Text und Fotos Friedrich Klawiter
Mickael Brady
Metz, 28. Juni 2014

„Go Dehli, Saba go on“ tönt es mit Kommandostimme, wenn Mickael Brady mit den beiden Dickhäutern des Cirque Pinder zur Vorstellung geht. Seit fünfundzwanzig Jahren ist er der Herr der Elefanten des französischen Circus-Riesen.  Er ist ein echtes Circuskind und immer noch gerne mit dem Circus auf der Reise. Zwischen zwei Auftritten nahm sich der erfahrene Dompteur Zeit für ein ausführliches Gespräch.
Die ersten Lebensjahre verbrachte Michael Plumpe, so der bürgerliche Namen von Mickael Brady, im 3-Manegen-Rennbahncircus von Franz Althoff. Sein Vater, Dreher von Beruf, war nach dem Krieg auf der Suche nach Arbeit bei einer reisenden Eisrevue gelandet und schließlich Zeltmeister bei Franz Althoff geworden. Die Mutter arbeitete im gleichen Circus in der Mannschaftsküche. Mit der Einschulung endete erst einmal für den kleinen Michael das Circusleben, denn etwa zur gleichen Zeit stellte Franz Althoff seinen Rennbahncircus ein und Mutter und Sohn blieben in Maintal-Dörnigheim, dem damaligen Winterquartierstandort des Circus Franz Althoff. Natürlich wollten die Eltern, dass ihr Sohn einen „anständigen Beruf“ erlernt und er begann als Siebzehnjähriger eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker in einem örtlichen Autohaus. Lange währte diese Lehrzeit nicht, wie Michael Plumpe erzählt, zum einen habe er in handwerklichen Dingen „zwei linke Hände“ und andererseits ließ er sich von seiner damaligen Clique immer öfter verleiten der Arbeit fern zu bleiben, so dass der Chef Konsequenzen zog.

Kurze Zeit später führte ihn sein Weg zurück zum Circus. Wendell Huber, der für die Saison 1982 mit drei afrikanischen Elefanten im dänischen Circus Arena engagiert war, suchte einen Assistenten. Amedeo Folco, der den jungen Mann von Kindesbeinen an kannte und die Winter im alten Althoff-Quartier in Maintal-Dörnigheim verbrachte, vermittelte Michael Plumpe den Job. Wendell Huber musste den Circus Arena mitten in der Saison verlassen, während der junge Assistent bei Arena blieb. Hier wurde er nun mit allen anfallenden Arbeiten betraut, lernte sozusagen „Circus von der Pike auf“ wie er selbst sagt. „Ich packte beim Chapiteau mit an, machte Reklame, war während der Vorstellungen Requisiteur und war im Stall bei den Tieren – eben dort, wo jemand gebraucht wurde“. 
In der Folge arbeitete Plumpe bei Amedeo Folco und probte dort auch mit drei afrikanischen Elefanten, mit denen er 1985 im Circus Benneweis-Gebäude in Kopenhagen debütierte. Mit zwei afrikanischen Elefanten von Amedeo Folco arbeitete er drei Jahre im Lido de Paris. „Das war eine tolle Zeit. Ich hatte die Beiden zu versorgen und in der Show waren wir nur Staffage. Die Elefanten haben keine Nummer gearbeitet sondern waren Teil des Bühnenbildes und Tänzerinnen saßen auf ihrem Rücken.
Beim Circus Embell-Riva von Anselmo Bellucci betreute Plumpe-Brady 1987 die acht Elefanten umfassende Herde. Fünf große asiatische und drei junge afrikanische Tiere hörten auf sein Kommando. Zudem kümmerte er sich auch um die Exoten und Pferde dieses Circus. „Es war schön dort, ich trainierte verschiedenes ein. Nur zum vorführen kam man nicht, da wurde sofort jemand von der Familie eingesetzt“.

Nach Saisonende war Mickael Brady, mittlerweile trat er unter diesem Pseudonym auf, bei einer Freundin in London, als er die Anfrage erhielt, dass Pinder einen neuen Elefantentrainer suche. Sofort mache er sich auf den Weg nach Paris und sah dort den Circus und seine neuen Schützlinge während der letzten Tage des Wintergastspiels. Nachdem er seine Angelegenheiten geordnet und die Habseligkeiten aus Italien geholt hatte, trat Brady während der kurzen Saisonpause im Winterquartier in Tours seinen Dienst an. Er trainierte mit seinen neuen Tieren um sie kennen zu lernen und die Nummer nach seinen Vorstellungen zu formen in einer großen Halle des Winterquartiers. Eines Morgens rief er Saba, die als charakterlich schwierig gilt zu sich. Sofort stürmte die Elefantenkuh mit aufgestellten Ohren aus ca. 40 Metern Entfernung auf den neuen Dompteur los. „Viel Zeit zu überlegen, was ich tun sollte blieb nicht. Mir war klar, wenn ich weglaufe habe ich für immer den Kürzeren gezogen. Also blieb ich stur stehen. Zwei Schritte vor mir hielt Saba an. Ich nahm einen Apfel aus meiner Jackentasche und gab ihn ihr und alles war gut. Natürlich hatte ich die Hosen voll, aber ich hatte gewonnen. Die große, die Dehli ist ein ganz anderer Typ. Sie ist ein richtiger Angsthase, erschrickt schnell vor allem Unbekannten. Man muss sie immerzu ermutigen. Bei der Arbeit machen beide gut mit und sind willig“.

„Circus ist mein Leben“ antwortet Mickael Brady auf die Frage nach Alternativen zu seinem jetzigen Dasein. „Ich hatte noch nie Angst vor Tieren, gleich welcher Gattung. Ich komme gut mit ihnen zurecht. Raubtiere liegen mir nicht so sehr. Elefanten sind meine Lieblinge, aber auch die Arbeit mit Pferden oder Exoten kann ich mir vorstellen“. Er war mit verschiedenen Circussen in Skandinavien - „In Finnland hat es mir mit am Besten gefallen, die Landschaft ist reizvoll und die Menschen freundlich“ - und Italien auf Tournee. Nun reist Brady seit einem halben Menschenleben mit Pinder durch Frankreich. Die vielen Eintagesplätze empfindet er nicht als Belastung. „Wir arbeiten im ersten Programmteil und bis zum Finale haben die Männer den Stall abgebaut. Der Circus fährt frühmorgens los, da ist die Nacht lang genug“. Brady mag es, wenn die Etappen über Landstraßen und durch Ortschaften führen, „da sieht man etwas vom Land und den Menschen. Die teils sehr langen Autobahn-Etappen, die sind langweilig und ermüdend“. Sehr interessant sei auch das Gastspiel des Cirque Pinder in Tunesien in den neunziger Jahren gewesen. „Die fremde Kultur, den Orient so nah und direkt über einen längeren Zeitraum zu erleben war eine interessante Erfahrung. Unsere Straßenparade in Tunis zum Beispiel, dass sind unvergessliche Erinnerungen. Da wurden wir von einer unglaublichen Menge begeisterter Menschen gefeiert und jeden Abend standen lange Schlangen vor dem Circus“.

Den weiteren Verlauf seiner Karriere möchte Mickael Brady im Cirque Pinder verbringen. Ihm gefällt das Land, der Circus und seine Menschen. „Wenn es den Rennbahn-Circus Franz Althoff, so wie ich ihn in Erinnerung habe, noch einmal gäbe -  das wäre dann die einzige Alternative. Dort hätte ich sehr gerne gearbeitet“.
Nach Deutschland kommt Mickael Brady nur selten. Vor fünf Jahren war er für einige Wochen bei seiner Mutter, die noch immer in Maintal-Dörnigheim lebt. „Mein Vater war kurz nach seinem achtzigsten Geburtstag und wenige Wochen vor der Goldenen Hochzeit meiner Eltern plötzlich verstorben. Das war für meine Mutter eine sehr schwere Zeit, da bin ich ein paar Wochen bei ihr geblieben. Das ich länger Urlaub brauchte war kein Problem, als ich angerufen habe, hat Direktor Edelstein mir alle Zeit die nötig sei, sofort zugesichert“. 
„Zuhause bin ich hier und die beiden (Dehli und Saba), das sind meine Kinder, meine Familie“, sagt der Mann, dessen Camping unmittelbar neben dem Elefantengehege steht. „In unserem Ort (Maintal-Dörnigheim), da kenne ich mich nicht mehr aus. Das hat sich mit den Jahren total verändert. Selbst unsere Straße erkenne ich kaum noch. Da gibt es kein Geschäft, keine Bäckerei, keinen Zeitungsladen oder Kneipe mehr, die ich kenne. Da ist soviel um- und neugebaut worden, dass ich mich in einer fremden Stadt glaube“.
So sei er denn in seiner Wahlheimat glücklich, haken wir nach. „Ja, hier fühle ich mich sehr wohl. Das einzige, was ich vermisse ist hin und wieder richtige deftige Hausmacher-Wurst und „deutsches“ Brot. Das kennt man hier nicht. Hin und wieder schickt meine Mutter ein Paket – das sind dann Festtage. Letztes Jahr ging es Gary Jahn genauso. Da sind wir an einem Tag hier von Metz nach Saarbrücken zum einkaufen gefahren. Mit einem Kofferraum voller Vorräte kamen wir zurück“.
Mickael Brady bedauert, dass die Circusplätze immer weiter aus den Städten heraus verlegt. Früher gehörte das Circusgastspiel im Jahreskalender zu den Ereignissen in der Stadt, heute wird der Circus in den Randbezirken versteckt. „Nicht nur, dass wir immer weniger im Stadtbild auffallen und die Menschen wissen, dass der Circus da ist, es hat auch ganz banale praktische Nachteile mit den abgelegenen Plätzen. Vor Jahren konnte ich morgens einfach ein Baguette und am Kiosk meine deutsche Zeitung kaufen gehen. Das ist heute nicht mehr so einfach, das ist schon eine Reise, die man zu Fuß nicht machen kann“. Das der Circus Zukunft hat zieht Mickael Brady nicht in Zweifel, allerdings sieht auch er mit Sorge die Entwicklung weg vom klassischen Circus mit allen Tieren. „Die Elefanten und Raubtiere werden in wenigen Jahren verschwunden sein und wie lange es Kamele und andere Tiere dann noch geben wird weiß niemand. Noch habe ich meine beiden "Kinder", die sind jetzt Ende vierzig und wir werden wohl noch eine Reihe von Jahren zusammen reisen“.
Wir danken Mickael Brady führt das ausführliche und sehr interessante Gespräch.


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