Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS  Herman RENZ
Heerlen, 03. April 2010

www.renz.nl
In diesem Jahr war Heerlen die zweite Station in der Saison des 'Niederländischen Nationalcircus Herman Renz', der sich im Lauf der letzten zwanzig Jahre zu einem der führenden Unternehmen Europas entwickelt hat. Der Circusplatz in Heerlen ist eine schöne große, Innenstadt nah gelegene, von hohen Kastanien gesäumte Wiese. Der witterungsbedingt tiefe Untergrund wurde von den Fahrzeugen strapaziert und gleicht stellenweise einer Mondlandschaft. Umfangreich ist das mitgeführte Material, etliche Lkw und Auflieger bleiben in den angrenzenden Straßen abgestellt, um den Platz so wenig wie möglich zu strapazieren.
Sattelzüge und Container beherrschen die Szenerie. Dazu kommen die großen modernen Wohntrailer der Direktion sowie die Wohnwagen der engagierten Artisten. Der Circus zeigt sich in einem einheitlichen Farbkonzept. Zelte und Wagen sind in rot mit blauen Absetzungen und gelber Schrift ausgeführt. Drei Container, mit Durchgangsteil und Kasse bilden die Front. Obenauf ist in blinkenden Leuchtbuchstaben der Firmenschriftzug angeordnet. Auch die Mannschaftsunterkünfte sind in einer Reihe Container untergebracht. Des weiteren dienen je zwei Container als Garderoben bzw. Restauration. Das technische Equipement wird auf Sattelaufliegern transportiert. Ein großer moderner, mit großen Auszügen versehener Büroauflieger sowie ein weiterer der der Schule des Circus Platz bietet, sind im Frontbereich zu finden.
Ein dekorativer Stakettzaun mit Lichterbögen sorgt für romantisches Flair in der Ansicht. Lichterketten an den Masten und, neu seit dieser Spielzeit, beleuchtete Kronen auf den Mastspitzen vervollständigen die Illumination in der Dunkelheit. Das Circusgelände wird nicht eingezäunt, ist permanent für Neugierige und Interessierte frei zugänglich. Eigene Tiere hat der Circus Herman Renz seit einigen Jahren keine mehr. Man engagiert die jeweiligen Gruppen für die Spielzeit, wobei bisher stets alle relevanten klassischen Großtierarten in jeder Saison aufgeboten wurden.


Im Vorzelt findet neben der Restauration und weiteren Ständen seit Jahren ein buntes, aufwändig bemalt und beleuchtetes Kinderkarussell seinen Platz.
Ein Tunnel verbindet das Vorzelt mit dem Chapiteau, dass mit einem Schalensitzgradin hinter den dekorativen Logen aufwartet. Der klassische Artisteneingang aus rotem, mit glitzernden Steinchen besetztem Tuch, bietet dem ausgezeichneten siebenköpfigen Orchester Platz. Druckvoll, akzentuiert und punktgenau werden die auftretenden Artisten erstklassig unterstützt. Hervorragend ist das Lichtdesign in diesem Circus, es zählt zum Besten was derzeit in einem Reisecircus geboten wird. Charly Weiser als der verantwortliche Operator zeigt sich als wahrer Meister seines Fachs.

Wie gewohnt folgt das Programm einem Motto, aktuell „Jungle Fantasy“, dass den roten Faden bildet und wie stets schlüssig und stimmig umgesetzt wird. So wurden die Requisiteure mit Outfits ähnlich denen von Safari-Rangern ausgestattet. Direktor Rob Ronday, seine Uniform erinnert an einen Kolonialoffizier, begrüsst die Zuschauer. Dann erscheinen Milko und Frenky aus einem kleinen Zelt, dass im Zentralkäfig steht und „entdecken“ beim Blick durch ihre Ferngläser allerlei Dschungelbewohner, derweil aus den Boxen Vogelstimmen, Affengebrüll und allerlei weitere Urwaldgeräusche klingen. Das Ballett steckt in prächtigen phantasievollen Tierkostümen und tanzt nach seiner „Entdeckung“ in den Aufgängen.

Als erste Darbietung ist Tommy Dieck jun. mit seinen fünf Löwen/Innen zu sehen. Im Gegensatz zu seinen üblichen sehr klassischen Kostümen steht sein aktuelles, dem Motto der Show angepasstes modernes Leder-Outfit. Er wirkt jugendlicher und der gesamte Auftritt gewinnt in der Optik hinzu. Die Tricks der durchaus attraktiven Raubtiernummer laufen routiniert, flott und flüssig ab. Nur wirkt die Nummer ein wenig kurz, wünscht man sich den ein oder anderen Trick mehr. Erstaunlich, dass trotz eines Riesenaufgebotes an Manpower der Käfigabbau relativ viel Zeit beansprucht.

Seit Jahren ist  Tamara Weiser eine feste Größe im Programm bei Herman Renz, überrascht immer wieder mit Variatonen und neuen Ideen. Im ersten Programmteil zeigt sie heuer wieder einmal ihre Antipodenarbeit mit verschiedenen kleinen Teppichen. Besonders wirkungsvoll die Szenen, in denen sie zunächst in einem Gürtel liegend, dann nur mit einem Fuß ungesichert in einer Schlaufe hängend, hoch in die Kuppel gezogen wird und dabei weiterhin ihre Teppiche jongliert.
Eine fünfköpfige schwarzafrikanische Springertruppe, in folkloristisch inspirierten Kostümen, endlich einmal nicht die ansonsten unvermeidlichen Zebra- und Leopardenmuster, produzieren sich als Springer und Pyramidenbauer, balancieren mit und in großen Metallschüsseln. Sie strahlen Fröhlichkeit und Lebensfreude aus während sie die umfangreiche Trickfolge vorführen.

Direktor Milko Steijvers und Frenky sind seit Jahren ein eingespieltes Duo, dass mit seiner Clownerie das Publikum erreicht. Auch in diesem Jahr gefallen sie wieder mit einer Reihe neu einstudierter Szenen. So sind sie u. a. als Schmetterlingssammler unterwegs und agieren als 'Hase und Jäger' mit Rollentausch – nicht zuletzt durch die gewählte Begleitmusik erinnert diese Reprise sehr an Jigalov.
Nachdem Frenky im vergangenen Jahr erstmals als Dressurclown mit Haustieren auftrat, leitet er aktuell ein Alpaka zu seinen Lauffiguren an. Milko geht in seinem Soloauftritt als Sieger aus dem Kampf mit einem weißen Hai hervor.
In ihrem Entree wollen die beiden dem Taxi nach Timbuktu fahren. Unter Mithilfe von drei Zuschauer-Kindern überzeugen sie das Gefährt mit Eigenleben schließlich doch, die Fahrt anzutreten. Der komplette Verzicht auf laute Knalleffekte tut dabei der Publikumswirksamkeit keinen Abbruch.

Mit der Begründung, zum Thema Dschungel wären Pferde nicht so recht passend, wird in diesem Jahr auf eine große Freiheit verzichtet. So bleiben die vier schwarzen Ponys, die Nachwuchstierlehrer Amadeo Folco jun. -  Adriana Folcos Sohn - gekonnt vorführt, die einzigen Pferde im Programm. An ihrer Stelle gibt es erstmals seit neuen Jahren wieder Exoten im Circus Herman Renz. Michael Jarz ist der Vorführer des Exotentableaus vom Circus Fliegenpilz. Drei Zebras, zwei Watussi, vier Lamas und ein Kamel folgen einander in die Manege.
Die vier Tänzerinnen des Balletts, mit phantasievollen Kostümen ausgestattet, einige Male unterstützt von den Afrikanern, gestalten die Passagen zwischen den Nummern, stimmen auf die kommende Darbietung ein. So auch bei den Tuchstrapaten von Ashton Neves und Simona. Als Tarzan und Jane zeigen die beiden an den grünen Tüchern eine elegante begeisternde umfangreiche Kür. Mit einem Genickhangwirbel von Simona erreicht die Nummer ihren Höhepunkt. Das ausgezeichnete Lichtdesign und die stimmige Orchesterbegleitung, jazzige Arrangements von 'My Heart will go on' und 'Music' tun ein übriges dazu, dass Publikum zu verzaubern.

Den Höhepunkt der Vorstellung, gemessen an den Reaktionen der Zuschauer, bietet Karah Khavak jun. Die Manege wird üppig mit aufwändigst gestalteten Requisiten gefüllt, die die Schatzkammer einer Pyramide darstellen. Zur Musik und in der Aufmachung von „Indiana Jones“ erscheint Karah Khavak – Tommy Kocka -  und entzündet mehrere Feuerschalen. Selbst ein originalgetreues Motorrad wird in den Ablauf der Show integriert. Acht bis zehn Personen - Figuranten, Ballett, Helfer – sind an diesem auftritt beteiligt, gestalten die aufwändige Rahmenhandlung der Show. Mit sehr hohem Aufwand, mit sehr hohem Schau- und Unterhaltungswert wird eine wirklich umfassende Kollektion an Reptilien präsentiert. Würgeschlangen in großer Zahl und unterschiedlichsten Größen bis hin zur mehrere Meter langen Boa bevölkern die Manege. Karah Khavaks Partnerin Sheena legt sich in eine Plexiglaswanne, lässt sich mit giftigen Korallenschlangen und Vipern bedecken. Als besonderen Kick werden zwei Skorpione hinzugefügt. Kaiman, Alligatoren unterschiedlicher Größe, Waran und Leguane sind weitere Tiere, die in der Manege präsentiert werden. Eine Vogelspinne krabbelt über Hände und Gesicht des Artisten und abschließend können wir eine grüne Mamba in seinen Händen bestaunen.

War der erste Programmteil mitreißend, schwungvoll und höchst abwechslungsreich gestaltet, fällt der zweite dagegen ein wenig ab.
Das Flugtrapez der 'Flying Neves' wurde gegenüber dem Vorjahr, seinerzeit im Piratenlook, in der Optik an das neue Motto der angepasst. Die Pirouetten und Salti, bis hin zum Dreifachen, werden elegant und sicher ausgeführt, gelingen allesamt im ersten Versuch.

Als eigenständige Nummer bringen die Kenia-Boys eine Feuer- und Limboshow in ihrem zweiten Auftritt. Anders als die erste Darbietung wirkt diese eher etwas bemüht.
Der Auftritt von Elefantendame Baby ist die einzige Darbietung mit tierischer Beteiligung im zweiten Teil. Mit viel Glitzerspray  aufgehübscht, passt sie zum eleganten weißen Frack und aufwändigem Federkopfputz ihrer Vorführerin Adriana Folco.

Ein zweites Mal sehen wir Tamara. An einem doppelten Schwungseil erfolgt ein längerer Auftritt, da in der Zwischenzeit eine Wasserorgel montiert wird. Tricktechnisch wirkt die Nummer unausgereift und der Sinn des doppelten Seils erschließt sich einem nicht.
Auf der Plattform über den Fontänen demonstriert das Duo Serjo seine Kraft und Körperbeherrschung. Seit vergangenen Jahr mit einem neuen Partner zelebrieren die beiden Artisten ihre Handstandkünste, wobei die kleine Spielfläche ihre Bewegungsmöglichkeiten ein wenig einschränkt.
Die illuminierten Fontänen, hier zu passender modernerer Musik an Stelle der sonst üblichen Walzerklänge, leiten zum Finale über. Das Ballett trägt aufwändige von Inkafolklore inspirierte, 'Dschungel' ist kein auf Afrika beschränktes Thema, Kostüme, formiert sich in der Manege und die Artisten nehmen ihre Aufstellung und Rob Ronday bedankt sich für den Besuch und verabschiedet sein Publikum.

Das diesjährige Motto „Dschungel“ wird sehr schön umgesetzt und ein wirklich interessantes, abwechslungsreiches und unterhaltsames Programm geboten. Licht und Musik sind beispielhaft und liegen deutlich über dem vielerorts üblichen Niveau. Leider gelingt es nicht ganz, den hohen Spannungsbogen des ersten Teils bis zum Ende zu halten. Dennoch ist das Gebotene mehr als zufriedenstellend und der geneigte Circusfreund sollte einen Besuch dieses Unternehmens keinesfalls versäumen.

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