Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS Gebr. KNIE
Basel, 07. Juni 2013


www.knie.ch
Der „Schweizer National Circus Gebrüder Knie AG“ gastiert alljährlich Anfang Juni in Basel. Traditionell baut der Circus in der Rosentalanlage, einem dicht von hohen Kastanienbäumen gesäumten kleinen Platz, eingebettet zwischen dichter Wohnbewohung und den Messehallen, auf.
Der Platz zeigt sich derart beengt, dass neben dem Chapiteau und den großzügigen Tierunterkünften nur die allernotwendigsten Wagen Platz finden. Das große moderne bogenförmige Vorzelt des Circus Knie findet keinen Platz, man greift hier weiterhin auf die kleinere Vorgängerversion zurück, bei der die beiden Verkaufscontainer seitlich des Durchgangszeltes im Freien stehen. Restauration, Elektrozentrale und einige Garderobenwagen sind um das Zelt gruppiert. Die Ställe und Freigehege der Pferde und Kameloiden sowie drei Wohnwagen der Direktion füllen den übrigen Raum vollkommen aus. Sämtliche Materialtransporter, sowie die Wohnwagen der Mitarbeiter und Artisten sind einige Kilometer entfernt stationiert. Kleinbusse des Circus sorgen für den Pendelverkehr.
Die festliche Premiere wird mit einem Platzkonzert des Blasorchesters der Kantonspolizei Basel eingeleitet. Eine halbe Stunde von Einlassbeginn musiziert man im Eingangsbereich und während des Einlasses in der Circusmanege.
„Emotions“ lautet das aktuelle Programmmotto; temperamentvoll und voller Emotion startet denn auch die diesjährige Show, die von einer exzellenten Lichtregie und  musikalischer Begleitung im seit Jahrzehnten gleichen, von Germaine Bourque geprägten, Sound – wie seit  längerem bei Knie üblich im Halb-Playback – getragen wird.

Der ausführlichen musikalischen Ouverture folgt die Begrüßung des Publikums in drei Sprachen durch Fredy jun. und Ivan-Frederic Knie sowie Maycol Errani hoch zu Ross. Furios gestaltet bietet das Opening eine gelungene Melange aus traditionellen Elementen des Pferdecircus und moderner Artistik. Diese wird auch in diesem Jahr wieder von einem Ensemble des Circustheater Bingo geboten, während Fredy jun. und Ivan-Frederic Knie sowie die Fratelli Errani den traditionellen Circus vertreten. Mit temperamentvoll vorgetragenen Elementen der Bola-Artistik und Seil springen warten die Bingo-Artisten auf. Fredy Knie jun. reitet auf einem prachtvollen Friesen Hohe Schule und Maycol Errani folgt auf einem weißen Araber. Die drei Brüder Errani voltigieren auf Friesen und ein mächtiger Kaltblüter ermöglicht verschiedene Tricks der Stehendreiterei, u. a. Flickflacks auf dem Pferderücken. Guidi Errani springt einen Rückwärtssalto auf dem Pferd zum sicheren Stand. Ivan-Frederic Knie zeigt sein akrobatisches Können auf dem Pferderücken indem er verschiedene Barrierensprünge elegant ausführt.
Mit einer Pirouette im Nackenhang unter der Kuppel und eingerahmt von einem Parforceritt entlang der Piste findet der temperamentvolle Auftakt seinen Schlussakkord.

Der folgende erste Auftritt des diesjährigen „Schweizer Star Comedian“ Claudio Zuccolino nimmt den Drive sofort wieder aus der Show. Der Wortartist bedient in einem umfangreichen Monolog wohl die gängigen Klischees der verschiedenen Schweizer Landsmannschaften untereinander, allein auf Grund des Dialektes sind die Gags für uns weitestgehend unverständlich. Im weiteren Verlauf des Abends sehen wir den Comedian noch zwei weitere Male. Zunächst befördert er „The Great Hundini“, seinen vierbeinigen Mitspieler, aus einem riesigen Karren zutage und wortreich bringt er ihn schließlich dazu durch einen auf dem Boden stehenden Reifen zu steigen, nachdem der Sprung in verschiedenen Höhen verweigert wurde. Zu guter Letzt soll der Hund als „lebende Kanonenkugel“ die Sensation bieten. Doch an seiner Stelle landet Zuccolini in der Kanone und wird, nach lautem Knall, langsam am Flaschenzug in die Höhe gehievt. Die meisten Lacher bekommt er für seinen abschließenden Gag „Hier sehen Sie achtzig Kilo gut abgehangenes Bünderfleisch“.
Das ukrainische Duo You&Me bietet modern verpackte Handstandartistik in Kombination mit Kautschuktricks. In eine graue karierte Wolldecke eingehüllt sitzen die beiden Artisten, die graue Batik-Kostüme tragen, zu Beginn der Nummer auf ihrem Podium. Im allmählich aufflammenden Licht breiten sie die Decke aus, beginnen mit zwei Hebefiguren ihre Kür. Die zahlreichen verschiedenen Handstände führt Igor Gavva zum Teil auf der in Kautschukposen verharrenden „Unterfrau“ Juliia Palii aus. Zum Spitzentrick biegt sich die Artistin rücklings zu einem Ring um die Hüften ihres Partners, der seinerseits nun im Einarmer steht. Die Darbietung endet, genau wie sie begann in der grauen Karodecke, deren Notwendigkeit nicht ersichtlich ist.
Ganz anders dagegen der starke Auftritt von Super Silva, der auf das langatmige „erzählen einer Geschichte“ verzichtet und geradezu klassisch puristisch seine spektakulären, leistungsstarken Tricks präsentiert. In knapp vierzehn Metern Höhe erfolgen Deckenlauf und – völlig ungesichert – Sprünge von Trapez zu Trapez. Chapeau.

Fester, unverzichtbarer Bestandteil aller Programme des Schweizer National Circus sind die ausgezeichneten Dressur-Darbietungen der Familie Knie, die stets zu den Höhepunkten der Show zählen. In diesem Jahr sind die Dressuren en bloc im ersten Programmteil zu erleben, da der zweite einen Holzboden in der Manege erfordert.
Marie-José Knie eröffnet den Reigen mit einer spielerisch wirkenden Freiheit dreier Palominos. In kurzer Abfolge laufen die dekorativen Pferde einige Figuren und verabschieden sich mit einem gekonnten Steiger.
Die Manege ist in fahl-blaues Licht getaucht und sich selbst überlassene weiße Araber tummeln sich darin. Nach einigen Augenblicken kommt Geraldine-Katherina Knie hinzu und formiert die Hengste zu einem formidablen Zehner-Zug. Perfekt, voller Verve lässt die erfahrene Dresseurin die verschiedensten Figuren ablaufen. Voller Schwung und Temperament folgen die Pferde den Hilfen, lassen auch anspruchsvolle Figuren leicht wirken.
Erneut wechselt die Szene und unter der gekonnten Peitschenführung von Maycol Errani gehen vier weiße Kamele mit vier Friesen eine prächtige Symbiose ein. Variantenreiche Abläufe, das Spiel mit den Farben und unterschiedlichen Temperamenten der Tierarten kennzeichnet diese Dressurdarbietung. Schließlich umrunden sechs Lamas die Manege, überspringen dabei die abliegenden Kamele. Als Da Capos präsentiert Maycol Errani zunächst einen golden im Scheinwerferlicht glänzenden, erstklassig steigenden Hengst. Darauf folgen zwei Araber, die im Stil der sonst üblichen „Korbpferde“ aufgestellte Cavaletti in vollem Galopp überspringen und sodann synchron und urplötzlich zwischen den Stangen stoppen.
Wenig später sind Franco jun. und Linna Knie zusammen mit Sohn Chris-Rui und drei indischen Elefanten im roten Ring präsent. Nach einigen gängigen Tricks der Elefantendressur – u. a. abliegen, hochsitzen und Pyramide – folgt der akrobatische Teil der Darbietung. Guido, Maycol und Wioris Errani präsentieren ihre Arbeit mit „Schleuderbrett-Elefanten“. Hoch auf den Hinterbeinen, auf einem Tonneau stehend, aufgerichtet bedient ein Elefant das Schleuderbrett und katapultiert die Voltigeure empor auf einen weiteren Elefanten. Ein Parallel-Salto zweier Flieger auf zwei Elefanten, Salto zum Zwei-Mann-Hoch, Doppelsalto auf den Kopf eines hochsitzenden Elefanten sowie der legendäre Dreifache erfolgen mit großer Sicherheit und in exzellenter Ausführung. Abschließend springen die drei Brüder in der Manier von Jockey-Reitern auf die Elefanten, reiten eine Runde stehend und präsentieren sich auf den Elefantenköpfen während der finalen Pyramide der Dickhäuter.

Steve Eleky begeistert mit seiner großartigen Comedy-Jonglage und mit „Magic“ das Publikum. In unnachahmlicher Weise würzt er die Auftritte mit feiner Selbstironie, gibt dem Affen Zucker mit treffenden Kalauern und bietet ganz nebenbei sehenswerte Jongage-Tricks. Sein Markenzeichen „Spaaaß“ lässt die Ränge vor Begeisterung kreischen, desgleichen wenn er als dilettantischer Magier die Tricks Preis gibt. Die Pointen sitzen perfekt und kein Spaß wird auf Kosten anderer oder per Zuschauer-Belästigung gemacht – leider eine Ausnahme heutzutage im Circus.
Das Intro zum zweiten Programmteil wird wiederum von der Truppe Bingo geboten. Eingebettet in eine moderne Tanz-Choreographie erfolgen verschiedene Tricks auf freistehenden Leitern.
Die Bernerin Nina Burri, im letzten Jahr zweite in der Schweizer Ausgabe der „Supertalent“-Show, arbeitet ihre Kontorsions-Nummer auf einem großen Podium in leicht verträumter Anmutung.

Die Papageien von Alessio Fochesato sind die einzigen Tiere, die im zweiten Programmteil zu erleben sind und bilden einen der umjubelten Höhepunkte des Programms. Zu Beginn des Auftritts steht Fochesato in einem Treppenaufgang, lässt zwei das Zelt durchquerende Aras auf seinen ausgestreckten Armen landen. Anschließend führen die beiden Vögel auf Kommando Purzelbäume auf dem Boden aus. Ein Ara „überreicht“ einer Zuschauerin, die auf der Piste steht, eine Rose. Kleinere Sittiche fliegen durch Ringe, die von Kindern hoch gehalten werden. Die abschließende Flugeinlage aller Aras bringt die Schönheit der bunt gefiederten Vögel bestens zur Geltung, wenn sie elegant und geschickt ihre Kreise über dem Gradin ziehen. In der einzigen Reprise während eines Manegenumbaus können wir die Sprachbegabung einer Gelbstirn-Amazone bewundern. Auf alle von Abendregiseur Enrico Caroli gestellten Fragen weiß der Papagei, der Alessio Fochesatos Hand sitzt, die passende Antwort. Perfekt ahmt er Laute von Hunden und Katzen nach und die Frage wie ein Pony klingt, lässt aus dem Schnabel lebhaftes Hufgetrappel erklingen.
Zwei große Artistentruppen bieten die artistischen Highlights des diesjährigen Programms.
Die zwölf, zum Teil noch sehr jungen, Chinesen der Hebei Wuqiao Akrobatik-Truppe zeigen eine rasante Gruppenjonglage auf Einrädern. Die eigenwilligen Keulen, dicke kurze Holzstäbe mit Stoff umwickelter Spitze, werden präzise in den verschiedensten Formationen hin und her gepasst. Teils verharren die Artisten dabei auf ihren Einrädern am Platz, teils wird die Manege auf den Rädern durchquert. Frei auf den Schultern der Untermänner stehend bewegen sich ein Zwei-Mann-Hoch und ein Drei-Mann-Hoch durch die Manege und passen sich unterdessen die Keulen zu.

Als Finalnummer erleben wir die Luftsensation der „Flying Girls aus Pyongyang“. Fünf Fliegerinnen vollführen ihre Handvoltigen zwischen drei stationären und einem weiteren, am Trapez schwingenden Fänger. Sie nutzen mit ihren Salti und Pirouetten den weiten Raum des großen Chapiteaus komplett aus. Rasch folgen die Sprünge aufeinander und bis zu drei Fliegerinnen sind gleichzeitig in der Luft. Mit einem exzellent gesprungenen und ebenso sicher gefangenen vierfachen Salto erreicht diese Darbietung ihren Höhepunkt.
Die Truppe Bingo leitet das farbenfrohe Finale ein und im anhaltenden Konfettiregen kommen die zahlreichen Mitwirkenden der Show nacheinander ins Rampenlicht, nehmen den Applaus eines begeisterten Publikums entgegen. Dieser mündet schließlich in Standing Ovations. Geraldine-Katherina Knie obliegt es, im Namen der Familie Knie die traditionelle Abschiedsformel zu sprechen. Mit einigen Zugaben klingt die Show aus.
In dieser Spielzeit präsentiert der Schweizer National Circus Gebrüder Knie wiederum ein abwechslungsreiches Programm auf einem durchweg sehr hohen Leistungsniveau. Das Motto „Emotions“ ist sehr treffend gewählt, bedient die Show von jugendlicher Lebensfreude, Poesie, Träumerei bis hin zu Spannung und Nervenkitzel eine große Bandbreite der Gefühlswelt. Ein großes Circusprogramm mit dem klassischen Dreiklang von erstklassiger Tierdressur, erlesener Akrobatik und erfrischender Clownerie erfüllt beinahe alle Erwartungen an beste Circusunterhaltung, einzig das fehlen einer adäquaten Raubtierdressur mischt einen Wermutstropfen in die Freude über einen gelungenen Circusbesuch.
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