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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS NOCK
Wädenswil, 21. Juni 2014

www.nock.ch
Der Circus Nock, ältester reisender Circus der Schweiz, bietet in dieser Saison nicht nur in der Manege Neues. Auf der alljährlichen Tour durch die vier Sprachregionen unseres Nachbarlandes machte der Circus auch in Wädenswil am Zürich See Station.
Im Verlauf des Frühjahres hat der Circus Nock ein neues Chapiteau in Gebrauch genommen. Dieses erstrahlt in den Farben weiß und rot. Auch die Formgebung hat sich gegenüber dem Vorgängermodell verändert; die Plane reicht an den Masten hoch bis an deren Spitzen und umrahmt damit die langgestreckte mittige Kuppel. Auf den recht engen Plätzen der Schweizer Kleinstädte wird ein zweimastiges rechteckiges Vorzelt, dessen eine Schmalseite fest ans Chapiteau angebaut ist, aufgebaut. Ein weißer Zaun mit nostalgischen Leuchten und der bekannte Kassenwagen bilden unverändert die schmucke Front des Circus. Die zahlreichen Circuswagen und Auflieger sind weiß lackiert und tragen in großen roten Lettern den Circusnamen. Der Festplatz reicht nicht aus, den gesamten großen Circus auf zu nehmen. Auf einer ca. zweihundert Meter entfernten großen Wiese fanden die Tierställe und Freigehege, Wohnwagen und ein Teil der Materialtransporter Platz.
Der große Verkaufswagen der Circusrestauration und weitere Stände nehmen die Längsseiten des Vorzeltes ein. Sitzgruppen strukturieren den übrigen Raum.Durch zwei klassische Einlass-Sperren gelangen die Besucher ins im Innern dunkelblaue Chapiteau. Ein großes, teilweise mit Schalensitzen bestücktes Gradin nimmt den größten Teil des Raumes ein. Elegante rot-weiße Logen, die mit einem Holzboden versehen sind, ergänzen die Sitzeinrichtung.
Der breite Artisteneingang aus rotem Samt nimmt den hinteren Teil des Zeltes ein. Auf seiner Empore findet unter einem Baldachin, der von einer Gitterrohrkonstruktion getragen wird, das ausgezeichnete Orchester seinen Platz. Groß aufspielend begleitet es fast die komplette Show mit perfekt abgestimmter Live-Musik.
Auf der Höhe der Zeit zeigt sich die üppig dimensionierte Beleuchtungsanlage, die gekonnt eingesetzt, die auftretenden Künstler ebenfalls hervorragend unterstützt.

Paolo Finardi schickt sich an, das "hochvereehrte Publikum" zu begrüßen, als er jäh von einem Bautrupp - Gaston und Roli - unterbrochen wird. Die beiden, mit schwerem Gerät ausgerüstet, geben vor zunächst den Platz ausmessen zu müssen. Nach einigem Disput setzt sich der Manegensprecher durch und das schwungvolle Charivari nimmt seinen Lauf.
Mit dem Duo Stoichev, nun mit Uber Ceballos als Partner von Mikel Stoichev, auf dem Todesrad startet die Nummernfolge temperamentvoll. Mit vielfältigen Aktionen beider Artisten in den Kesseln startet die Trickfolge. Fackeljonglage, Seil springen und Blindlauf außen auf dem Rad sind u. a. die Tricks, die das Publikum fesseln und den Atem anhalten lassen. Hohe Absprünge auf der Außenbahn des schnell drehenden Requisits sind der spektakuläre Abschluss dieser Darbietung.

Vor der Pause erleben wir die spektakulären Fahrten des „Team Stoichev“, nun zu dritt, im Globe of Speed. In bekannter Manier jagen die Fahrer auf teils einander kreuzenden Bahnen durch die Stahlgitterkugel. Besonderer Nervenkitzel kommt auf, wenn eine junge Frau mitten im Globe stehend von den haarscharf vorbeifahrenden Motorrädern umrundet wird.
Das polnisch-ukrainische Duo Rivoli ist mit zwei Darbietungen zu erleben. Zunächst präsentieren sie eine Hunderevue in deren Mittelpunkt Monica Rivoli steht. Fünf weiße Pudel beweisen voller Eifer ihre große Sprungkraft. Sie laufen auf den Hinterbeinen und schieben einen Kinderwagen, abschließend wird eine Rutschbahn erobert.
Der zweite Programmteil startet mit der klassischen Zauberkunst von Sandro Rivoli. Silbermünzen werden u. a. aus dem Haar, den Ohren und dem Mund eines hervorragend mitspielenden Jungen aus dem Gradin „hervorgezaubert“ und landen laut klimpernd in einem silbernen Kübel. Umfangreiche Manipulationen mit Spielkarten schließen sich an, ehe mit einer Fluchtkiste auch ein Trick aus dem Segment Großillusion geboten wird.

Das großartige Clownduo Gaston und Roli unterhält mit seinen feinen Späßen auch in dieser Saison das Publikum im Circus Nock bestens. Zunächst lässt „Scheich“ Roli sein „Medium“ Gaston Gedanken erraten. Eine Zahl, die ein Zuschauer verdeckt vorgibt, wird vom „Medium“ souverän angezeigt. Als Cowboy und Indianer entführen die Clowns einen Zuschauer in den Wilden Westen, respektive einen Zuschauer ans Messerbrett. Nachdem diesem Augen verbunden wurden nimmt der hinlänglich bekannte Vorgang seinen Lauf. Mit einem musikalischen Wettstreit auf Concertinas geht es zunächst in die Pause. Im zweiten Teil findet der Sketch seine Fortsetzung und einen überraschenden Ausgang. Den Disput zweier „Automobilisten“ um die Vorfahrt tragen Roli und Gaston auf ihren „musikalischen Jacketts“ aus.

Franziska Nock präsentiert eine sehr interessant zusammengestellte Freiheitsdressur. Drei Friesen und drei weiße Hengste absolvieren eine abwechslungsreiche Laufarbeit. Souverän lässt die erfahrene Tierlehrerin die vielfältigen Muster ablaufen. Zwei Kamele gesellen sich zu den Pferden und bald darauf wird die Nummer noch um zwei Esel erweitert. Die unterschiedlichen Tierarten lassen viele verschiedene Kombinationen zu und mit prächtigen Da Capo Steigern findet der Auftritt seinen gelungenen Abschluss.
Im zweiten Programmteil reiten Franziska Nock und Paolo Finardi eine doppelte Hohe Schule. In sehr eleganter Aufmachung bieten die Reiter ein umfangreiches Repertoire erstklassig ausgeführter Schulschritte dar. Während Franziska Nock ihr Pferd wechselt, den zweiten Teil der Darbietung gestaltet sie solo, zeigt sich ein weißes Pony als eifriger Steiger.
Romy Megam arbeitet temperamentvoll eine abwechslungsreiche Antipoden-Nummer. Walzen, Hula Hoop Ringe und kleine Teppiche werden in unterschiedlichster Weise mit Händen und Füßen jongliert. Zum „grande Finale“ ihrer Darbietung schwebt die Artistin mit dem Körper in einer Tuchschlinge liegend hoch in der Kuppel des Chapiteau und lässt dabei die Teppiche auf ihrer Extremitäten tanzen.
Die Power Brothers, die usbekischen Zwillingsbrüder Khusan und Khasan Saliev, bieten eine starke Hand-auf-Hand Equilibristik. Kräfte zehrende, anspruchsvolle Tricks werden in großer Anzahl gearbeitet und elegante Übergänge verbinden die einzelnen Elemente zu einem harmonischen Ganzen.
Habesha Icarians nennen sich zwei äthiopische Artisten, die mit einer rasanten Ikarier-Nummer aufwarten. In hohem Tempo wird die höchst umfangreiche Trickfolge erstklassig dargeboten. Allerdings sollte man nicht übersehen, dass es sich bei dem Voltigeur um einen noch sehr jungen Artisten handelt dem hier körperliche Höchstleistungen abverlangt werden.

Michael Ferreri jongliert mit kleinen weißen Bällen und mit dreien startet er seine umfangreichen, temperamentvoll vorgetragenen Routinen. Nach und nach steigert er die Anzahl der jonglierten Requisiten bis auf sieben. Am Ende einer jeden Tour fällt ein weiterer neuer Ball einfach vom Himmel, respektive aus der Zeltkuppel passgenau in die Hand des Jongleurs, bzw. direkt vor seine Füße.

Tarzan und Jane, alias Francesco Nock und Simona erzählen ihre Love-Story an den Tuchstrapaten. Romantisch wird die Geschichte von werben der Geschlechter umeinander umgesetzt. Elegant erfolgen die Partnertricks und kraftvoll gestaltet „Tarzan“ seine Soloszenen. Im Verlauf der umfangreichen Trickfolge übernehmen beide Akteure die Rolle des Porteurs und mit weiten Flügen füllen sie den gesamten Raum der Kuppel.
Die Finalnummer arbeiten die vier Kontorsionistinnen der Truppe "Dream Circus Ethiopia". Charmant und mit ungeheurer Selbstverständlichkeit werden die teils anspruchsvollen Tricks aneinander gereiht. Viele Pyramiden, bei denen die Artistinnen nicht nur den eigenen Körper perfekt beherrschen, sondern auch noch das Gewicht der Kolleginnen tragen müssen werden in großer Perfektion ausgeführt. Scheinbar ohne die geringste Anstrengung werden die Positionen lange gehalten.

Ein ausführliches, fröhlich gestaltetes Finale bringt alle Mitwirkenden noch einmal in die Manege und alle bieten kleine Zugaben. Die traditionelle Verabschiedung der Besucher nehmen Franziska und Francesco Nock gemeinsam vor. Das Publikum dankt mit lebhaftem Applaus für das unterhaltsame und starke klassische Circusprogramm, in dem leider die Säule „Tiere“ ein wenig unterrepräsentiert ist.