum Beispiel wird ein Stück Metall - spröder leicht springender Guss - mit einem Schlag auf den Kopf zerbröselt, Holzstäbe mit einem Schlag zwischen die Beine eines im Kopfstand stehenden Kollegen zerbrochen, ein „Mönch“ nur auf vier Speerspitzen gelagert hoch in die Luft gereckt. Abschließend biegen zwei der Artisten eine beidseitig mit Metallspitzen versehene Bambusstange nur mit ihren Kehlen durch.
Schlussnummer in diesem kompletten und umfangreichen Programm ist die Dschigitenreiterei der Truppe Kasbek Khadikov. Leider verzichtet man bei Pinder darauf die Manege 'richtig', d. h. mit einer Überhöhung entlang des Hufschlags herzurichten. Auf dem Platzuntergrund ist nur eine dünne Schicht Sägespäne aufgebracht. Auch wird der hintere Bereich der Manege nur teilweise mit zusätzlichen Pistenteilen geschlossen. Für die Reiter ergeben sich daraus Probleme der Art, dass einerseits die Pferde nicht ihr volles Tempo entfalten können da der Untergrund nicht den nötigen 'Gripp' bietet und andererseits durch die offene Piste die Orientierung für die Pferde erschwert wird.
Unter diesen Gegebenheiten kann die, andernorts stets rasante, Darbietung nicht ihre volle Wirkung erzielen. Truppenchef Kasbeck Khadikov leitet den Ablauf vom Pferd aus und demonstriert zunächst ein paar Schulschritte. Drei Reiter drehen auf je zwei Pferden stehend reitend ein paar Runden, dann wird es flotter und die üblichen Reitertricks werden präsentiert. Erst im Schlusskompliment zeigt sich, dass mehr als drei Reiter zu Truppe gehören da nun erstmals alle Mitglieder in der Manege zu sehen sind.

Das Finale wurde in diesem Jahr neu inszeniert. Erstmals seit vielen Jahren wird auf die große aufblasbare Weihnachtsmannfigur verzichtet. Auf einem Schlitten wird ein Nikolaus von den knapp bekleideten Ballettmädchen in die Manegenmitte geschoben und die Mitwirkenden gruppieren sich dazu. Alle werden nochmals einzeln vorgestellt und unter Feuerwerk wird ein bisschen getanzt. Nicht so recht zum weihnachtlichen Ambiente will Shakira' s „Wacka wacka Africa“, es ist zwar ein schwungvoller Hit der ein Finale peppig und lebensfroh macht, passen, dass aus den Boxen dröhnt.
Cirque Pinder bleibt seinem Stil, ein klassisches Circusprogramm mit allen relevanten Großtierarten und einer umfassenden Auswahl erstklassiger Artistik schnörkellos zu bieten, auch in dieser Weihnachtsspielzeit treu. 
optimiert