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Text und Fotos Friedrich Klawiter
9. FESTIVAL INTERNATIONAL DU CIRQUE DE NAMUR
Namur, 25. Oktober 2013

http://festival-cirque-namur.com
Zum neunten Mal waren die imposanten Zeltanlagen hoch über der belgischen Stadt Namur, auf der Esplanade du Citadelle, errichtet. Impressario Emmanuel Horwood hatte einmal mehr hochkarätige Artisten und Tierlehrer in großer Zahl für das circensische Großereignis in die Metropole an der Meuse gerufen.
Auf dem Circusplatz sind die aus dem Vorjahr bekannten Zeltanlagen aufgebaut. Das gewaltige Chapiteau, mit dem markanten rot-gelben Blockstreifendesign, mit sechsundvierzig Metern Durchmesser kommt vom englischen Bobby Roberts Circus
Ein farblich abgestimmtes Vorzelt ist mittels zweier Tunnels an das Chapiteau angeschlossen. Kasse und einige weitere Wagen vom Roberts Circus sind auf der rechten Platzseite aufgefahren. Die linke Seite ist den Fahrzeugen der Artisten vorbehalten.
Ställe und Paddocks für Elefanten und Dromedare, sowie der „Pool“ der Seelöwen nehmen den Raum hinter dem Zelt ein.
Edel ausgestattet zeigt sich das Vorzelt. Royalblauer Teppich bedeckt den Boden und an den mit schwarzem Tuch abgehängten Seitenwänden funkeln die zahllosen Leuchtpunkte der Lichtnetze. Zahlreiche großformatige Bilder, sie zeigen Artistenportraits aus vergangenen Jahren, in wuchtigen goldenen Rahmen verleihen dem Raum einen Loungecharakter. In einer Vitrine sind die Siegertrophäen, individuell gestaltete kunstvolle Plastiken aus edlem Metall, die in dieser Form erstmals verliehen werden, ausgestellt.
Vierzehn Reihen blauer Einzelklappsitze und drei Reihen gepolsterter Stühle bieten knapp zweitausend Besuchern im Chapiteau mit größtmöglichem Komfort Platz. Die Logenbrüstungen tragen ein aufwändiges rot-goldenes Dekor und korrespondieren perfekt mit dem großen Artisteneingang aus rotem Samt. Auf dessen Podium hat das vierköpfige englische Live-Orchester von Alex Bozic seinen Platz, dass mit erstklassigem rockigen Sound die Aktion in der Manege optimal untermalt. Auch die großzügig dimensionierte und üppig bestückte Lichtanlage wird wirkungsvoll eingesetzt.

Das Opening der Show gestaltet Clown Matthieu im Zusammenspiel mit einer örtlichen Amateur-Akrobatentruppe. Die neun Herren bieten in Clownskostümierung einige ansprechende Abläufe als Trampolinspringer.
Nun begrüßt Impressario Emmanuel Horwood zusammen mit „Mademoiselle Phillipa“ und Matthieu das Publikum. Dieses Trio wird uns im weiteren Verlauf des Programms noch einige Male begegnen, da sie mit ihrer Geschichte den roten Faden der Show bilden. „Mademoiselle Phillipa“ und Matthieu möchten singend, tanzend und musizierend das Publikum unterhalten, doch immer wieder wird ihr Vorhaben vom gestrengen „Monsieur le Directeur“ unterbunden. Als der Plan endlich in die Tat umgesetzt werden kann mündet die Show ins große Finale.
Vlad Olandar präsentiert seine temporeich ablaufende Dressur mit acht schneeweißen Katzen gleich zu Programmbeginn. Routiniert absolvieren die „Stubentiger“ die verschiedenen Tricks – springen durch Handreifen, absolvieren einen Flaschenlauf, paradieren über die Schultern des Tierlehrers, erklimmen eine hohe Perchestange, durchlaufen einen Tunnel, hangeln sich unter einer Stange vorwärts und lösen mit kühnem Sprung den Abwickelmechanismus einer Fahne aus.
Jana Roberts arbeitet eine aufwändig in Szene gesetzte Hula Hoop Darbietung. Auf einer  großen Spiegelkugel laufend gelangt die Artistin in den roten Ring, läuft im Slalom um in hellen Flammen lodernde Stangen. Temperamentvoll wird die abwechslungsreiche Trickfolge dargeboten. Besonders effektvoll kreisen brennende Reifen um den Körper von Jana Robberts, die ihre Tricks auch auf der Kugel laufend präsentiert.

Robert Lagroni war mit seiner Handstandequilibristik bereits auf dem letztjährigen Circus Festival in Namur zu erleben. Nun hat der versierte Artist seine Nummer völlig neu gestylt. Das schwere Motorrad, auf dem die Darbietung bisher gearbeitet wurde, ist nun einem Gestell gewichen, dessen Plattform sich anheben und absenken lässt. Zudem ist an der Vorderseite ein Schrägaufzug angebaut, mit dessen Hilfe Robert Lagroni im Handstand stehend seinen Arbeitsplatz erreicht.
Clown Matthieu war ebenfalls schon auf diesem Festival zu erleben und hat seine Reprisen demzufolge neu arrangiert. Er spielt Golf und bittet sechs Zuschauer zum Glocken spielen in die Manege und „spielt“ auf Seifenblasen, die aus der Kuppel hernieder schweben, eine verträumte Melodie. Erstmals sahen wir ihn als, dank entsprechend gearbeitetem Kostüm, Muskel bepackten „Mr. Universum“, der eine Metallschubkarre stemmt.

Ein besonderes Highlight einer jeden Show ist immer wieder die hervorragende Seelöwendressur von Ingo Stiebner. Alle Aktionen werden spielerisch, mit großem schauspielerischen Talent der Robben und zumeist scheinbar aus eigenen Antrieb der Tiere, ja es wirkt als agierten sie „hinter dem Rücken“ des Tierlehrers, ausgeführt. So „hilft“ man sich bei fallen gelassenen Bällen und Ringen, führt anstelle des Kollegen einen Handstand aus und überbringt dem Partner einen Belohnungsfisch.
Als Pausennummer wurde das „Flying Trampoline“ platziert. Ganz in schwarz, mit weiten flatternden Umhängen ausstaffiert und die Gesichter maskenhaft weiß und schwarz geschminkt, stürzen sich die beiden Artisten an dem Moderequisit die „Wand“ hinunter auf die elastische Matte des Trampolin.

Zu Beginn des zweiten Programmteils sind die Flying Mendozza zu erleben. Je zwei Fliegerinnen – die von einem einzigen Sprung abgesehen nur aus optischen Gründen mit auf der Brücke stehen – und Flieger bieten in eleganter Manier viele, allesamt sehr sicher gefangene Sprünge am Fliegenden Trapez. Dreifacher Salto und Passage sind die umjubelten Höhpunkte dieser rasanten Darbietung.
Die rasante Ikarier-Nummer des Duo Guidi, Sacha Guidi und seine Partnerin Iana Suiarko, sorgt für mächtig Schwung und reißt das Publikum mit. Perfekt und routiniert führt die zierliche Voltigeuse die zahlreichen Saltos und Pirouetten aus, landet stets wieder sicher auf den hochgestreckten Füssen des Partners. Im ersten Teil war Iana Suiarko bereits meiner Kraftvoll vorgetragenen Akrobatik am Netz hoch in der Kuppel des Chapiteau zu sehen.

Auch im zweiten Programmteil werden zwei Dressurnummern geboten. Amedeo Folco jun. leitet drei Dromedare zu ihren Lauffiguren an. Routiniert und mit großem Einsatz agiert der jugendliche Vorführer und lässt die Trampeltiere in rascher Folge ihre Können bieten.
Wenig später bringt Adriana Folco zwei indische Elefanten in die Festival-Manege. Die temporeich vorgetragene Dressurfolge zeigt neben Laufarbeit auch eine Reihe akrobatischer Tricks der beiden mächtigen Tiere, so z. B. Hochsitzer auf Tonneaus und auf dem Manegenboden sowie Stand auf den Vorderbeinen. Nach gemeinsamen Abliegen und Schmuseszenen verabschieden sich die beiden Dickhäuter mit wild geschwenkten Tüchern vom Publikum.
Die beiden weiteren Darbietungen des Programms werden von zwei weiteren Truppen gestaltet. Zunächst sind die vier Mitglieder der ukrainischen Formation „Godfathers“ zu erleben. Die Trickfolge der Handstände und Voltigen gleicht im Wesentlichen der anderer Truppen des gleichen Ursprunglandes und wird in eine strenge Choreographie eingebettet geboten.
Der finale Auftritt gehört der Formation „Mambo Nr. 5“. Zur gleichnamigen Musik zeigen die vier kubanischen Artisten umrahmt von sehr viel Tanz ihre Tricks auf dem Russischen Barren. Sehr hoch abgesprungene Flüge werden mit südamerikanischem Temperament dargeboten und ein dreifacher Salto stellt den Höhepunkt der Darbietung dar.
Das Finale des Circus Festivals von Namur folgt einer fröhlichen Choreographie. Impressario Emmanuel Horwood stellt die Artisten noch einmal ausführlich vor und unterstützt mit seinen Informationen das Publikum, dass per Stimmzettel über die Preisvergabe des Festival entscheidet, bei seinem Voting. So findet eine gelungene Circusvorstellung ihr harmonisches Ende und das zahlreiche Premierenpublikum dankt den Akteuren mit anhaltendem Beifall.
Das Internationale Circus Festival von Namur hat sich über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt - wurde stets schöner und größer, die Programme immer leistungsstärker.
Diese Tendenz setzt sich auch bei der aktuellen Produktion fort und untermauert, dass dieses Circus Festival zu einer festen Größe im Saisonverlauf geworden ist und einen Spitzenplatz des Genres einnimmt.