Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
CIRQUE FRANCO-CANADIEN
Arlon, 17. August 2012


Am heißesten Wochenende des diesjährigen Sommers war der Cirque Franco-Canadien von Simon Dubois auf seiner jährlichen Rundreise durch die Wallonie in Arlon, nahe der luxemburgischen Grenze gelegen, eingetroffen. Der hiesige Circusplatz, die „Plaine de Manoeuvres“ - zu deutsch „Exerzierplatz“ -  ist eine große, von Bäumen gesäumte innerstädtische Wiese, direkt angrenzend an den Justizpalast.

Großzügig aufgebaut präsentierte sich der Circus Franco-Canadien in der glühenden Sommersonne. Ein neuer Fassaden- und Kassenwagen, der von großen Plakatwänden flankiert wird, empfängt die Besucher. Die zahlreichen Transporte des Circus sind entlang der Platzseiten und rund ums Chapiteau aufgefahren. Für Pferde, Ponys, Lamas, Esel und Rinder sind weitläufige Koppeln abgesteckt. In zwei geräumigen Wagen und Außenkäfigen haben die Raubtiere des Circus ihr Zuhause. Ein Sattelauflieger beherbergt sieben, darunter drei männliche, Löwen. Die vier jungen Tiger, deren Darbietung noch im Aufbau ist, sind in einem Anhänger untergebracht. Auf einen Zaun wird beim Cirque Franco-Canadien verzichtet, die Menagerie ist den gesamten Tag über frei zugänglich. So finden während des Tages sich zahlreiche Passanten und Anwohner, angelockt vom herzhaften Gebrüll der Löwen, auf dem Platz ein.
Die Werbung des Circus ist in der Stadt nicht zu übersehen. Dicht und zahlreich sind die auffälligen Plakate in den Straßen platziert und ein Lautsprecherwagen dreht zusätzlich seine Runden.
Das weiße Zwei-Masten-Chapiteau mit der hohen spitzen Kuppel und der markanten Silhouette, die von den sechs Quaderpools geformt wird, ist mit einem fünfreihigen, typisch französischen Holzbankgradin, ohne Rückenbretter, eingerichtet. Logen, Piste und der Verkaufsstand der Restauration, er steht im Eingangsbereich, sind in dunkelrot und gelb gestrichen. Der Artisteneingang wurde neu gestaltet. Dunkelblauer Stoff, am oberen Rand mit einem silbernen Faltenbehang verziert, trennt nun den hinteren Zeltbereich ab und bietet den auftretenden Artisten einen ruhigen kontrastreichen Hintergrund.

Der Gladiatorenmarsch erklingt und Direktor Simon Dubois begrüßt die Anwesenden. In seiner sympathischen ruhigen Art moderiert er als „Monsieur Loyal“ in angenehmer Weise die Vorstellung, agiert als Partner der Clowns und versteht es geschickt, die Leistungen der Artisten ins rechte Licht zu rücken.
Juniorchef Harry Dubois führt in einer trickreichen Darbietung einen Löwen und drei Löwinnen vor. Verschiedene Pyramiden gehören genauso zum Repertoire, wie Scheinangriff und die verschiedensten Sprünge. Löwenbar, Teppich und Balkenlauf sowie das gleichzeitige abliegen aller Tiere auf dem Balken sind Bestandteil der Nummer. Mit beeindruckenden Hochsitzern am Platz endet dieser Auftritt.
Spektakulär wird das Programm fortgesetzt. Über den Köpfen der vier Löwen präsentiert Miss Bettina ihre eindrucksvolle Kür am Ringtrapez völlig ungesichert hoch unter der Kuppel. Viele verschiedene, kraftvoll ausgeführte Tricks folgen in eleganter Weise rasch aufeinander. Mit einem Zehenhang krönt sie ihre Evolutionen.
Les Freres Alvarez sind in einer variantenreichen Jongleurdarbietung zu sehen. Bälle, Ringe und Keulen sind die Utensilien, die in den verschiedensten Mustern jongliert werden. Die Trickfolge gestaltet sich abwechselnd in Einzel- und Partneraktionen. Effektvoll werden zum Abschluss der Nummer hell lodernde Fackeln jongliert.
Kevin Dubois stellt in schwungvollem Ablauf den Friesen „Artos“ vor. Gekonnt folgen die Aktionen in raschem Wechsel aufeinander und gipfeln im Galopp über fünf Cavaletti.

Direktor Simon Dubois kündigt mit großer Attitüde die Clowns an – und schon stürmen „Les Cappuccino“ in den roten Ring. Leon und Serge, die sieben und vier Jahre alten Enkel des Direktors, spielen zusammen mit ihrem Großvater die hauseigene Variante des Entrees „das musizieren ist hier verboten“. Professionell und mit kindlichem Elan gehen die beiden kleinen Auguste zu Werke und dank der versierten Rhetorik von Simon Dubois wird der Auftritt erstklassig verkauft.
Nicky Dubois lässt zunächst ein Lama seine Figuren in der Manege ablaufen. Dann gesellen sich viele weitere Exoten – Lamas, Esel, Rinder – dazu und bieten ein großes buntes Bild.
Die „Voltola' s“, laut Ankündigung kamen sie direkt aus Quebec zum Cirque Franco-Canadien, brillieren mit einer rasanten Antipoden-Darbietung. Die beiden blonden Artistinnen und ihre dunkelhaarigen Assistentinnen verstehen es, sich charmant in Szene zu setzen und ihr Können ins rechte Licht zu rücken.Geschickt lassen sie verschiedene Walzen, Fahnen und Gymnastikbälle auf ihren Füssen rotieren. Mit effektvoll umhergewirbelten brennenden Walzen beenden sie ihre Nummer.
Nicky Dubois bietet den akrobatischen Höhepunkt des Programms. Auf einem hohen Piedestal demonstriert er eindrucksvoll Kraft und Balancegefühl in einer Equilibristik-Darbietung. Langsam und in erstklassiger Haltung ausgeführte Handstände werden auf verschiedenen Stuhlformationen geboten. Im Verlauf der Nummer zeigt der kleine Serge mit einem blitzsauber und völlig alleine ausgeführten Stand auf Händen und Kopf, dass er einmal ein großer Akrobat werden wird. Für feuchte Hände im Gradin sorgt Kevin mit seinen Evolutionen auf einem leicht schwankenden Turm aus fünf Stühlen, den er auf dem Piedestal errichtet.
Die große Tombola zu Gunsten der Circustiere erfordert den ganzen rhetorischen Einsatz des Direktors. Wortgewaltig informiert er die Anwesenden über die Vielzahl der mitgeführten Tiere und deren täglichen Futterbedarf. Zudem gelte es schnell seine Tierliebe zu beweisen, da nur für wenige Minuten die Gelegenheit gegeben sei, einen der Preise gewinnen zu können. Nachdem diesem Angebot reichlich zugesprochen wurde, folgt „eine Pause von nur vier Minuten“, in der ein Jeder sich mit Erfrischungen an der Restauration eindecken kann.

Zu Beginn des zweiten Programmteils sehen wir Miss Bettina ein weiteres mal, nun am Vertikalseil. Viele wesentlichen Tricks des Genres werden in permanentem schnellen Wirbel in ansprechender Weise geboten.
Die Cavallerie des Cirque Franco-Canadien unter der eleganten Peitschenführung des Duo Dubois beschließt die Dressurvorführungen des Programms. Die beiden temperamentvollen Pinto-Schecken „Portos“ und „Aramis“ absolvieren routiniert ihr Repertoire.
Clown Mariachi empfindet seinen Begrüßungsapplaus als nicht angemessen und so entspinnt sich ein Disput mit dem „Monsieur Loyal“ und unter Beteiligung des Publikums muss der Applaus einige Male wiederholt und verstärkt werden.
Die kleine, sechsjährige Joel tanzt sich mit wildem Hüftschwung in die Herzen der Zuschauer. Gekonnt präsentiert das kleine Mädchen eine umfangreiche Hula Hoop Show.
Den spektakulären Schlusspunkt des Programms setzt das Duo Delbosque in und auf dem amerikanischen Todesrad. Das große Requisit lässt dem Artisten gerade noch den Platz, einen Handstand auf der Außenbahn, bis zwischen die Kuppelstreben, auszuführen.
Natürlich gehören Tricks wie Blindlauf und Seil springen gleichfalls zum Gezeigten.
Mit einem stimmungsvollen Finale findet dieses unterhaltsame, klassische Programm eines großen Familiencircus seinen gelungenen Abschluss. Lange werden die Mitwirkenden vom lebhaften Beifall des Publikums in der Manege gehalten. Direktor Simon Dubois verabschiedet wortreich sein Publikum und weist bereits heute auf das nächstjährige Gastspiel mit einem weitgehend neuen Programm hin.

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