Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE MEDRANO
Longwy, 11. Juli 2010

www.cirque-medrano.fr
In den letzten Jahren hat sich der Circus Medrano von Raoul Gibault zu einem der führenden Großcircusse Frankreichs entwickelt. Es wurde sehr viel weiteres Material gekauft, u. a. von Barum nach der Einstellung von dessen Reisetätigkeit. Aktuell verfügt der Circus Medrano über vier Chapiteaux unterschiedlicher Größe. Saisonal werden drei unterschiedliche Shows, darunter ein „Wassercircus“ zur gleichen Zeit in Frankreich geboten.

Während des Sommers beschränkt man sich auf eine Einheit, die mit Betriebsleiter Garry Jahn durchs Land reist. Es werden überwiegend Eintagesplätze mit zwei und gar drei Vorstellungen täglich gehalten. In den meist kleinen Städten Ostfrankreichs wird das kleinste und älteste Chapiteau des Unternehmens eingesetzt, dass hinter den Logen ein siebenreihiges Schalensitzgradin aufnimmt. In Südfrankreich, im Umland von Montpellier hat der Circus seit einiger Zeit sein Quartier zur Unterbringung des umfangreichen Materials. In den dort gleichsam vorhandenen Werkstätten sind rund zehn Mitarbeiter mit der Restauration und Neugestaltung von Material beschäftigt. Fast abgeschlossen ist inzwischen die farbliche Veränderung des Fuhrparks. War dieser viele Jahre in creme mit dunkelroten Absetzungen gehalten, hat man sich nun für ein leuchtendes rot mit hell-lila Absetzungen entschieden. In Kürze werden die Wagen dann auch wieder mit dem markanten Schriftzug versehen daher kommen.

Der Circusplatz in Longwy liegt bekanntermaßen im Stadtteil 'Haut' und ist der im Zentrum gelegene Marktplatz. Gesäumt von zahlreichen Geschäften und den für Frankreichs Plätzen typischen Platanen herrscht hier auch an einem Sonntagvormittag lebhaftes Treiben da Bäckereien, Tabak- und Zeitschriftenläden sowie Bistros geöffnet sind. Der Circus ist morgens nach rund zweistündiger Fahrt angekommen. Etwa um fünf Uhr in der Frühe setzt sich die Kolonne in der vorhergehenden Stadt in Bewegung. Abgebaut wird nach der Spätvorstellung, dann hat die Mannschaft eine kurze Nachtruhe bis zur Abfahrt. Als wir gegen elf Uhr eintreffen sind die Tiere versorgt, die Fahrzeuge haben ihre Positionen und das zweite Mastenpaar wird gerade hochgezogen. Bei fünfunddreißig Grad im Schatten müht sich die Mannschaft mit der Fertigstellung des Chapiteau. Die erste Vorstellung ist für fünfzehn Uhr angesetzt. Um vierzehn Uhr vierzig wird die Rundleinwand eingehakt und kurz darauf ist Einlass. Als Artisteneingang gibt es nur noch, dem enormen Reisetempo geschuldet, eine einfache hohe Gardine aus rotem, glitzernden Stoff.

Ein kurze Begrüssung aus dem Off, dann gehört die Manege Rita 'Princess' Labahn. Fünf Tiger folgen ihr in den Zentralkäfig zu einer kurzen, wenige Tricks umfassenden Nummer. Der Pyramide folgen Hochsitzer, dann verlässt das erste Tier die Manege. Nach dem Teppich gehen die beiden nächsten Katzen hinaus. Ein Hinterbeinläufer und die Balance über zwei Stangen beenden die Vorführung. Den Käfigabbau überbrücken zwei „Human Slinky“ in den Treppenaufgängen.
Als Monsieur Loyal agiert nun, da die Manege frei ist Marcio de Alencar, ein junger Mann aus den Reihen der Diorios. Er füllt seine Rolle sehr gut, redegewandt und routiniert aus. Klasse sein Verkauf des 'Globe of Speed', den er im Stil eines brasilianischen Sportreporters angeht und so das Publikum zusätzlich anheizt.

Mit großem Hallo erscheint Carlos Savadra in einem Aufgang. Nach einigen Schäkereien mit den Umsitzenden präsentiert er sein „komisches Pferd“. Mit viel Spielfreude und großem Hallo wird der Auftritt absolviert.
Vom Moskauer Nikulincircus kommt Alenya Rosliakova mit einer Katzendressur. Sie beginnt sehr originell. Sieben konische Kunststoffhocker die stark Papierkörben ähneln werden von den Tieren am Platz hin und her gerollt, so dann gibt es Hochsitzer in einer Reihe. Die weiteren Tricks laufen im gewohnten Rahmen ab, werden sehr flüssig von der eleganten Vorführerin zu Gesicht gebracht.
Das kleine feine Ballett, eine Tänzerin und zwei Tänzer, sorgt in Bollywood-Manier für fließende Übergänge zwischen den Programmpunkten.
Weiter geht es mit der nächsten Tiernummer – Carlos Savadra präsentiert drei Kamele in hohem Tempo in seinem ureigenen unverwechselbaren Vorführstil. In der Art einer Pferdefreiheit werden zahlreiche Lauffiguren geboten.

Nach so vielen Nummern mit tierischer Beteiligung bringt das Duo Wang Yang die erste artistische Nummer dieses Programms. An den Strapaten demonstrieren die beiden jungen Männer mit Kraft ihre Körperbeherrschung. Raumgreifende Flüge runden die ansprechende Leistung ab.
Gleich darauf die nächste Dressurnummer. Die beiden asiatischen Elefanten des Circus Medrano kommen mit Rita 'Princess' Labahn in die Manege. Auch diese Nummer wurde im Verkauf und musikalischer Begleitung 'bollywoodartig' gestylt, da passt der dritte, afrikanische Elefant des Circus nicht so recht ins Bild. Die großen gewichtigen Tiere präsentieren ruhig und routiniert ihr Können.
Nach einer kurzen Clownsreprise mit Zuschauerbeteiligung folgt die sechste und letzte Dressurdarbietung in diesem Programm. Zusammen mit seiner Ehefrau Conchi Munoz führt Gary Jahn seine beiden Seelöwen vor. Die beiden Robben beherrschen eine große Anzahl klassischer – Ballbalance, Ringe fangen – und neuzeitlicher, schaupielerischer – Frisbie spielen,  ins Mikro 'singen', schämen, Beifall einfordern -  Tricks. Selbstverständlich werden auch starke akrobatische Tricks – freier Stand auf den Hinterflossen und elegante „Einarmer“ - gezeigt. Es ist eine harmonische umfangreiche Dressurfolge, die die beiden sympathischen Tierlehrer geschaffen haben.

Während des Netzaufbaus für das Flugtrapez kann Carlos Savadra seine komödiantische Ader ausleben. Mit Elan und Wucht fegt er zwei überdimensionale Luftballons ins Gradin. Mit der Tänzerin zaubert er einen Samba in die Manege – Karneval in Rio pur. Die vier Herren der Flying Regio glänzen mit ihren vielfältigen Salti, darunter ein doppelter vorwärts über die Trapezstange, in der Kuppel. Der angekündigte „dreifache“ wurde indes in der besuchten Vorstellung nur als Doppelsalto ausgeführt.

Der zweite Programmteil wurde vergleichsweise kurz gehalten. Als erster darf Steven Munoz, der ältere der beiden Söhne von Gary Jahn, seine Kunst vortragen. Jugendlich, hipp gestylt und zu passendem Sound jongliert er mit großen Bällen und Keulen. Die ansprechend und flott aufgebaute Darbietung beinhaltet die gängigen Routinen, lässt allerdings zuweilen noch ein wenig fehlende Routine im Ablauf erkennen.
Noch einmal zeigt sich Carlos Savadra als spielfreudiger Komödiant und bringt die hinlänglich bekannte Reprise mit den vier Stühlen.

Die Kostüm-Illusionen von Ludmilla und Dimitri Malinkovitch entlocken manch einem Zuschauer ein erstauntes 'ah' und 'oh'. Schnell und unauffällig 'wechselt' die Artistin eine große Anzahl Kleider. Zudem kommt auch je einmal eine Feuer- und eine Fluchtkiste zum Einsatz.
Nun bereits im dritten Jahr ist der 'Globe of Speed' spektakulärer Abschluss der Show. Mit bis zu vier Fahrern donnern die jungen Brasilianer durch die kleine Gitterkugel.

Das groß zelebrierte Medrano-Finale wird mit einer Flaggenparade eingeleitet. Viel Tanz und zahlreiche Zugaben schließen an und schlussendlich werden Standing Ovations forciert.
Ein starkes, mit zwei sehr unterschiedlich gestalteten Teilen, Programm bietet Medrano in diesem Jahr. Es hat einen hohen Unterhaltungswert und findet großen Anklang bei seinen Besuchern, wie sich aus deren lebhaften Reaktionen leicht erkennen lässt.

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