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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS FREIWALD
Hendrik-Ido-Ambacht, 02. 09. 2017

www.circusfreiwald.nl
In der neunten Saison ist die Familie Freiwald mit ihrem schmucken Circus nun auf Tournee in den Niederlanden. In Hendrik-Ido-Ambacht, die Wohngemeinde mit dem sperrigen Namen liegt in der Agglomeration von Rotterdam, hatte man in einer Grünanlage den idealen Standplatz gefunden und präsentierte sich von der Schokoladenseite.
Zwischen hohen Bäumen strahlen die blau-gelben Zeltanlagen im hellen Schein der Nachmittagssonne und kontrastieren, sich in der kräuselnden Oberfläche eines kleinen Sees widerspiegelnd, wunderbar mit dem sattgrünen Rasen des Geländes. Ein weißer Zierzaun mit roten Plaketten bildet die einladende Front. Lichterbögen und Lichterketten an den Mastabseglungen verbreiten in der Dunkelheit eine romantische Atmosphäre. Der Verkaufswagen der Circusrestauration, der auch die Circuskasse beherbergt, hat seinen Platz vor dem Chapiteau. Hinter dem Spielzelt ist eine umfangreiche Stallanlage mit weitläufigen Paddocks für die Circustiere eingerichtet. Die Reihe der Wohnwagen komplettiert das Arrangement. Die schweren Materialtransporter und Zugmaschinen sind auf einem nahegelegenen, befestigten Parkplatz aufgefahren.
Das im Innern blaue, mit unzähligen weißen Sternen verzierte, Zelt empfängt die Besucher mit einer sehr dichten, warmen Atmosphäre. Raffinierte Beleuchtung und viel roter Samt sind die Mittel, die hierzu Verwendung finden. Treppengeländer, der obere Gradinabschluss und die Masten  sind mit dem Samt verkleidet und die Logenstühle tragen Samthussen. Die Logenkästen sind in rot und weiß lackiert. Der große Artisteneingang beherrscht den hinteren Zeltbereich und ist ebenfalls aus rotem Samt gefertigt.
Die umfangreiche und mit vielen Kugelköpfen ausgestattete Lichtanlage ist an den Masten und Traversen zwischen diesen montiert. Eine leistungsstarke Tonanlage ergänzt das technische Equipment.

Natascha Freiwald tritt als sympathische und sehr versierte Manegensprecher in Erscheinung. Charmant stellt sie ihre auftretenden Familienmitglieder vor und versorgt das Publikum souverän mit allen Informationen. Nach der Begrüßung des Publikums gibt sie die Manege frei und die Show beginnt mit einer doppelten Hohen Schule.
Frau Direktor Monika und Jennifer Freiwald bieten auf zwei großrahmigen Hengsten eine umfassende Auswahl verschiedener Lektionen und Showeffekte, die mit großem reiterlichen Können in erstklassiger Manier geboten werden.
Gleich im Anschluss präsentiert Monika Freiwald sechs Shetland-Ponys in einer abwechslungsreichen Freiheitsdressur. Ausdrücklich wird darauf hin gewiesen, dass die jungen Pferde noch nicht die endgültige Manegenreife haben und der Auftritt phasenweise durchaus noch Proben Charakter haben könne. Dies sei für die Zuschauer eine hervorragende Gelegenheit, angesichts der unsachlichen und falschen Behauptungen von radikalen Tierrechtlern, sich ein eigenes Bild von der Art wie Tiere im Circus ausgebildet werden zu machen, lässt Natascha Freiwald in der Ansage die Besucher wissen. Die zahlreichen Lauffiguren werden zu größten Teilen gekonnt und ohne Hilfe von Bereitern ausgeführt, lediglich der abschließende Vorwärtssteiger erfordert noch Hilfen mittels Longen.
Zwei weitere Dressur-Darbietungen sehen gleichfalls die Chefin des Hauses im Mittelpunkt des Geschehens. In einem fröhlich gestalteten Auftritt bringt sie zwei Schweine, zwei Ziegen und eine laut schnatternde Gänseschar in die Manege. Vor der Pause präsentiert die versierte Tierlehrerin zwei mächtige Steppenkamele. Mit eleganten Schabracken geschmückt, bieten die Trampeltiere ein sicher vorgetragenes umfangreiches Repertoire Lauffiguren. Schließlich liegen sie an der Piste ab und werden von zwei Lamas übersprungen.

Clown „Chef Rie“, alias Juniorchef Jeffrey Freiwald, sorgt mit seinem facettenreichen Spiel für den notwendigen Frohsinn. Zunächst gilt es, einen von Sharon mittels einer Zwille abgefeuerten Stein im Mund zu fangen und auf einem Teller zu präsentieren. Beherzt und mit Spielfreude geht das Duo zu Werke und etliche Teller zu Bruch, ehe der Trick gelingt. Schabernack mit einem Gummiband steht im Mittelpunkt der folgenden Reprise.
Als stolzer Matador präsentiert Jeffrey Freiwald drei mächtige schwarze spanische Stiere. In hohem Tempo absolvieren die Tiere die unterschiedlichen Figuren und steigen auf Tonneaus. Im letzten und umfangreichsten Auftritt erleben wir „Chef Rie“ als impertinenten Kellner in der Restaurant-Szene, der seinem Gast – seiner Partnerin Geraldine Spindler – Einiges zumutet. Natürlich bekommen auch die Zuschauer ihr Fett weg und die Spaghetti fliegen tief.

Geraldine Spindler arbeitet zwei interessante Luftnummern. Zunächst sehen wir sie an den Strapaten. In weiten Flügen nutzt sie bei ihren vielfältigen und kraftvoll ausgeführten Tricks den gesamten Raum der Kuppel. Ein ungewöhnliches Requisit setzt die sympathische junge Frau in ihrer zweiten Darbietung ein und verleiht ihrem Auftritt damit einen ganz besonderen Touch. Ein überdimensionalen weißer aufgespannter Regenschirm schwebt hoch in der Kuppel, wobei das untere gebogene Ende des Griffs als Trapezstange dient. Die Trickfolge gleicht der an Solotrapez oder Luftring und kurze Strapaten, die am oberen Ende der Schirmstange angebracht sind, bieten der Artistin weitere Möglichkeiten.
Eine flotte Choreographie, unterlegt mit mitreißenden Rhythmen sind die Grundlage der Hula Hoop Darbietung von Jennifer und Geraldine. Temperamentvoll tanzen sie durch die Manege und wirbeln die Reifen in allerlei Varianten um ihre Körper.
Den Tanz auf dem gespannten Silberdraht zeigt Miss Jennifer in Vollendung. Vielseitige Schrittfolgen wechseln mit zahlreichen unterschiedlichen Balanceposen, die sicher und gekonnt ausgeführt werden, ab. Temperamentvoll präsentiert die charmante junge Frau ihr Können in Vollendung.

Zwei weitere Luftnummern komplettieren die abwechslungsreiche Spielfolge. Die zwölfjährige Sharon arbeitet mit großem Schwung erstklassig am Luftring. In weiten Flügen den gesamten Raum der Kuppel nutzend, zeigt der Teenager eine große Anzahl der relevanten Tricks des Genres in krafvoller und eleganter Ausführung.
Als finalen Act erleben wir Jennifer mit einer anmutigen Kür im Netz. Das umfangreiche Trick-Repertoire wird in Perfektion dargeboten und auch diese Luftnummer zeichnet sich durch Tempo und weite Flüge in der Kuppel aus.
Im fröhlich gestalteten Finale fliegen Luftballons ins Publikum und Natascha Freiwald stellt die Mitwirkenden noch einmal vor. Frenetischer Beifall und sehr lange anhaltende Standing Ovations zeigen die Begeisterung des zahlreich erschienenen Publikums ob des Gebotenen. Überrascht stellt man fest, dass lediglich fünf Artisten und Tierlehrer diese interessante, abwechslungsreiche und unterhaltsame Show gestaltet haben. Die Familie Freiwald überzeugt mit Können, großem Einsatz, viel Liebe zum Beruf, bietet mit professionellem Auftreten sehenswerte traditionelle Circuskunst in einem ansprechenden zeitgemäßen Rahmen. Ein Circus, den zu besuchen jederzeit auch eine weitere Anfahrt lohnt.