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Text und Fotos Friedrich Klawiter
23. FESTIVAL INTERNATIONAL DU CIRQUE DE MASSY
Massy, 23. + 24. Januar 2015

www.cirque-massy.com
Das Festival International du Cirque de Massy, von Michel Bruneau 1993 initiiert, zählt mittlerweile zu den bedeutendsten Veranstaltungen dieser Art in Europa. Im Gegensatz zu Monte-Carlo wird in den hochkarätig besetzten Programmen stets der Schwerpunkt auf ausgezeichnete Tierdarbietungen gelegt. Als Anhänger des klassischen Tiercircus kann man den Machern hierfür nur ein großes Lob und "Dankeschön" aussprechen.
Die Gemeinde Massy liegt am südlichen Rand der französischen Metropole Paris. Das Festival-Gelände befindet sich am Ortsrand im Parc Georges Brassens.
Das Festival-Komitee setzte auch in diesem Jahr wiederum auf das bestens erprobte technische
Equipment von Thierry Fééry, der mit seiner erfahrenen Mannschaft für die perfekte Durchführung der Veranstaltung und einen reibungslosen Ablauf der Shows sorgte.
Das große weiße Chapiteau mit den charakteristischen, ausliegenden Mastbögen und das optisch dazu passende Vorzelt, bestens bekannt von der Grande Fête Lilloise du Cirque, beherrschen den Platz. Kasse und Büro sind in Containern untergebracht. In einem seitlich stehenden Festzelt ist das Restaurant eingerichtet. Das restliche Gelände dient den Gehegen der zahlreichen Tiergruppen.
Das Vorzelt strahlt im Innern in einem warmen rot; die Stoffverkleidung der Wände und der Teppichboden sind in diesem Farbton gehalten. Der große Verkaufswagen der Circusrestauration ist in eine „Wand“ integriert und Souvenirstände komplettieren die Einrichtung des Zeltes. Das Chapiteau ist innen mitsamt seiner Einrichtung in blau gehalten. Ein siebzehnreihiges Schalensitzgradin, vom dem die ersten vier gleichfalls ansteigenden Reihen die Logen bilden, steht den Besuchern zur Verfügung.
Die voluminöse und mit modernster Technik bestückte Lichtanlage ist an einer großen Metallkonstruktion hoch über der Manege und zwischen Piste und Logenbrüstungen installiert.
Das eindrucksvolle Lichtdesign setzt die auftretenden Artisten mit vielerlei visuellen Effekten perfekt in Szene. Das großartig aufspielende, zehnköpfige Orchester unter der Leitung von Kristof Majewski sorgt für den idealen Sound.

Yasmin Smart, „Grande Dame“ des englischen Circus stand in diesem Jahr der mit Jasmine Straga, Genis Matabosch, Oleg Tchesnokov, Raoul Gibault, Philippe Agogué und Thierry Outrilla wie immer prominent besetzten Jury vor, die über die Vergabe der Preis entscheidet. Die Preisträger werden in zwei unterschiedlichen Shows, die jeweils zwei Mal stattfinden ermittelt.
Alle Shows beginnen mit dem Einmarsch sämtlicher Teilnehmer, die in exakter Formation in der Manege Aufstellung nehmen.
Im eleganten roten Frack tritt Celine Moreno als unaufdringliche „Madame Loyal“ in Erscheinung. Ihre Moderation ist oft zu knapp bemessen, lässt einige Nervosität erkennen und ihre Art die Umbaupausen zu überbrücken wird der Sache nicht immer gerecht. Auch ist es in Frankreich üblich die Leistungen der Artisten wortreich zu würdigen.
Show „A“ beginnt temperamentvoll mit den sechs afrikanischen Artisten der Truppe Zuma Zuma. Pyramiden bauen, Seil springen, Limbo Show und Reifen springen erfolgen in rasantem Ablauf und mit hoher Präzision.
Ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier präsentiert Aidyn Israfilov mit seinem Makaken. Dieser entsteigt einem Rollkoffer und arbeitet einige akrobatische Tricks mit dem Einrad fahrenden Artisten. Eine gelungene Partnerjonglage schließt sich an. Das Tier fängt die zugeworfenen Bälle und wirft sie im richtigen Tempo zurück, greift Bälle aus dem Muster heraus und fügt sie wieder ein. Souverän meistert er eine Runde auf dem Fahrrad über die Piste.
Eine beeindruckende Hand-auf-Hand Darbietung der Meisterklasse arbeiten die Olimpio Brothers. Die drei jungen Männer aus Brasilien bringen eine Vielzahl anspruchsvoller Tricks, die im Adagio-Stil ausgeführt und mit fließenden Übergängen kombiniert werden. Die spielerische Leichtigkeit des Auftritts lässt den Kraftaufwand und die große Körperbeherrschung fast vergessen.
Eine vorzügliche und in dieser Art heute nur noch selten zu sehende  Nummer präsentiert das Duo Marinoff am festen Trapez. Die beiden Artisten, sie waren mit diesem Auftritt bereits in den neunzehnhundertachtziger Jahren u. a. im Circus Busch-Roland zu erleben, präsentieren ihre riskanten Tricks vollkommen ungesichert in großer Höhe. So hält George Marinoff ein Minitrapez mit seiner Partnerin darauf nur mit den Zähnen und verzichtet auf einen Nackengurt. Beim abschließenden Wirbel im Nackenhang klemmt die Partnerin lediglich einen Fuß des Partners zwischen ihren Beinen als Halt ein. Völlig unverständlich, dass eine Luftnummer dieser Klasse und Trickstärke ohne jede Auszeichnung durch eine Fach-Jury blieb.

Clown Bello Nock gab der diesjährigen Ausgabe des Festivals ein Gesicht. Er war mit seinen abwechslungsreichen Auftritten in allen Vorstellungen der Veranstaltung zu erleben und eroberte mit seiner fröhlichen Ausstrahlung und der offenen Art auf das Publikum zu zu gehen die Herzen im Sturm - ein wahrer Könner. Mit seinem ambitioniertem Auftreten und vielseitiger Mimik ist er authentisch und die Aktionen wirken niemals aufgesetzt. In allen Shows entsteigt Bello Nock im ersten Auftritt einem großen Stoffwürfel und wirbelt, nachdem es komplett aufgepumpt ist, in einem überdimensionalen luftgefüllten Kostüm zu einem French Cancan durch die Manege. Pantomimisch geht es zu, wenn ein Koffer ein Eigenleben entwickelt und sich partout nicht vom Fleck bewegen lässt, bis eine Wolke kleiner roter herzförmiger Luftballons in Richtung Kuppel entweicht. Auch eine Kunstschützenreprise mit einer Zuschauerin als Assistentin wird in jeder Show gebracht. Aus einem Luftballon wird ein Bogen und mit einem imaginären Pfeil soll ein hoch gehaltener Ballon zum platzen gebracht werden, was nachdem einige Ballons in die Kuppel entwichen und andere vorzeitig durch den Clown zerstört wurden, auch schließlich gelingt. Das turbulente Treiben kommt stets allerbestens beim Publikum an. Alternierend sehen wir seine beiden akrobatisch geprägten Auftritte auf dem Todesrad und dem Trampolin. Außer einigem Slapstick und feiner Komik bietet Bello Nock hierbei auch umfangreiches akrobatisches Können. Vielfältige Kaskaden rund um das Trampolin und ein Salto im Kessel des Todesrades, Aufschwung an einem Arm und freie Flüge über dem Rad seien hier genannt.

Gleichfalls in allen Shows waren Raubtierdompteuse Carmen Zander sowie Gaby Dew und Sacha Houcke zu erleben. Souverän präsentierte Carmen Zander ihre erstklassige Tigerdressur. Perfekt arbeiteten die fünf prachtvollen Raubkatzen ihr umfangreiches, variantenreiches und attraktives Repertoire. Pyramide, Hochsitzer, Rollover, Teppich, Balkenlauf und Rückwärtssteiger wechseln sich mit vielfältigen Sprungvarianten – durch zwei Handreifen, über einen hochsitzenden Tiger, über die Dompteuse hinweg, über vier Tiere und über die am Platz sitzenden vier Tiger – ab. Fleischabnahme von einem kleinen Mundstab und direkt aus der Hand sind Elemente, die das enge und vertrauensvolle Verhältnis der Tigerlady und ihrer Lieblinge eindrucksvoll belegen. Der Ritt auf einem Tiger mit zwei seitlich hochsitzenden weiteren Tieren bietet ein eindrucksvolles Schlussbild. Die französischen Medien konnten nicht genug von der eleganten Raubtierdomteurin bekommen.
Gaby Dew präsentiert in ruhigem Ablauf fünf Araber in zwei Farben auf einem ungesattelten Pferd reitend. Anschließend zeigen sich drei Friesen unter der Peitschenführung von Sacha Houcke als Korbpferde. Mit einigen Da Capo Steigern verabschieden sich die beiden Dresseure aus dem roten Ring.
In weiteren Dressurnummern sind Amedeo Folco jr. mit vier Kamelen zu sehen und seine Mutter Adriana Folco präsentiert in flottem Ablauf ihre beiden indischen Elefanten Sharon und Baby. Die abwechslungsreiche Trickfolge wird von Hochsitzern und einem Kopfstand gekrönt und wurde mit einer "Silbernen Piste" belohnt.
Alenya Rosliakova vom Moskauer Nikulincircus ist in diesem an Tierdarbietungen reichen Programm mit einer liebevoll gestalteten Darbietung mit Frettchen zu erleben. Im folkloristisch inspirierten Babuschka-Kostüm leitet sie das bunte Treiben. Die wusseligen Klein-Raubtiere balancieren über eine Planke, überwinden Hürden, laufen Slalom um Gläser und rollen einen kleinen Teppich auf. Abschließend werden Äpfel über eine Leiter in eine Stellage transportiert.

Die Quick Change Darbietung des Duo Urunov ist vom mehrjährigen Engagement im Circus Universal Renz bei uns bestens bekannt und verblüfft mit den zahlreichen schnellen Wechseln der Kostüme auch in diesem Rahmen die Zuschauer.
Das Todesrad des Duo Vanegas bietet ein breites Sepktrum der Tricks des Genres und sorgt für reichlich Nervenkitzel. Die hohen Absprünge und scheinbaren Beinahestürze beim Seillauf außen auf dem Kessel entlocken vielen Besuchern Schreckenslaute.
Der chinesische Bodenjongleur Kai Cao kombiniert seine vielseitigen Ballroutinen bis zu neun Bälle) mit Stepptanz. Auf einem hohen Piedestal arbeitend, wird das Stakkato der Tanzschritte und der Rhythmus der Bälle per Mikrophon für alle hörbar gemacht. Auch die Stufen der zur Arbeitsplattform führenden Treppe werden in die Jonglage einbezogen und wechseln im Takt der Bälle die Farbe ihrer LED-Beleuchtung.
Gleichfalls aus China kommt Trinh Tra My. Die junge Artistin arbeitet ein Melange aus Glasbalancen und Luftartistik an Strapatentüchern. Zunächst wird ein Kerzenleuchter auf einem Munddolch und ein Gläserturm auf einem Geigenbogen zu ebener Erde balanciert. Dann erfolgen mit vier Gläsern auf einem Schwert die Balancen hoch in der Kuppel an den Tüchern.
Die Flying Costa bringen mit ihrem „Fliegenden Trapez“ eine weitere Attraktion unter der Kuppel des Chapiteau. Die drei Flieger und eine Fliegerin absolvieren ihre verschiedenen Sprünge elegant und alle gelingen im ersten Versuch. Ein dreifacher Salto und eine Passage sind die Spitzentricks der Nummer.

Die Show „B“ beginnt mit dem furiosen Auftritt der Joseph Richter jr. Reitertruppe. Dem temperamentvollen Czardas des achtköpfigen Balletts vom ungarischen National Circus Richter folgt Jockeyreiterei auf hohem Niveau. Flickflacks auf den Pferderücken, Salto vom Zwei-Mann-Hoch aufs nachfolgende Pferd und Salto von Pferd zu Pferd sind Toptricks die souverän und elegant präsentiert werden. Sprünge zum Stand auf das galoppierende Pferd, Runden im Zwei-Mann-Hoch und mit der kompletten Truppe auf dem Pferderücken werden gleichermaßen gekonnt geboten.
Einen faszinierenden Auftritt bieten Pavel Vyakin und sein Bär „Tima“. Völlig selbstständig und allein in der Manege, der Vorführer zieht sich bis hinter die Gardine zurück, zeigt der große prächtige Bär sein Können. Einem Fanfaren ähnlichen Instrument entlockt er Töne. Einen auf dem Kopf stehenden handelsüblichen Kunststoffstuhl mit Armlehen bringt der Bär in Windeseile in die richtige Position und nimmt, was angesichts seines Körpervolumens zunächst unmöglich schien, gesittet darauf Platz. Einen angereichten massiven Hula Hoop Reifen nimmt er in seine Pranken, stülpt ihn über seine Kopf und setzt ihn gekonnt in Rotation.
Die exzellente und einmalige Seelöwendressur von Petra und Roland Duss durften wir schon oft erleben und doch ist es immer wieder ein ganz besonderes Ereignis die einzigartige Arbeit der beiden sympathischen Tierlehrer zu beobachten. Die ausgezeichnet gepflegten Robben interagieren perfekt miteinander und den Tierlehrern und scheinen mit sehr viel Freude bei der Sache zu sein. Einzigartige Tricks, die nirgendwo sonst zu sehen sind, werden mit spielerischer Leichtigkeit und Perfektion geboten und die Einbeziehung von Terrier „Mailo“ verleiht der Darbietung eine ganz besondere und heitere Note. Chapeau und zu Recht "gold".

Vier exzellente Spitzendarbietung auf höchstem Niveau komplettieren die umfangreiche Kollektion herausragender Circuskunst dieses Festivals und manifestieren eindrucksvoll seine herausragende Bedeutung in der Circuswelt.
Jordan McKnight beeindruckt mit ihrer einmaligen Kontorsions-Darbietung zutiefst. Die sechzehnjährige, sehr zierliche Artistin bringt ihren Körper mit  unglaublicher Geschmeidigkeit und Selbstverständlichkeit in die extremsten Positionen. Ein durchschnittlich großer Koffer öffnet sich und die „zusammengefaltete“ Kontorsionist beginnt mit ihren erstaunlichen Evolutionen. Weich und fließend, wie ansonsten fast nicht zu sehen nimmt sie die verschiedenen Positionen ein. Einige Handstände belegen ihr Gleichgewichtsgefühl und ihre Kraft.
Der Auftritt von Zhang Fan auf dem Schlappseil reißt das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin. Mit beeindruckender Perfektion reiht er die Höchstschwierigkeiten auf dem schwankenden Untergrund aneinander und arbeitet die Tricks ohne die geringste Unsicherheit erkennen zu lassen. Spagat, einarmiger Handstand, Handstände auf einer Leiter und Einradfahrt im Handstand sowie einiges mehr werden in perfekter Ausführung geboten.
Picasso jr. beherrscht das Spiel mit den Tischtennisbällen wie kein zweiter. Vier Bälle hält er mit einem Schläger in der Luft. Einmalig seine Mundjonglagen mit den gelben Plastikbällchen. Bei jedem Durchgang wird die Anzahl gesteigert und schließlich sind es fünf Bälle, die nur mit Mund ohne Einsatz der Hände, hochgehalten werden. Temperamentvoll und mit vollem Einsatz verkauft der erfahrene Artist sein Können und lässt im zweiten Teil des Auftritts zahlreiche „Ufos“ durch die Kuppel schwirren, die allesamt den Weg zurück in die Hände des Jongleurs finden. Selbst nachts um 0:45 Uhr bei der Gala-Show bringt er das Publikum zum rasen.
Finaldarbietung in sämtlichen Shows ist der Schleuderbrett-Act der Truppe Sokolov. Dimitri Sokolov und seine zwölf Truppenmitglieder bieten unter dem Motto „Mozart“ in entsprechenden, aufwändigen Kostümen eine große, bis in die letzte Bewegung des kleinen Fingers durchchoreographierte, Show. Die Serie der hoch und weit, den gesamten Luftraum des Chapiteau nutzenden Sprünge, die auf einem Kissen gelandet werden finden ihre Krönung in einem vierfachen Salto. Synchron springen zwei Voltigeurinnen zum Drei-Mann-Hoch, ein Doppelsalto wird sicher nur auf den Händen des Porteurs gelandet und ein dreifacher Salto landet in einem Sessel. Mit einem spektakulären Trick erreicht die Darbietung ihren Höhepunkt. Auf einer von zwei Truppenmitgliedern gehaltenen Stange steht auf hohen Stelzen der Porteur, der seinerseits einen auf einer hohen Stange montierten Sessel hält. Scheinbar ohne jede Anstrengung gelingt der Sprung zur sicheren Landung in etwa fünf bis sechs Meter Höhe.

Zum Finale wird eine kleine Wassermanege aufgebaut und dieser Umbau beschert Bello Nock einen weiteren Auftritt, der gemeinsam mit Zuschauern gestaltet wird. Zunächst „dirigieren“ zwei Kinder das erstklassig spielende Orchester; dies gelingt dem nachfolgenden Erwachsenen erst, nachdem er einen Pappkameraden von Bello Nocks Frisur auf dem Kopf trägt.
Die riesige Schar der Artisten marschiert über die Treppenaufgänge in die Manege und schließlich stehen die Teilnehmer in drei dichten Reihen entlang der Piste. Nachdem Celine Moreno die Abschiedsworte gesprochen hat wollen in allen Shows der Beifall und die Standing Ovations kein Ende nehmen und lange müssen die Artisten in der Manege verharren. Jede der beiden Auswahl-Shows und auch die am Samstagabend anschließende Gala brachte ein ausgezeichnetes Programm von  mehr als drei Stunden Dauer, ließ die Zuschauer klassischen Circus in allerbester Weise erleben. Dank der aufwändigen und hervorragenden Regiearbeit von Thierry Fééry und seinem Assistenten hatte man zu keinem Zeitpunkt der Veranstaltung das Gefühl einem nur für wenige Tage währenden Festival bei zu wohnen, sondern wähnte sich in einer eingespielten Circusvorstellung.

Alle Preisträger finden Sie hier .....