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Text und Fotos Friedrich Klawiter
11. FESTIVAL INTERNATIONAL DU CIRQUEDE NAMUR
Namur, 30. Oktober 2015

http://festival-cirque-namur.com
Auch in diesem Jahr veranstaltete Impresario Emmanuel Horwood das circensische Großereignis in der wallonischen Metropole an der Meuse. Wie stets war die Esplanade du Citadelle Schauplatz des Geschehens und in den imposanten Zeltanlagen wird einmal mehr, noch bis einschließlich Sonntag den 8. November, eine hochkarätig besetzte und erstklassig in Szene gesetzte Show geboten.
Moderne Zeltanlagen des englischen Bobby Roberts Circus, der seit einigen Jahren das technische Equipment des Festivals stellt, sind auf dem großen Circusplatz aufgebaut. Das Grand Chapiteau zeigt ein markantes rot-weißes Blockstreifendesign und ist mittels eines Tunnels mit dem farblich abgestimmten Vorzelt verbunden. Das Dekor des Kassenaufliegers korrespondiert perfekt mit dem Chapiteau. Leuchtelemente auf dem Dach der Kasse und Lichterketten an den Zelten transportieren Circusatmosphäre in die Nacht.
Wohnwagen und Materialtransporter stehen an den beiden Platzseiten aufgefahren; die Ställe der Pferde und Lamas wurden hinter dem Zelt platziert.
Festlich strahlt das Innere des Vorzeltes im Schein zahlloser Lichtpunkte, mit denen die schwarz abgehängten Seitenwände versehen sind. Blaue Läufer strukturieren den Boden und großformatige Artistenportraits verleihen dem Raum einen Loungecharakter. Eine Vitrine mit den Siegertrophäen, individuell gestalteten kunstvollen Plastiken aus edlem Metall, nimmt den Platz gleich neben dem Zugang zum Chapiteau ein.
Im Chapiteau herrscht eine dichte warme Atmosphäre. Elf Reihen roter Einzelklappsitze umfasst das große Gradin und drei Reihen Logenstühle komplettieren das Platzangebot.
Die roten Logenbrüstungen sind mit einem aufwändigen goldenen Dekor versehen und harmonieren perfekt mit dem hohen Artisteneingang aus rotem Samt. Eine hier installierte Videowand wird zur Einblendung diverser Informationen zum Programm genutzt.
Die musikalische Begleitung der Show erfolgt von CD, wobei ein Schlagzeuger die Akzente setzt. Das erstklassige Lichtdesign trägt sehr zum Gelingen der Show bei.
Für die aktuelle Produktion konnte wiederum Regisseur Serge Gambi gewonnen werden, der die Nummern mit frischen Ideen und flott choreographiertem Ablauf zu einer unterhaltsamen, kurzweiligen Show formte.

Monsieur Horwood, er agiert auch in diesem Jahr bei seinem Festival wieder als versierter und angenehmer Sprechstallmeister, und Clown Gino gehen durchs Zelt Richtung Gardine und palavern über Fußball als sie von der Regie darauf hingewiesen werden, dass ihre Mikros offen und die Unterhaltung keinesfalls mehr privat sei und so eröffnen die beiden „Trainergrößen“ kurzerhand die Show.
Laserman Henrique Rigoletto bietet mit diesem, im Circus sehr jungen und modernen Genre einen fulminanten Einstieg in die Show und lässt die Stimmung im voll besetzten Rund steigen. Mit lautem Kreischen, Pfeifen und Johlen geben zumeist junge Besucher ein begeistertes Feedback auf die vielfach wechselnden Muster und überraschenden Variationen der abwechslungsreichen Light-Show.
Guiliano Frank war mit seiner Hunderevue am ersten Wochenende des Festivals an Stelle von Peter Balder und seinen Hunden zu erleben. Sechs quicklebendige Hunde unterschiedlicher Größe zeigen spielerisch und mit Begeisterung ihr Können. Viele verschiedene Sprünge – durch Reifen, über Stühle, durch den Armbogen, übereinander – bilden das Rückgrat der Trickfolge.
Larissa Luraschi arbeitet eine kräftezehrende Kür an den Strapaten. Freihändiger Spagat, risikoreiche Abfaller und beidarmige Aufschwünge mit Überschlag wechseln mit diversen Halteposen ab.
Die Salvini Clowns sind in einigen Szenen zu erleben. August Gino hantiert zunächst in bekannter Weise mit Popkorn und jagt alsdann eine imaginäre Fliege und beerdigt sie schließlich unter einem dicken „Stein“. Er angelt an einem kleinen Teich und als er endlich Erfolg hat, ist der (Kostüm)-Fisch so riesig, dass er den August mit Haut und Haaren verschlingt. Im schwarzen Frack dirigiert Gino zunächst den Applaus des Publikums und spielt im zweiten Teil der Reprise mit Glöckchen. Im großen Entrée bringt das Duo Salvini seine bestens bekannte Kochschule. Außer stimmungsvoll intonierter Musik werden eine Reihe Slapstick-Gags gekonnt und in flotter Reihung geboten.

Mit zwei sehr unterschiedlichen Darbietungen ist Elisa Triberti im Programm vertreten. Im ersten Teil präsentiert sie eine Papageien-Revue mit Aras und kleinen Sittichen. Ein Ara überbringt einer Zuschauerin eine Rose und wiegt sich auf den Armen der Dame. Ein kleinerer Vogel durchfliegt drei Ringe, die Kinder aus dem Publikum auf der Piste stehend hochhalten und ein Dutzend leuchtend bunter kleiner Sittiche landet auf Armen, Schultern und Köpfen der Kinder. Zu YMCA „tanzen“ vier Vögel auf ihren Sitzstangen. Abschließend zeigen sich die Aras als elegante Flieger und segeln lautlos über das Gradin.
Im zweiten Programmteil präsentiert Elisa eine starke Klischnigg-Darbietung. Auf einem kleinen Tisch biegt die Artistin ihren Körper in weichen fließenden Bewegungen in die unterschiedlichen Posen und bringt dabei mit einem strahlenden Lächeln ihre Extremitäten in extreme Positionen. Kraftvoll werden verschiedene Tricks im Handstand ausgeführt und zum Höhepunkt des Auftritts zwängt Elisa ihren Körper in einen Glaskubus von etwa sechzig Zentimeter Kantenlänge.
Das Duo Camadi ist vor der Pause mit seinem mitreißenden Act auf dem Hochseil zu erleben. Vater und Tochter gelangen über Schrägseile empor. Eine umfassende Auswahl attraktiver Tricks –  u. a. Spagat, Seil springen, überspringen und Bocksprung über die Partnerin – wird in Perfektion ausgeführt. Joana steigt auf dem Seil auf die Schultern ihres Vaters und springt nachdem eine Strecke im Zwei-Mann-Hoch bewältigt wurde wieder auf das Seil ab. Feuchte Hände und spannungsgeladenes mitfiebern herrscht im Gradin beim einmaligen Spitzentrick des Duos, zu dem die beiden sympathischen Artisten das Hochseil auf dem Einrad im Zwei-Mann-Hoch überqueren.

Der zweite Teil der Show beginnt mit dem stimmungsvollen Auftritt einer stimmgewaltigen Sängerin, deren Auftritt optisch mit historischen Circusfilm-Sequenzen auf der Videowand aufgewertet wird. Weiteren Gesangseinlagen begleiten anschließend einige Nummern.
Sandrine Bouglione ist mit zwei Dressurnummern präsent. Zunächst leitet sie ruhig und souverän vier junge Lamas zu ihren Figuren an. Wenig später zeigen vier nachtschwarze Friesenhengste unter der eleganten Peitschenführung der erfahrenen Dresseurin ihr Können. Vielfältige Figuren werden in souveräner Manier dargeboten.
Das kubanische Duo Lyd ist ebenfalls zwei Mal in der Manege präsent. Das heutzutage recht selten zu sehende Genre der Fahrradartistik beherrscht das Duo in erstklassiger Weise. Viele Partnertricks werden in erstklassiger Ausführung geboten. Im zweiten Auftritt, am Chinesischen Mast begeistern die beiden Künstler mit einer Vielzahl kräftezehrender Tricks. Einige der Tricks, bei denen der Porteur außer dem eigenen auch das Gewicht der Partnerin zu tragen hat, lassen die Frage aufkommen, in welcher Art und Weise er den notwendigen Halt an der Stahlstange findet.

Der „Splitting Globe“ der Diorios bildet den umjubelten finalen Höhepunkt der Show. Nach den ersten Runden mit einem und zwei Fahrern steigt bei drei dahin rasenden Motorrädern auf kreuzenden Bahnen in der engen Kugel die Spannung im Publikum deutlich wahrnehmbar an. Spannung und Nervenkitzel münden in tosendem Applaus, nachdem fünf verwegene Fahrer ihren Stunt im zwischenzeitlich geteilten Globe sicher beendet haben.
Vor dem Finale wird die Stahlgitterkugel flott aus der Manege entfernt und eine kleine Lasershow überbrückt die Aktion.
Noch einmal treten die Motorräder in Aktion - als Taxis eingesetzt, bringen sie die Artisten zum großen Finale in den roten Ring. Emmanuel Horwood stellt seine Artisten noch einmal vor und mit langanhaltendem, lebhaften Beifall danken die zahlreichen Besucher für das Gebotene. Wie stets bilden die Artisten im Vorzelt ein Spalier und viele Besucher verabschieden sich mit ein paar Worten bei den Akteuren, oder nutzen die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Foto mit ihrem Favoriten für die Preisvergabe, die bei diesem Festival per Besuchervotum ermittelt wird.