Text und Fotos: Friedrich Klawiter
WINTERCIRCUS Martin HANSON
Kerkrade, 16. Januar 2010

www.wintercircus.nl
Circus im Theater – dieses bewährte Konzept des Wintercircus von Martin Hanson hat auch in dieser Spielzeit, man reist von Ende November bis Ende Januar durch die Theater und Stadthallen der Niederlande, Bestand. Ein Sattelauflieger für die komplette Ausstattung des Circus und ein paar Dutzend Campings auf dem Parkplatz hinter dem Theater sind alles, was von außen an Circus erinnert.
Im Theaterfoyer befindet sich ein Souvenirstand des Circus und ein großes, handgeschriebenes Plakat. Es informiert darüber, dass die 'Circusgrippe' ausgebrochen sei und auf Grund von Erkrankung mehrerer Artisten einige Nummern ausfallen müssen. Man sei jedoch bemüht dies entsprechend zu kompensieren. So rätseln wir denn während des Einlasses, was uns nun wohl geboten werden wird. In aufwändigen phantasievollen Kostümen gestalten 'François & Wauzz' als „Gastgeber“ den Einlass und übernehmen die Begrüßung persönlich.

Ein neues Orchester, komplett mit holländischen Musikern besetzt unter der Leitung von Vincent van Lent und Robbert Koekoek, hat auf dem Podium Platz genommen, da der vorherige Orchesterleiter Goty Teuteberg nach dreißig Jahren in den Ruhestand trat. So wurde denn auch gleich der Sound ein wenig modernisiert, ein wenig flotter, teils rockiger. In diesem Circus werden schon immer ausnahmslos alle Nummern live begleitet. Für Artisten, die keine eigenen Noten mitbringen, werden eigens passende Arrangements geschrieben.

Zum Opening stimmt Weißclown Francesco ein Solo auf dem Saxophon an. Acht Artisten  jonglieren derweil mit Keulen. Nach wenigen Sekunden wird dieses stimmungsvolle Bild gestört. Mit Jofri & Kladza als Anführer zieht eine weitere Artistengruppe durch den Zuschauerraum. Der laute harte Sound ihres 'Ghettoblusters' lässt das Orchester schnell verstummen. Der Disput zwischen den jeweiligen Truppenchefs mündet in ein 'abladen – aufladen' Entree. Nun erscheint Direktorin Arlette Hanson auf der Szene und klärt die Fronten. Die 'Störer' seien der 'Ersatz' für die „ausgefallenen erkrankten Artisten“.
Seit einiger Zeit werden die Programme bei Martin Hanson in eine kleine Geschichte eingebettet. Dieses Mal beginnt sie, sehr glaubhaft und gelungen gestaltet bereits im Foyer des Hauses. Der Wettstreit, wer wann auftreten darf und wer „die bessere Truppe“ ist – die etwas feinere Crew mit Francesco an der Spitze oder die Underdogs mit Jofri & Kladza - zieht sich durch das ganze Programm. Er gipfelt in den Entrees, in denen Francesco als eleganter Magier seine Überlegenheit der Gegenseite demonstriert.

Nach diesem Auftakt sind Natalie und Ivan Chen mit einem Pas de Deux zu sehen. Der Bühnenraum mit der Manege ist deutlich begrenzter als in einem Chapiteau und die beiden schönen französischen Boulonais-Kaltblüter wirken noch gewaltiger. In der engen Manege auf dem keinesfalls idealen Untergrund - auf dem Parkett der Bühne liegen Gummimatten darauf Sägespäne -  können die großen Pferde nur langsam ihre Runden gehen. Ruhig und sicher präsentieren die beiden Artisten ihre ansprechende Trickfolge.
Eine temporeiche Gruppenjonglage wird jugendlich frisch von den Geschwistern Vinicki-Smaha präsentiert. Mit Keulen werden im raschen Wechsel zahlreiche Soloroutinen und Passings gezeigt. Im weiteren Programmverlauf sehen wir Zuzana mit einer Hula Hoop Darbietung wieder.

Wie uns Arlette Hanson sagte, arbeitet der ukrainische Klischnigger Taras Nadtochiy hier erstmals in einem Circus. Er steckt komplett, auch mit dem Kopf, in einem eng anliegenden glitzernden Kostüm und bietet eine faszinierende Show. Tänzerisch, in Breakdance-Manier gestaltet, präsentiert er schwierigste Posen und Tricks in einem atemberaubenden, sonst nicht zu sehenden Tempo mit spielerischer Leichtigkeit.

Immer wieder wird das Thema „ausgefallene Artisten und rivalisierende Truppen“ aufgegriffen. Programmheft-Verkäuferin Maria  möchte aushelfen, bzw. sieht ihre Chance auch einmal in der Manege zu stehen. Endlich gelingt es ihr, ihre „Hohe Schule“ auf einem Kostümpferd zu reiten. Bei Francescos Zaubereien bekommt  nur Kladza das Wasser aus dem Zylinder über.
Sehr poetisch und wenig spannungsgeladen wird die 'Hand-auf-Hand' Darbietung von Zhang Zhao & Cao Junpeng präsentiert. Ihre im üblichen Rahmen angesiedelte Trickfolge wird routiniert gearbeitet. Nur wünscht man dem 'Untermann'  einen etwas kräftigeren Körperbau.

Trixie und Roy Quaiser waren schon verschiedentlich mit ihren Ponys in diesem Circus zu Gast. An unserem Besuchstag musste eine der beiden Ponynummern ausfallen und die andere lief nur mit fünf Tieren. Nein – nicht wegen der 'Circusgrippe', sondern weil eine Stute in der Nacht ein Fohlen bekommen hatte.

Nachdem ein Pärchen, sie kommen aus den beiden verschiedenen Truppen, versucht hat miteinander in Kontakt zu kommen, gibt es massiven handgreiflichen „Streit“, den die Direktion nur durch verkünden der Pause beenden kann. Nach zwanzig Minuten haben sich die Gemüter beruhigt und mit einem Charivari und Zaubereien – Francesco zeigt sein Können und Jofri & Kladza sind mal wieder die Looser – geht es weiter.
Die sechs Mitglieder der 'Longcheng Acrobatic Troupe Puyang' produzieren sich als Reifenspringer. Vielfältige Varianten werden in flottem Ablauf präsentiert.

Akrobatische Dressur – so wird Alexandra annonciert. Im Zusammenspiel mit ihrem Hund zeigt sie eine spielerisch wirkende Darbietung.
„Der Wunschautomat“ lautet der Titel des Entrees von Francesco, Jofri & Kladza. Ein wenig langatmig zieht sich ihr Spiel, bis der Weißclown den Hauptpreis und seine Gegenspieler die Niete gezogen haben.

Eine neue Idee verwirklicht Maria Kapitanskaya mit ihrer Kombination von Hundedressur und Quick Change. Während sie zwischen den Dressurtricks die Kostüme wechselt, werden unterdessen die Hunde – im jeweils farblich passenden Kostüm – ausgewechselt.
Mit Benno & Johannes sowie Egli & Konrad wurden zwei Paare Diabolojongleure verpflichtet, die jeweils zu verschiedenen Terminen zu sehen sind. Bei unserem Besuch begeisterten Benno & Johannes mit schwierigen ausgefallenen Partnertricks.


Untermalt von „Somewhere over the Rainbow“ darf nun das heimliche Pärchen ein Paar werden und als Duo Viro zeigen sie ihre Kür an den Strapatentüchern. Diese beinhaltet weniger weite Flüge, als vielmehr Tricks, wie sie ansonsten am Haltestuhl gearbeitet werden.
Ein weiteres Mal sehen wir in diesem an Jonglage-Nummern überreichen Programm eine solche Nummer. Die 'Longcheng Acrobatic Troupe Puyang' lässt eine fröhliche Gruppenjonglage mit Strohhüten folgen. Auch einige akrobatische Tricks sind in den Ablauf eingebunden.

Im Finale kommt es selbstverständlich zur Verbrüderung der beiden 'Artistentruppen'. Die Artisten stellen sie gegenseitig namentlich vor. Im Konfettiregen nimmt man den redlich verdienten Schlussapplaus entgegen.

Ein insgesamt unterhaltsames Programm, dass etwas flotter präsentiert mehr Applaus bekommen hätte, stellt das Publikum zufrieden. Ein mitgehen erlebt man allerdings in diesem Rahmen nicht und mancher sehr gute Act hat es schwer das Publikum zu erreichen. Dies mag wohl in erster Linie an der circusuntypischen Raumaufteilung, die eine deutliche Distanz zur Manege schafft, liegen. Auch die überwiegend leicht kühle Atmosphäre – blaues Bühnenbild, überwiegend blaues und meist sehr dunkles Licht, komplett blaues Umfeld  – wirken eher dämpfend auf die Stimmung. Andererseits ist es auch nicht unbedingt das typische Circuspublikum, dass den Weg in dieses Theater fand.
optimiert