optimiert



Text und Fotos Friedrich Klawiter
22. FESTIVAL INTERNATIONAL DU CIRQUE DE MASSY
Massy, 25. Januar 2014

www.cirque-massy.com
Das Circus-Festival von Massy, 1993 vom Profifotografen und Circus Liebhaber Michel Bruneau ins Leben gerufen, gehört inzwischen, nach dem Festival in Monte-Carlo zu den bedeutendsten Veranstaltungen dieser Art in Europa. Selbstverständlich manifestiert sich dieser Status in hochkarätig besetzten Programmen, in denen die Tierdarbietungen einen Schwerpunkt bilden.
Die Gemeinde Massy liegt am südlichen Rand der französischen Metropole Paris. Das Festival-Gelände selbst befindet sich am Ortsrand in einem Naherholungs- und Freizeitbereich. Die Gemeindeverwaltung ist mit vielen Helfern stark in die Organisation der Veranstaltung eingebunden.
In diesem Jahr waren erstmals die Zeltanlagen von Thierry Fééry, die ansonsten bei der Fête Lilloise zum Einsatz kommen, angemietet worden. Das große weiße Chapiteau mit den charakteristischen, außenliegenden Mastbögen und das optisch dazu passende Vorzelt beherrschen den Platz. Kasse und Büro sind in Containern untergebracht.  Auf der anderen Seite des Chapiteau ist in einem großen Festzelt ein Restaurant eingerichtet. Das restliche Gelände dient den Gehegen der zahlreichen Tiergruppen.
Roter Teppich und mit rotem Stoff bespannte Wände verleihen dem Vorzelt im Innern eine angenehme Atmosphäre. Der große Verkaufswagen der Circusrestauration ist in eine „Wand“ integriert. Souvenirstände komplettieren die Einrichtung des Zeltes.
Das Chapiteau-Innere ist komplett in blau gehalten – blaues Schalensitzgradin, blauer Bodenbelag in den Aufgängen, blau verkleidete Geländer, großer blauer Artisteneingang mit Orchesterbühne und nicht zuletzt das innen blaue Zelt schaffen ein homogenes Erscheinungsbild.

Sergio, der bekannteste "Monsieur Loyal" Frankreichs und ehemals „Stimme“ des Festivals von Monte-Carlo, übernahm in diesem Jahr den Vorsitz über die mit Carmen Rhodin, Mirela Veress, David Falck, Marquis Pauwels, Boris Maykhrovsky und Alexandre Ogurtsov wie immer hochkarätig besetzte Jury.
Die Darbietungen werden größtenteils vom ausgezeichneten Orchester unter der Leitung von Kristof Majewski live begleitet. Mit einem erstklassigen Lichtdesign werden die auftretenden Artisten auch in dieser Hinsicht bestens unterstützt.
Celine Moreno tritt als angenehm moderierende „Madame Loyal“ im eleganten roten Frack in Erscheinung.
Alle Shows beginnen mit einem Einmarsch sämtlicher Teilnehmer, die die Treppenaufgänge hinab den Weg in die Manege nehmen. Nach der Begrüßung des Publikums durch Celine Moreno beginnt die „Show A“ mit der Truppe Rubstov. Auf dem Fasttrack bieten sie in rasantem Wirbel eine Fülle verschiedener Saltos und Pirouetten. Sprünge über Barrieren und durch Papier bespannte Reifen bringen Abwechslung und mit synchronen Aktionen auf zwei parallelen Bahnen erreicht die Nummer ihren Höhepunkt.
Mister Dalmatin, alias Sergei Prostsetsov kommt mit seiner bestens bekannten Darbietung, einem Mix aus reitenden Hunden und Ponydressur, beim Publikum sehr gut an. Mr. Dalmatin jun. ist nun mehr präsent. Er reitet eine Runde stehend auf einem Pony, „unterstützt“ das Headbanger-Pony auf der „Gitarre“ und auf einem steigenden Pony reitend beendet er die Darbietung.

Das Duo „You and Me“ hat seine leistungsstarke Akrobatik in eine kleine Love-Story gekleidet. Im Adagio-Stil agieren Igor Gavva und Juliia Palii in einem harmonischen und flüssigen Ablauf, der spielerisch und leicht wirkend, den enormen Kraftaufwand beinahe vergessen lässt. In den verschiedensten Positionen verharrend, ist Juliia Palii der „Untermann“ auf dessen Körper der Partner seine exzellenten Handstände ausführt.
Alessio Fochesato sorgt mit seinen Papageien für große Begeisterung. Gleich zu Beginn fliegen zwei prächtige Aras quer durchs Zelt auf die Arme des in einem Treppenaufgang stehenden Tierlehrers.
Ein Ara "überbringt" einer Zuschauerin, die auf der Piste steht, eine Rose. Andere Sittiche durchfliegen Reifen, die von Kinder hochgehalten werden. Das riesige Chapiteau, in dem keinerlei Masten und Stangen stören, bietet der abschließenden Flugshow von sechs Papageien ideale Voraussetzungen und elegant ziehen die großen Vögel ihre Kreise übers Gradin.

Andrej Jigalov ist mit seinem Partner in zwei seiner bekanntesten Entrees zu erleben. Zunächst mündet der Kampf des Underdog gegen den eleganten Bon Vivant in eine veritable Wasserschlacht. Im zweiten Auftritt stehen der Kampf um das Mikrophon und ein herabhängender „Hosenträger" im Mittelpunkt des Geschehens. Der immer wieder an der Tücke des Objektes scheiternde „ewige Looser" Jigalov reißt mit seinen hervorragend Auftritten das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin und wird folgerichtig mit dem Hauptpreis des Festivals, dem „Preis des Präsidenten der Republik" ausgezeichnet.
Totti Alexis ist in drei Reprisen, die von Wortwitz, Musikalität und tänzerischem Können geprägt sind, zu erleben. So sehen wir Totti mit seiner Version von „musizieren verboten", in der er neben gekonntem Trompetenspiel einen Striptease und Tanzeinlagen bietet, derweil "Madame Loyal" den gestrengen Gegenpart übernimmt. Der heroische Kampf gegen die Tücken eines Mikrophons wird mit hervorragenden Kaskaden gewürzt. Erstklassiger Live-Gesang unterstreicht die Vielseitigkeit des Clowns und mit dem „Tiger Rock"  wird der Abbau des Zentralkäfigs stimmig überbrückt. Dieses gute Entertainment wurde leider nicht mit einem der Hauptpreis belohnt.

Drei Dressurnummern stellen die Geschwister Jiri und Renata Berousek im Festivalprogramm. Eine ansprechende doppelte Hohe Schule steht am Anfang der Pferdevorführungen. Gleich im Anschluss präsentiert Jiri Berousek einen prächtigen Zwölfer-Zug Araber in zwei Farben. Souverän werden die vielfältigen anspruchsvollen Lauffiguren auch auf dem schwierigen Untergrund, mit Kokosmatten belegter Holzboden, der die Pferde mitunter rutschen lässt, ausgeführt. Im zweiten Teil der Darbietung arbeitet Renata Berousek mit sechs weißen Arabern, ehe die hervorragend ausgeführten verschiedenen Da Capo Steiger den Auftritt beschließen.
Sechs lebhafte Zebras eröffnen die Exotendarbietung, die Jiri Berousek als Vorführer sieht. Nachdem sie ihre Lauffiguren, inklusive Hürdensprüngen absolviert haben, folgt die abwechslungsreiche Freiheit von sechs, mit prachtvollen Schabracken geschmückten, Kamelen. Auch diese Laufarbeit zeichnet sich durch großen Figurenreichtum und erstklassige Ausführung aus.
Die drei sehr gepflegten Longenbären der Berouseks sind als geschickte Akrobaten zu erleben. Die Tiere fahren Roller, lassen die Hula Hoops kreisen und steigen auf die Rola Rola. Kugellauf und Leiterbalancen, Seil springen und Antipodenspiele sind weitere Elemente der Darbietung. Ein Motorrad wird von einem Bären als geschicktem Fahrer gelenkt und auf dem Sozius nimmt zuerst ein weiterer Bär und hernach der Tierlehrer den Platz auf der Reise um die Manege ein.
„Art of Trampoline" nennen sich die sechs Artisten, die in ihrer temperamentvollen Darbietung an der derzeit sehr populären „Trampolinwand" eine umfangreiche Serie der verschiedensten Sprünge bieten.

Steve Caplot, Juniorchef des Cirque Lydia Zavatta, präsentiert in temperamentvoller Weise drei Löweninnen und zwei Tiger in der Gittermanege. Ein umfassendes Repertoire gängiger Tricks des Genres wird mit einem Sprung über eine Feuerbarriere ergänzt. Viele geschickt forcierte Scheinangriffe werden von einer Löwin mit großem Schwung ausgeführt und lassen den Dompteur effektvoll immer wieder bis an die Gitter zurückweichen.
Anne Charpentir und Roland Bontaz verzaubern das Publikum mit ihrem Auftritt an den Tuchstrapaten. Weite Flüge durch die Kuppel sind charakteristisch für diese gelungene Nummer.
Ventriloge Kenneth Huesca verlieh nun französischen Zuschauern neue Stimmen.
Mit dem doppelten Russischen Barren der Truppe Grechushkin, sie gewannen schußendlich die "Goldene Piste", ging die erste Show zu Ende. Viele Sprünge dieser leistungsstarken Darbietung werden von einem langen breiten Barren gestartet und absolut sicher auf einer einzelnen dünnen Fiberglasstange gelandet. Die total durchgestylte Nummer, in der Flieger und Fliegerin mit einander wetteifern, hat in einem dreifachen Salto mit Schraube ihren Höhepunkt.
Zum Finale der Shows nehmen wieder alle Artisten Aufstellung in der Manege und Thierry Fééry würdigt den Festivalgründer Michel Bruneau. Nach dem Dank für die große Unterstützung an den Bürgermeister von Massy leert sich die Manege rasch.

Die erste Darbietung der "Show B" bestreiten die acht Mitglieder der Casablanca Troupe. Marokkanische Springer sind heute nur noch selten in den Manegen zu erleben und so kommen sie beim Publikum sehr gut an. Die Akrobaten bieten eine Vielzahl an Pyramiden und wirbeln, die verschiedensten Salti und Flickflacks schlagend, durch die Manege. Eindrucksvoll beweist Untermann Sahid abschließend seine Kraft, indem er seine sieben Kameraden auf seinen Schultern trägt.
Jongleur Semen Krachinov arbeitet in seinem ausgefallen gestalteten Auftritt mit bis zu sieben weißen Bällen und Keulen. Mit großer Sicherheit und in hohem Tempo erfolgen die variantenreichen Routinen mit teilweise ungewöhnlichen Abläufen.
Das Duo Guang Dong war mit seinem besonderen "Pas de Deux" bereits in vielen großen Manegen zu Gast. Der Spitzentanz der Ballerina auf den Oberarmen des Partners verfehlt seine Wirkung auf das Publikums auch in diesem Rahmen nicht.
Wolfgang Lauenburger lässt seine Hundemeute mit ungeheurem Tempo und ebensolcher Präzision ihr umfangreiches Können vortragen. Eifrig sind sie bei der Sache, voller Spielfreude wirbeln sie umher und zeigen dabei enorm kraftvoll ausgeführte Sprünge.
Die äthiopischen „Abbysinya Brothers“, Henok & Themesgen arbeiten auf ihrer niedrigen und kleinen Trinka eine tempogeladene Ikarier-Darbietung.  Die abwechslungs- und umfangreiche Abfolge der Saltos und Pirouetten wird sehr sicher und in gekonnter Ausführung dargeboten. Mit eindrucksvollen fünfzig in Serie gesprungenen Saltos endet die Nummer.

Das Trio Simet zeigt die außergewöhnlichste Darbietung des Festivals an einem ebenso außergewöhnlichen Requisit – dem Semaphor. Jahrzehntelang nicht in den Manegen zu sehen, hat die Trickfolge an dem Gerät Ähnlichkeit mit der auf dem Hochseil. Bei dem Requisit handelt es sich um ein großes tropfenförmiges Rad, dass exzentrisch auf einer Achse sitzt. Am unteren schmalen Ende sitzt ein Gegengewicht. Dieses Rad vermag per Elektroantrieb eine dreiviertel Drehung zu beiden Seiten um die Achse auszuführen, so dass die Artisten in verschiedenen Höhen zur Manege arbeiten. Im Weltraum-Look arbeitet das Trio und seine Bewegungen deuten dazu passend Schwerelosigkeit an. Die trickstarke Arbeit an diesem ungewöhnlichen Requisit wurde folgerichtig mit einem Hauptpreis belohnt.
Maike und Jörg Probst bringen eine heutzutage eher ungewöhnliche Dressurdarbietung in den roten Ring. In fröhlicher und verspielter Weise interagieren die erfahrenen Tierlehrer mit ihren vier Hundskopfaffen.
Die einzigartige Raketensensation des Duo Garcia lässt viele Zuschauer den Atem anhalten. Mit gewohnter Perfektion und völlig ungesichert werden die riskanten und spektakulären Tricks gearbeitet. Stets aufs Neue fasziniert z. B. der Zehenhang an einem Fuß bei hoher Geschwindigkeit an einem kleinen Trapez, das der Partner nur mit den Zähnen hält. Gleiches gilt für den Schlußtrick, bei dem Pablo Garcia nur mit zwei Metallknöpfen, die aus seinen Schuhsohlen ragen, in der Außenhaut der Rakete eingeklinkt seine Frau Vicky im Nackenwirbel voll ausdreht.
Die Tscherkessenreiterei der Truppe Tamikov bieten eine Reihe hervorragender rasant gearbeiteter Tricks. Einleitend sind drei Stehendreiter ähnlich einer Post manegenfüllend unterwegs. Einer von ihnen riskiert auch Barrierensprünge. Starke Tricks werden in großer Anzahl geboten, so u. a. das unterqueren des Pferdes im Galopp, Zwei-Mann-Hoch mit Fahne und mit fünf Reitern auf zwei Pferden im Drei-Mann-Hoch.

Die Raubtierdressur von Natalia und Andrej Shirokalov bildete den Höhepunkt des Festivals und wurde demzufolge auch mit einer „Goldenen Piste“ bedacht. In einem Netzkäfig, der außen an der Piste angebracht war, präsentierten die beiden Tierlehrer vier Tiger, zwei Leoparden und zwei schwarze Panther. Aufmachung und Ablauf der Darbietung zeigen deutliche Unterschiede zum hierzulande gewohnten. Ein glänzend lackiertes Holzpodium von etwa zehn Metern Durchmesser steht mitten in der Manege. Links des Podiums haben die Panther ihre Plätze auf hohen Podesten, auf der anderen sitzen die Tiger auf normalen Tonneaus. Mit Hochsitzern aller Tiere am Platz nimmt die Nummer ihren Beginn. Flaschenlauf eines Leoparden und danach eines Panthers mit zeitgleichem Slalom des Leoparden folgen. Die Tiger führen parallel einen Rollover aus und werden anschließend von Natalia Shirokalova „übertanzt“. Mit Seilen umwickelte starke Rundhölzer hängen senkrecht aus der Kuppel hernieder und werden von den Leoparden erklommen, woraufhin diese - einige Meter hochgezogen – durch den Raum schweben. Prächtige Vorwärts- und Rückwärts-Hinterbeinläufer eines Panthers und von den Tigern komplettieren den Ablauf. Spektakulär endet die Darbietung. Natalia Shirokalova kniet am hinteren Rand des Podiums und lässt sich nacheinander von zwei heranpreschenden Tigern überspringen.
Im Verlauf des Tages haben wir drei Vorstellungen, beide Auswahl-Shows und eine Gala, gesehen und somit rund neun Stunden erstklassigen Circus genießen können. Starke akrobatische Leistungen, begeisternde Clownerie und fantastische Dressurdarbietung reihten sich zu einer großartigen Melange aneinander und begeisterten das Publikum aller Vorstellungen.


Alle Preisträger sehen Sie hier.