optimiert



Text und Fotos Friedrich Klawiter
MEDRANO
Jarny, 20. Juli 2013


www.cirque-medrano.fr
Die S.A.R.L. Arena Production lässt, als einer der Branchenführer in Frankreich, bis zu fünf Circus-Einheiten gleichzeitig durch unser Nachbarland touren. Derzeit sind zwei Geschäfte unterwegs, im Süden des Landes der „Cirque sur l' Eau“ und nahe der Grenze zu Deutschland der „Cirque Medrano“.
Die meisten französischen Circusunternehmen bereisen in der Urlaubszeit die Ferienorte entlang der Atlantik- und Mittelmeerküste des Landes. Beim Cirque Medrano verfolgt man indes eine andere Strategie, man besucht die Kleinstädte und Gemeinden fernab der Feriengebiete in der Provinz.
Zu ca. neunzig Prozent werden Eintagesplätze gehalten, natürlich ohne Ausfaller, mit in der Regel drei Shows täglich. Nach Ende der Abendvorstellung wird abgebaut und der 1,5 Km lange Fahrzeug-Konvoi tritt mitten in der Nacht die Reise in den nächsten Gastspielort an. Dort beginnt morgens um acht Uhr der Aufbau und um vierzehn Uhr ist Einlass für die erste Show.
Die letzten Akkorde der Finale-Musik sind noch nicht ganz verklungen und die allermeisten Zuschauer noch an ihrem Platz, da beginnen die ca. fünfundvierzig Mitglieder der Zeltmannschaft bereits massiv und in unglaublichem Tempo, das Gradin zu zerlegen. Zwischen sechzig und neunzig Minuten dauert der gesamte Abbau, dann ist der komplette Circus reisefertig und die Karawane setzt sich in einer einzigen gemeinsamen Fahrt in Bewegung.

In Jarny, einer achttausendfünfhundert Einwohner zählenden Gemeinde die etwa fünfundzwanzig Kilometer westlich von Metz an der Autobahn nach Paris liegt, stand für das Gastspiel ein großer Platz inmitten der Wohnbebauung zur Verfügung. Das auffällige, spiralförmig gelb-violett gestreifte Chapiteau beherrscht das, in der Sonnenglut eines heißen Sommertages liegende, Gelände. Der markante Kassenwagen mit seiner dekorativen Fassade und ein Sattelzug bilden die Front des Circus. Der große Restaurations-Sattelzug wurde quer vor dem Zelt platziert.
Zahlreiche Sattelzüge und Anhänger, allesamt in den Hausfarben weinrot und pink lackiert, sind ringsum abgestellt. Auf der Rückseite des Chapiteau ist die artenreiche Menagerie untergebracht. Die extrem häufigen Platzwechsel und damit verbundenen oftmaligen Auf- und Abbauten belasten das Material naturgemäß stark und so sind allenthalben deutliche Spuren von Verschleiß zu sehen.
Auf ein Vorzelt wird angesichts des Reisetempos und der hochsommerlichen Verhältnisse verzichtet und die Besucher gelangen direkt in das mit einem zehnreihigen Gradin, dass mit Einzelklappstühlen bestückt ist, ausgestattete Spielzelt. Zwei Reihen gepolsterter Klappstühle in den in rot gehaltenen Logen ergänzen die Sitzeinrichtung. Eine große, bis hoch ans Zeltdach reichende Gardine aus rotem, mit Glitzersteinchen besetztem Stoff, bildet den Artisteneingang und zahlreiche LED lassen den Namenszug darauf hell erstrahlen.

Die Beleuchtungsanlage zeigt sich auf das Wesentliche reduziert und lediglich ein Verfolger sorgt für einige Effekte. Die musikalische Untermalung der Show erfolgt bei Medrano seit vielen Jahren mit einer leistungsstarken Anlage und Musikkonserven.
Trotz schnellstem reisen und reduziertem Auftritt im optischem Erscheinungsbild bemüht man sich andererseits um eine ansprechende Gestaltung der Show. Eine Sängerin und der Einsatz eines Balletts sind hier die Mittel der Wahl und sorgen für flüssige Übergänge zwischen den Darbietungen, bzw. für deren spannungssteigernde themenbezogene Einleitung.
Die stimmgewaltige Sängerin eröffnet mit einer neuen „Medrano-Hymne“ im Hitparaden-Stil die Show. Im sehr dichten Bühnennebel bleiben die Aktionen der TänzerInnen zunächst noch weitestgehend verborgen. Ein „Monsieur Loyal“ begrüßt sonor und wortgewandt das Publikum und dann ist es an Karin Houcke, Tochter des bekannten Dresseurs Sacha Houcke, die erste Darbietung zu präsentieren.
Versiert lässt sie ein Groß-und-Klein ablaufen. Die gängigen Figuren werden flott geboten. Als Da Capo preschen vier Ponys, nun haben wir die komplette Cavallerie des Circus in der Manege erlebt, herein und überspringen die beiden bereitgehaltenen Barrieren.
Ballett und Sängerin verbreiten mit dem Song „Waka Waka Africa“ Stadionatmosphäre und es kommt zum großen Match zwischen Frankreich und Spanien. Michaels Fußballhunde tragen den Klassiker aus, jagen dabei temperamentvoll den Luftballons hinterher. Natürlich geht es bei einem solchen Match nicht ohne „Verletzte“ ab und schlussendlich verwandelt der französische Stürmerstar den fälligen Elfmeter zum Siegtreffer für die „Bleues“.

Thi Tu Hien brilliert mit einer eindrucksvollen Arbeit auf dem Schlappseil. Die junge Artistin aus Vietnam wurde beim Circusfestival in Moskau mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Mit spielerisch wirkender Leichtigkeit führt sie ihre Tricks auf dem labilen Untergrund aus. Auf Spagat und einen Kopfstand auf dem Seil folgt die Aufnahme eines Tuch mit dem Mund vom Seil. Abschließend bietet die Artistin eine Schwertbalance während sie eine auf dem Seil stehende Leiter erklimmt.
Diabolojongleur Victor beherrscht ein breites Repertoire gängiger Tricks des Genres. Temporeich rotieren die Diabolos und spektakuläre Würfe geben der Darbietung weiteren Drive. Zu guter Letzt hält der Jongleur drei Requisiten zur gleichen Zeit in der Luft.
Zwei weitere Dressurnummern werden en bloc geboten. Zunächst zeigen fünf Kamele und sechs Lamas unter der Peitschenführung von Karin Houcke eine umfangreiche Laufarbeit. Die Manege füllende Darbietung präsentiert sich abwechslungsreich, wird in ihrem Verlauf um zwei junge Rinder erweitert und läuft routiniert ab.
Indische Tempeltänzerinnen und Tänzer die Elefantenköpfe tragen, leiten in einer großen Ballettszene zum Auftritt der asiatischen Elefanten des Cirque Medrano über. Ahmed Loyal lässt die beiden schwergewichtigen Damen, die mit Figuranten beritten sind, ruhig ihre zahlreichen Tricks ausführen. Hochsitzen auf einer Tonne und ein Spagat zwischen den Elefantenköpfen zählen zu den akrobatischen Highlights der Nummer. Im zweiten Teil des Auftritts agieren die beiden Dickhäuter als „Arbeitselefanten“ und hantieren mit verschiedenen Baumstamm-Stücken.

Ein kurzer Auftritt von Spiderman, dann ist es soweit. Die größte Attraktion des Programms und Hauptmotiv der Werbung - der Transformer, hat seinen großen Auftritt. Laut Aussage des Circus ist das rund sechzigtausend Euro teure Gefährt das einzige seiner Art in Europa. Mit sonorem Sound rollt im Schwarzlicht ein gelb lackierter „Sportwagen“ in die Manege. Es folgen ein paar knappe Fahrmanöver, dann hebt sich das Vorderteil des Gefährts empor und das Automobil verwandelt sich in eine mehrere Meter hohe Robotergestalt. Blitzende rote und blaue LED-Ketten markieren die Konturen, während sich die zu Armen mutierten Türen heben und senken. Die Auto-Scheinwerfer blenden ins Publikum und im Roboterkopf, der aus dem Motorraum ausfuhr, leuchten blaue Lampen. Fasziniert verfolgen nicht nur die kleinen Zuschauer die Metamorphose und die Bewegungen des auch aufgerichtet noch fahrfähigen Vehikels. In der nun anschließenden Pause wird das Angebot zu einem gemeinsamen Foto mit dem Transformer rege genutzt.

Der zweite Programmteil startet mit den fünf Tigern des Cirque Medrano. Bis Ende August zeigen sie ihr Können unter der Anleitung von Dompteur Sascha Prehn, der Sarah Houcke während ihres Urlaubs vertritt. Pyramide, Hochsitzer, Rollover und Balkenlauf gehören neben Anderem zur Repertoire der Darbietung.
Eine ausgezeichnet choreographierte Quick Change Darbietung präsentiert das Duo Glavatzkiy; vor Jahren waren die Beiden mit einer Nummer am Fangstuhl zu erleben. Tanzend erzählen sie kleine Geschichten, die mit den stimmigen Kostümen und abwechslungsreichen Musiken untermauert werden. Einige akrobatische Partnertricks lockern die Abfolge der Kleiderwechsel auf und geben dem Auftritt eine individuelle Note.
Die Clowns „Los Herminios“ bringen höchst ausführlich den Klassiker „Das Spukschloss“ in die Medrano-Manege. Ihr Spiel wendet sich in allererster Linie an die kleinen Besucher und diese interagieren laut schreiend und kreischend lebhaft mit den Clowns. Mit gemeinsamem schwungvollen musizieren findet auch dieses Entree irgendwann zu einem gelungenen Ende. Ein August des Trios bietet mit „Applauswettbewerb“ und als Dompteur der einen Stofflöwen durch einen Reifen springen lässt noch zwei Reprisen.

Den akrobatischen Höhepunkt der Show bietet das Duo Szeibe am Haltestuhl. In rascher Folge werden die zahlreichen attraktiven Tricks ohne Vorteil gearbeitet, wobei auch der weibliche Part als Porteur fungiert. Kraftvoll agieren die beiden Artisten in der Kuppel, dabei erstklassige Artistik in einem heute kaum noch zu sehenden Genre bietend. Ein fulminanter voll ausgedrehter Wirbel im Nackenhang beendet die mitreißende Nummer.
Das Ballett leitet zum großen Finale über und bereits während die Artisten herein marschieren, werden sie vom Sprecher vorgestellt. Mit einer gemeinsamen fröhlichen Choreographie endet kurz darauf die Show. Der mitreisende Geschäftsführer des Circus überreicht der Ortsbürgermeisterin noch schnell den „Cirque Medrano Verdienstorden“ und bedankt sich für die hervorragende Zusammenarbeit mit der Verwaltung, verspricht ein Wiedersehen im kommenden Jahr und verweist noch kurz auf das anstehende Gastspiel von Medrano im September im benachbarten Amneville, dann natürlich mit vollkommen anderem Programm.
Sehr schnell ist die Manege geleert und das zufriedene Publikum wird mit den unmittelbar einsetzenden Abbauarbeiten flott aus dem Chapiteau komplementiert.
.