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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS KRONE-BAU
München, 25. Februar 2017

www.circus-krone.com/de
Der einzige noch existierende feste Circus-Bau hierzulande ist der des Circus Krone an dessen Stammsitz in München. Alljährlich werden vom ersten Weihnachtfeiertag bis Ende März drei unterschiedliche, monatlich wechselnde Programme geboten.
Unweit des Münchner Hauptbahnhofes nimmt das Gelände des Circus einen kompletten Häuserblock ein. Hell und einladend strahlen die unzähligen Lichter am ausladenden Vordach und der Kasse. Circus-Krone-Schriftzüge auf den Dächern der Gebäude und die funkelnd illuminierte Krone auf der Circuskuppel tragen den Glanz des Circus in die Nacht.
Die Krone-Villa und ein mehrstöckiges Bürogebäude flankieren die Front. Die anderen Seiten des Areals sind komplett mit Stallungen und Nebengebäuden bebaut.
Die überlebensgroß gemalten Portraits von Carl und Ida Krone sowie Carl Sembach und Frieda Sembach-Krone schmücken das Foyer. Im breiten, rings um das Gebäude führenden Gang erzählen unzählige Fotos in Vitrinen die Geschichte des Hauses Krone und ein mehrere Quadratmeter einnehmendes Diorama bildet den Zeltcircus im Modell nach.
Im Zuschauerraum reihen sich achtzehn steil ansteigende Sitzreihen hintereinander. Die Wandflächen darüber sind mit reicher, erhabener Ornamentik in dunkelrot und gold geschmückt. Vierundzwanzig mächtige Leimholzbinder formen die hohe freitragende Kuppel. Stimmig fügt sich die Konzertmuschel der Orchesterbühne über dem Artisteneingang in das optische Konzept des Raumes ein.

Die flott und temporeich dargebotene Show ist als stringent ablaufendes, traditionelles Nummernprogramm konzipiert. Das ausgezeichnet aufspielende Orchester, unter der Leitung von Oleksander Krasyun begleitet mit seinem volltönenden und treibenden Sound die Show zu größten Teilen live.

Das Lichtdesign mit dem die auftretenden Artisten effektvoll in Szene gesetzt werden hat  Celestino Munoz geschaffen und beim Finale kommt sogar, für Krone geradezu revolutionär, eine Laser-Show zu Einsatz.
Die Ablaufregie obliegt Nicolai Tovarich; souverän füllt er die Rolle des Sprechstallmeisters aus, stellt die Artisten vor und gibt dem Publikum eine Fülle interessanter Informationen.
Zu Beginn der Show sehen wir Geraldine Philadelphia mit ihrer exzellenten Hula Hoop Darbietung. Sie lässt in genretypischer Weise die Ringe um ihren Körper kreisen und jongliert zudem in erstklassiger Weise mit vier und fünf Reifen. Einen zusätzlichen optischen Effekt bietet die abschließende Routine mit verschiedenfarbigen leuchtenden Ringen im abgedunkelten Raum.
Gleich im Anschluss präsentieren Jana Mandana und James Puydebois die Wappentiere des Circus Krone. Ein asiatischer und zwei afrikanische Elefanten zeigen in einem flotten, tiergerechten Ablauf ihr erlerntes Können. Laufarbeit und gemeinsames abliegen sind die Schwerpunkte der Dressurfolge.
Wenig später präsentiert Jana Mandana die Freiheitspferde. Vier weiße Araberhengste laufen die ersten Touren. Farblich perfekt harmonieren die Robe der Vorführerin mit Fellfarbe und Geschirren der Pferde. Im zweiten Teil des Auftritts kommen vier weitere weiße Hengste hinzu und einige Gegenlauf-Figuren bestimmen diesen Teil der Nummer. Ein Da Capo Steiger, mit Longenunterstützung, rundet die Darbietung ab.

Clown Tonito Alexis, er trat an die Stelle des Anfang Februar schwer erkrankten Charlie Carletto, verbreitete mit seinen Reprisen den nötigen Frohsinn. Spielfreude, Vielseitigkeit und ein breites Repertoire zeichnen ihn aus. Außer seinen bekannten Auftritten – verspeisen einer Kerze, Zusammenspiel mit Hund Elvis – gab es auch Neues zu sehen.  Er jongliert gekonnt mit Devilsticks und ein rasch rekrutiertes Paar, bei diesem Auftritt wirkt seine Lebensgefährtin Stefania Jarz mit, wird im Eilverfahren verheiratet. Schließlich ist der „legendäre Sprung in ein Wasserglas“ zu erleben. Nach umfangreichen Vorbereitungen, u.a. ablegen von etlichen Westen, gerät die Ausführung nicht ganz wie geplant, da „zu wenig Wasser“ im Glas war.

Katerina Abakarova präsentiert eine sinnliche Darbietung an den Strapaten. Kraftvoll und mit der eleganten Attitüde einer Ballerina arbeitet die zierliche Artistin eine umfassende Trickfolge. Weite Flüge und viele einarmige Aufschwünge finden in zwei unterschiedlichen Spagat-Figuren die ideale Ergänzung.
Das Duo Jasters ist mit seiner Armbrust- und Messerwurf-Darbietung immer ein Garant für spannungsvolle Momente. Mit scharfem Auge und ruhiger Hand lässt Giacomo Jasters die Pfeile der Armbrust stets sicher ins Ziel fliegen und auch die Wurfmesser werden genau platziert. Der Tell-Schuss gelingt in der besuchten Vorstellung perfekt und die abschließenden Messerwürfe auf die rotierende Scheibe mit der Partnerin sorgen noch einmal für Anspannung auf den Rängen.

Einen Höhepunkt in diesem erstklassig besetzten Programm bietet vor der Pause das Duo „Sky Angels“. Kristina Vorobeva und Rustem Osmanov wurden beim diesjährigen Circus Festival von Monte-Carlo für ihre einmalige Arbeit an den Strapaten mit einem Goldenen Clown ausgezeichnet. Ein umfangreiches Repertoire spektakulärer Partnertricks wird in erstklassiger Ausführung geboten und – dies macht diese Nummer so besonders – fast ausnahmslos im Zahnhang gehalten. Die Enden der Strapatenbänder sind als Mundstücke ausgebildet und unter Verzicht auf jedwede Art zusätzlicher Sicherung halten sich die Artisten ausschließlich mit ihren Zähnen. Beide Partner agieren als Porteure, die den Partner und auch zum Teil auch zusätzlich das eigene Gewicht nur mit der Kraft ihrer Zähne tragen.
Jongleur Rafael de Carlos aus Kuba agiert tempogeladen mit Fußbällen und in vielerlei Abläufen, Tricks und Posen lässt sich unschwer erkennen, das Francis Brunn Vorbild und Inspiration des Artisten sind. Charmant, mit großem Können und Bühnenpräsenz werden die unterschiedlichen Routinen gekonnt ausgeführt. Bis zu fünf Fußbälle werden sicher in der Luft gehalten und sieben kleinere Bälle zum Abschluss des Musters in Köchern am Gürtel gefangen. Auf Bälle, die auf dem Zeigefinger rotieren werden weitere gekickt und während zwei Fußbälle auf den beiden Zeigefingern des Jongleurs rotieren jongliert er drei Tischtennisbälle mit dem Mund. Drei Fußbälle werden nach einer doppelten Pirouette wieder gefangen und zusammengepresst in der Art, wie man es ansonsten nur mit Zigarrenkistchen sieht.

Den umjubelten Höhepunkt der Show erleben wir nach der Pause mit Martin Lacey jun. großer Raubtiergruppe. Fünfundzwanzig Tiere - normalfarbene und weiße Löwinnen und Löwen sowie zwei weiße und ein normalfarbener Tiger - vereint der charismatische Dompteur in einer mitreißenden Dressurfolge. Mit dem spielerisch wirkenden Auftakttrick zu dem zwei Tiger mit den Vorderpfoten auf den Rücken eines weiteren Tigers und eines Löwen auffußen nimmt die mitreißende Dressurfolge ihren Beginn. Mit einer eindrucksvollen Pyramide aller Tiere nimmt der Auftritt Fahrt auf. Großartig und effektvoll der  perfekte Kreis von einundzwanzig hochsitzenden Löwen mit dem Tierlehrer in der Mitte. Scheinangriffe eines Löwenmannes, Teppich, verschiedene Sprungvarianten und Schmuseszenen sind weitere Elemente dieser außergewöhnlichen Dressurschöpfung. Löwen liegen auf dem am Boden liegenden Dompteur ab, decken ihn mit ihren Körpern zu. Der Sprung einer Löwin über den sich niederwerfenden Tierlehrer hinweg und ein  hervorragender Hinterbeilauf eines Tigers sind weitere attraktive Elemente der Nummer. Mit enormem Sprungvermögen „erjagt“ ein weiterer Tiger ein hoch über der Manege an einem Haken baumelndes Stück Fleisch. Martin Lacey hat eine Dressurgruppe zusammengestellt, wie man sie in Größe und Trickreichtum leider fast nicht mehr geboten bekommt. Chapeau.

Eliane und Dennis Stipka sind mit ihrem erstklassigen Pas de Deux im zweiten Programmteil zu erleben. Routiniert und sicher wie stets führen die beiden sympathischen Artisten die zahlreichen und anspruchsvollen Tricks auf dem Rücken der beiden prächtigen Friesen aus. Der freie Stand auf dem Kopf des Partners, ausgeführt von Eliane, bildet den eindrucksvollen Höhepunkt der darbietung.
Das Trio Stoian begeistert mit seinen elegant dargebotenen Evolutionen am Russischen Barren auch in diesem Rahmen. Erstklassige Ausführung und enorme Sicherheit in Verbindung mit anspruchsvollen Tricks machen diese Darbietung zu einem besonderen circensischen Highlight. Drei in direkter Folge gesprungene Doppelsaltos und der Dreifache sind die Höhepunkte dieses mitreißenden Auftritts.
„The Face Team“, acht junge ungarische Artisten, präsentiert sich mit einem außergewöhnlichen, circusuntypischen Act und reißt als Final-Darbietung die Zuschauer noch einmal förmlich von den Sitzen. Mit einer Melange aus Dreakdance in Kombination mit Balljonglage einerseits und spektakulärer Basketball-Akrobatik andererseits erobern sie das Publikum im Sturm. Besonders die effektvoll ausgeführten Ballstafetten, bei denen das Spielobjekt in der Luft durch alle Hände wandert ehe es mit einem krachenden Dunkin im Korb landet, werden mit lautem Jubel quittiert.

Das hervorragend und stimmungsvoll choreographierte Finale nimmt mit einer Lasershow seinen Beginn. Die Mitwirkenden kommen einzeln, nummernweise, in die Manege und werden  vom begeisterten Publikum mit starkem Beifall bedacht. Nachdem man die Formation eingenommen hat, drücken die Besucher mit nicht enden wollenden Standing Ovations ihre Begeisterung ob des Gebotenen aus. Die Saalbeleuchtung wird gedimmt und die Artisten verabschieden sich, mit kleinen Lichtern winkend, langsam rückwärts aus der Manege strebend, während Nicolai Tovarich mit sonorer Stimme „What a wonderfull World“ singt. Natürlich darf die traditionelle Abschiedsformel des Hauses, in der sich Christel Sembach-Krone für den Besuch bedanken und einen guten Heimweg wünschen lässt, nicht fehlen.
Mit diesem Programm zeigt der Circus Krone nachdrücklich, das traditioneller Circus – auch als reines Nummernprogramm konzipiert – sehr gut in die heutige Zeit passt und nicht an Attraktivität verloren hat, wenn leistungsstarke Darbietungen und anspruchsvolle Präsentation als Grundlagen vorhanden sind.