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Text und Fotos Friedrich Klawiter
MAGIC CIRCUS
Waarloos, 16. April 2016

www.magic-circus.be
Belgiens, wenn nicht gar Europas ältester aktiver Artist und Circusdirektor Leo Verswijvel, alias Bill Kartoum tourt mit seinem Magic Circus im flämischen Teil unseres Nachbarlandes. In Waarloos, einer Gemeinde im Speckgürtel Antwerpens gab der Circus ein Gastspiel.
Allroundartist Bill Kartoum, inzwischen im achtundachtzig Lebensjahr, betreibt den Circus alleine mit seiner siebten Ehefrau, Patrizia. Das Paar erledigt alle anfallenden Arbeiten. Sie bringen die Plakate aus, fahren die Transporte, bauen selbst auf und ab und cruisen mit dem Lautsprecherwagen durch die Orte. Selbstverständlich gestalten sie auch die komplette Vorstellung.
Bill Kartoum ist im Circus zur Welt gekommen und Zeit seines Lebens gereist. Als Messerwerfer und Kunstschütze – mit Revolver – hat er bis vor wenigen Jahren gearbeitet, „aber das geht nicht mehr. Meine Finger waren fast alle gebrochen und sind nun steif. Etwas so Dünnes wie eine Messerklinge kann ich nicht mehr richtig halten“. Auch die Vielzahl seiner Ehefrauen ist dem messerwerfen geschuldet. „Wenn sie nicht ruhig und richtig am Brett standen, wurden sie getroffen und dann haben sie mich verlassen. Geliebt habe ich sie alle“, erklärt er mit verschmitztem Lächeln. In jungen Jahren war er als „Menschliche Kanonenkugel“ war er genauso zu erleben, wie als tollkühner Dompteur von u.a. Eisbären, Tigern und Elefanten in seinem damaligen Circussen Espagnol, Circus Buffalo Bill und Circus Saludos Amigos. Seit 1985 betreibt er den Magic Circus. Als Artist bereiste Bill Kartoum „die halbe Welt“. Er trat nicht nur in Europa und Afrika auf, sondern arbeitete auch siebzehn Jahre lang in den verschiedensten Ländern des Nahen Ostens, wie z.B. Türkei, Iran, Irak, Libanon, Saudi Arabien, Abu Dabi und Sudan.
Mit seiner Darbietung als "Los Pistoleros" agierte er auch in den damals äußerst populären italienischen "Spaghetti-Western" mit. Hier lernte er auch seine heutige Frau Patrizia Lotti kennen.

Mit einem einmaligen und skurrilen Weltrekord ist Bill Kartoum im Guiness Buch verzeichnet. Er hat seinen Circus an einem einzigen Tag in drei verschiedenen Ortschaften auf- und abgebaut und in jedem Ort eine komplette Vorstellung gegeben. Zum einen wurde um 8:30 Uhr in Leper, um 14:00 Uhr in Geluwe und um 19:30 Uhr in Dadizele gastiert und noch einmal wurde dieses Kunststück vollbracht mit Shows in Lint, Boechout und Kontich. Die Vorstellungen dauerten jeweils ca. zwei Stunden und präsentierten u.a. Darbietungen mit Grizzlybären, Pumas, Schlangen und Jongleuren.

Bei unserem Besuch in Waarloos war der schmucke kleine Circus auf dem Dorfplatz in exakter Formation aufgebaut. Das kleinere der Zelte des Unternehmens, ein neuer gelb-roter Zweimaster von zwölf mal sechzehn Metern wurde als Spielzelt eingesetzt. Die Fahrzeuge sind allesamt mit dem Circusnamen beschriftet und liebevoll gestaltet. Ein doppelachsiger Pkw-Anhänger mit Kastenaufbau beherbergt die Kasse. Kunstvoll bemalte Blenden rahmen den Kassenschalter ein. Durch ein hohes Portal, geschmückt mit dem Circusnamen, geht es ins Chapiteau. Vier Tribünenblöcke mit jeweils fünf Bankreihen, Logenstühle und spezielle „Kinderlogen“ direkt an der Piste, füllen den Raum um die kleine Manege restlos. Ein roter Vorhang bildet den Artisteneingang.
Das Programm richtet sich in erster Linie an Kinder, die vom Direktionspaar in sympathischer Weise mit in den Ablauf mit eingebunden werden.
Zu Vorstellungsbeginn füllen die erwartungsfrohen Besucher das Zelt fast bis auf den letzten Platz. Mit temperamentvoll vorgetragener Clownerie startet die Spielfolge.  Clown Pippo spielt „Hawa Nagila“ auf seinem Saxophon und die Besucher gehen gleich begeistert mit. Doch einmal mehr heißt es „Das musizieren ist hier verboten“ und nach dem dritten Wechsel seines Standorts nimmt ihm Frau Direktor das Instrument einfach weg. Genauso geschieht es mit einer Flöte und verschiedensten Pfeifen.

Zwei Dressurnummern werden von Madame Patrizia charmant präsentiert. Zunächst sind drei Hauskatzen ihre Manegenpartner. Die Stubentiger beherrschen ein enormes Repertoire und in spielerisch leicht wirkender Manier wird die Vielzahl der Tricks ausgeführt. Sprünge, Balancen und Kletterübungen zeigen die kräftigen Tiere in ihren natürlichen Bewegungsabläufen.
Zum Abschluss der Spielfolge präsentiert die Chefin des Hauses eine Taubenrevue. Stilvoll werden die verschiedenen Abläufe vorgetragen. Die bestens bekannten Abläufe des Genres werden gekonnt ausgeführt und abschließend dreht mehr als ein Dutzend Tauben Runde um Runde auf einem, im Schein unzähliger LED-Lämpchen silberglänzenden, Karussell.

Die dem Circus seinen Namen gebende Magie nimmt in der Vorstellung breiten Raum ein. Zunächst sehen wir einen Quick Change, in dessen Verlauf die Direktorin hinter einem Paravant flott die Kleider wechselt. Wenig später befreit sie sich in Windeseile von ihren Fesseln. Traditionelle Zaubertricks bringen, sehr dekorativ befiederte, Hühner, Tauben und Kaninchen auf wundersame Weise zum Vorschein. Für die Kinder gibt es reichlich Gelegenheit in sehr engen Kontakt mit all diesen Tieren zu gelangen. Mit dem Kaninchen wird zudem ein Todlieger gezeigt. Zudem werden Tücher hervorgezaubert und zwei Kindern gelingt es nicht zur allgemeinen Verblüffung nicht, „ihr“ Tuch aus einem Beutel zu ziehen sondern es erscheint jedes Mal das des anderen Mitspielers. Schließlich füllen Dutzende aufgespannter bunter Regenschirme, die aus einem „viel zu kleinen“ Behältnis hervor „gezaubert“ wurden die Manege.
Als Zugabe balanciert Bill Kartoum ein Blatt Zeitungspapier, das mit mit wenigen schnellen Griffen in Form gebracht wurde auf der Nasenspitze aus.
Der zweite Programmteil beginnt mit einer interessanten und gut verkauften Version der „Zersägten Jungfrau“, in deren Ablauf zu Beginn vier Kinder als Assistenten eingebunden sind. Zwei unterschiedliche Fluchtkisten werden von den kleinen Assitenten eingehend untersucht, ehe Madame Patrizia darin Platz nimmt. Die Kisten werden von den unterschiedlichsten Gegenständen durchdrungen und schließlich entsteigt die Direktorin in einem anderen Kostüm den Zauberkisten.
Mit einem kleinen Finale verabschiedet sich die Direktion von den zahlreichen zufriedengestellten Besuchern. Alle Kinder dürfen sich mit den Protagonisten und dem anwesenden Ortsbürgermeister in der Manege aufstellen und die sie begleitenden Erwachsenen bekommen ausreichend Gelegenheit ein nicht alltägliches Erinnerungsfoto zu machen.