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Text  und Fotos Friedrich Klawiter
7ème FESTIVAL du CIRQUE de NAMUR
Namur, 28. Oktober 2011

festival-cirque-namur.com
Zum siebten Mal veranstaltete Impressario Emmanuel Horwood ein Circusfestival in der wallonischen Kapitale Namur. Hoch über der malerischen Altstadt an den Ufern der Maas befindet sich die Zitadelle der Stadt und auf deren Esplanade gastieren traditionell die Circusse.
In diesem Jahr wurde wiederum das Chapiteau des Circus Arena, mit dem dieser seine Saison in Dänemark bestritt, errichtet. Die markanten rot-gelben Zeltanlagen beherrschen den Platz. Gelbe Zaunelemente, dicht vor dem Vorzelt aufgestellt, bilden die Front. In dieser fällt neben dem nostalgischen Kassenwagen eine aufblasbare Riesenrutsche des Circus ins Auge. Die Transportfahrzeuge und Mannschaftsunterkünfte von Arena nehmen die rechte Seite des Platzes ein, während links die zahlreichen Wohnwagen der Artisten zu finden sind. Der rückwärtige Platzteil ist den Tieren der Familie Folco vorbehalten. Drei Elefanten, Kamele, Pferde und Ponys finden in den Ställen und Freigehegen ihre Unterkunft.
Das Vorzelt wurde im Innern mit einem glamourösen Look versehen. Der rote Teppichboden kontrastiert ideal mit dem schwarzen Stoff, mit dem die Seitenwände abgehangen sind. Unzählige kleine Lämpchen glitzern darin und sechs große Bilder in goldenen Rahmen zeigen aktuelle und ehemalige Artisten des Festivals.

Das Chapiteau-Innere zeigt das gewohnte gepflegte Arena-Ambiente. Die Schalensitze des zwölfreihigen Gradins sind in gelb,rot und blau, je nach Preiskategorie gehalten und die weiß-roten Logen sind mit bequemen, gepolsterten Stühlen bestückt.
Auf dem Podium des großen roten Artisteneingangs nehmen die vier Mitglieder der Band Platz und unterstützen mit ihrem melodischen Sound die auftretenden Artisten.
Während die Ränge sich bis auf den allerletzten Platz füllen gibt es für die kleinen und großen Besucher die Gelegenheit sich mit einem Löwenbaby fotografieren zu lassen.

Amedeo Folco jun. präsentiert zu Programmbeginn eine Freiheit mit fünf dunkelbraunen Ponys. Der Zwölfjährige, elegant im schwarzen Frack, agiert routiniert und lässt die Figuren gekonnt ablaufen. Als da Capo bietet ein Schimmel einige Steiger. Im weiteren Programmverlauf steht Amedeo jun als Vorführer von vier Kamelen im roten Ring. Voll jugendlichem Elan und viel Schwung werden die Aktionen vorgetragen.
Direktor Emmanuel Horwood tritt hervor, begrüßt sein Publikum und führt im Weiteren als eloquenter und charmanter „Monsieur Loyal“ durch das Programm.
Jongleur Ives Nicols, in allen großen Manegen zuhause, eröffnet seine rasante Darbietung im spanischen Stil mit einem Tango zusammen mit seiner Partnerin Ambra. Mit großen weißen Bällen erfolgen die ersten Routinen. Immer wieder publikumswirksam sein Spiel mit den Bumerangs. Bis zu fünf silberne Keulen werden in mannigfaltigen Variationen jongliert und auch eine Drei-Keulen-Jonglage in hohem Tempo a la Mario Berousek darf nicht fehlen.
Abschließend werden Sombreros zu Ufos, die bis hoch unter die Kuppel steigen.
Im zweiten Teil bietet das Paar eine romantisch gestaltete attraktive Darbietung an den Tuchstrapaten. Stimmig, komplett in rot, gestaltet kommt diese Nummer daher. Sehr stark der Beginn - ein großes, rot leuchtendes Herz zieht die Blicke des Publikums auf sich. An diesem sind die roten Tücher befestigt. Die ersten Tricks arbeitet Ambra solo, derweil Ives sie mit Live-Gesang anflirtet. Dann sind beide Artisten in die Trickausführung involviert und beide sind als Porteur aktiv.

Die Fratelli Curatola sind von verschiedenen Engagements, z. B. bei Roncalli, auch hierzulande bestens bekannt. Sicher und flott zeigen die beiden Brüder ihre starke Hand-auf-Hand-Artistik. Große Körperbeherrschung und kraftvolle Ausführung der Handstände und Übergänge sind kennzeichnend für diese Kür, die ihre Wirkung aufs Publikum nicht verfehlt.
Eine erste Luftnummer sieht Marisa Biasini in Aktion. Ihr Requisit in Form einer großen Glocke ist mit zahlreichen Lämpchen illuminiert und lässt eine Trickfolge in Art einer Ringtrapez-Nummer zu. In romantisch-poetischer Aufmachung und mit entsprechender musikalischer Begleitung erreicht die Artistin ihr Publikum und verleiht dem Traum vom Fliegen Gestalt.

Clown Jimmy Folco wurde wiederum engagiert für den nötigen Frohsinn zu sorgen. Im Vergleich mit dem Vorjahr präsentierte er ein komplett erneuertes Repertoire bei diesem Festival. Zunächst wird, in stilsicher gewähltem Kostüm, Golf gespielt. Der imaginäre Ball findet dabei zumeist sein Ziel in der Papiertüte. Im Outfit eines Orientalen lässt er vier Herren auf vier Stühlen Platz nehmen. Nachdem die Stühle entfernt sind, stürzt die fragile Formation ein, ausgelöst durch den Knall einer zerplatzenden Papiertüte. In einer Westernparodie verliert Indianerhäuptling Jimmy beim Knall einer Peitsche sämtliche Federn seines Kopfschmuckes. Wie immer zeichnen sich die Reprisen Jimmy Folcos durch pointiertes Spiel ohne Längen und Ausgestaltung mit aufwändigen Kostümen und stimmigen Requisiten aus.
Der „Pate“, Outfit und Gehabe sind perfekt auf die Rolle abgestimmt, liefert sich mit einem „Freiwilligen“ - dieser Logenbesucher war oft an diesem Abend der „Auserwählte“ und inzwischen eifrig bemüht nicht mehr in die Manege zu müssen – ein Duell. Wasserpistolen der unterschiedlichsten Größe und auch ein Gartenschlauch kommen dabei zu Einsatz.
Die letzte Reprise sieht Jimmy Folco als dralle „Ungarin“, in entsprechendem Folklorekostüm, am Schleuderbrett. Der bewusste Zuschauer, nach seiner Rache wesentlich lockerer mitspielend, ist wieder mit dabei und natürlich „zerbricht“ er das Requisit. Dies führt dazu, das es dem Clown das Kleid auszieht und er „nur“ in BH und String da steht.

Leici Kocka alias Karah Khavak ist mit seinen Krokodilen, Alligatoren und Riesenschlangen seit Jahrzehnten eine der Top-Attraktion in den Manegen dieser Welt. Nachdem eine sehr große Boa ihren Auftritt hatte, füllt sich die Manege mit den Echsen. Die lebhaften, großen Reptilien, verschiedene Exemplare haben ein Alter von vierzig bis fünfzig Jahren, verlangen den Helfern, beim ein- und ausladen der Transportwagen, enorme Kraft und Geschicklichkeit ab. Kraft und Geschicklichkeit sind, neben der nötigen Routine, gleichfalls zur Ausführung des spektulärsten Tricks notwendig, zu dem Karah Khavak seinen Kopf zwischen die großen, mit messerscharfen Zähnen bestückten Kiefer eines Krokodils schiebt. In der Pause gibt es die äußerst seltene Gelegenheit sich neben einer der gefährlichen Echsen fotografieren zu lassen und in unglaublichem Ausmaß wird von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
Das Duo Stoichev bietet auf dem Todesrad die dritte und spektakulärste Luftnummer im diesjährigen Festivalprogramm. Hohe Sprünge, Blindlauf und Fackeljonglage auf der Außenbahn des Rades sind die publikumswirksamsten Momente ihrer Evolutionen.

„The little Angels“ – vier junge mongolische Kontorsionistinnen begeistern mit einer herausragenden Darbietung. Die Artistinnen sind in einer modernen und schnellen Choreographie permanent in Bewegung und in flottem Ablauf werden in rascher Folge hochkarätige Tricks ausgeführt. Abschließend gibt es einen vierfachen rotierenden Mundstand zu sehen. Die Stäbe haben die Form einer Pferdekopfgeige.
Erstmals in einer Manege vereint sind drei Generationen der berühmten Familie Folco. Vater Amedeo, Tochter Adriana und Enkel Amedeo jun. erobern mit ihrer  rasanten Elefantendarbietung die Manege. Die Folco Family stellt mit ihren beiden großen indischen Elefantenkühen ihr großes Können unter Beweis. Pyramide, abliegen, Laufarbeit, Kopfstand und als Höhepunkt Adriana am Bein im Elefantenmaul hängend sind u.a. zu sehen. Abwechslungsreich wird die Vielseitigkeit der Dickhäuter unter Beweis gestellt und ein sehr großes Repertoire geboten.

Die Truppe Puzanov beschließt beide Programmteile. Zuerst sind sie mit elf Personen an der Russischen Schaukel zu sehen. Weite und Hohe Sprünge werden in vielerlei Variationen auf einem Kissen gelandet.
Der zweite Auftritt lässt die gesamte Zwölf-Personen-Truppe ihr Können am Schleuderbrett zeigen. Nach dem zuerst einige Sprünge auf einem Kissen gelandet werden, erfolgen Salti, u. a. zum Drei- und Vier-Mann-Hoch, auf die Schultern der Untermänner und in einen Sessel. Abschließend werden spektakuläre Sprünge auf Stelzen geboten.
Das Finale dieses großen dreistündigen Spektakels ist traditionell kurz gehalten. Zusammen mit den zahlreichen Mitwirkenden verabschiedet sich Direktor Emmanuel Horwood bis zur nächsten Auflage der Veranstaltung im Herbst 2012.
Seit seinen Anfängen hat sich dieses Festival Jahr für Jahr weiterentwickelt. Stetig wurde die Optik verbessert, sowie die Programmqualität gesteigert und das Festival zu einem internationalen Top-Event gemacht.

Dieses starke, klassische Circusprogramm lohnt auch weiteste Anfahrtswege und ist nach dem Ende des Festivals von Namur am 06. November noch in der belgischen Stadt Tournai vom 09. bis 13. November zu erleben.