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Text und Fotos Friedrich Klawiter
FLICFLAC
Köln, 13. Juni 2015


http://flicflac.de/
Der mobile FlicFlac-“Knast“ machte in Köln Station und präsentierte seine „Höchststrafe“ in der Metropole am Rhein. Auf Provokation setzte Benno Kastein in der Werbung seines Circus immer wieder und heuer wurde eine neue Ideen umgesetzt. Mit Nachbildungen der RAF-Steckbriefe fahndet der Circus nun nach „dringend gesuchten Artisten“.
Die markanten gelb-schwarzen Zeltanlagen waren erstmals auf einem neuen Gelände, direkt neben den Hallen der Kölner Messe aufgebaut, da der Platz an der Gummersbacher Straße nicht mehr zur Verfügung steht. Ein hoher Metallzaun, dessen Felder mit großformatigen Abbildungen ehemaliger FlicFlac-Darbietungen gestaltet sind, umgibt den gesamten Circusplatz. Lediglich der große schwarze Kassenauflieger und ein Zeltkiosk mit anschließendem kleinem Biergarten sind vor dem Zaun platziert.
Das im Innern völlig schwarze Vorzelt beherbergt die verschiedenen Verkaufsstände der Restauration. Hinter einem raumhohen Vorhang, in den mehrere „Dixie-WC“ als Türen integriert sind, hat der bestens bekannte luxuriöse Toilettenwagen seinen Platz.
Im Zelt steht ein FlicFlac typisches sehr steil ansteigendes Gradin mit vierzehn Reihen Einzelstühlen für die Besucher bereit. Den Blick in den Hintergrund versperrt bis zum Programmbeginn eine zwischen den hinteren Masten gespannte raumhohe Stoffbahn. Das Dekor des Bühnenbodens bildet einen von Rissen durchzogenen Betonboden nach. Die Lichtanlage bleibt im Bereich Circus einzigartig. Eine große ringförmige, in der Höhe verfahrbare Metallkonstruktion mit beweglichen Auslegern trägt eine große Zahl hochmoderner Beleuchtungskörper. Ihre Strahlengänge leuchten in den verschiedensten Farben und bilden Muster auf der Bühne.
Musikalisch setzt man in der Show überwiegend auf einen rockigen Sound. Zu weiten Teilen wird die Show live von einer Band unter Sam Beck und der Sängerin Caro Kunde begleitet.
Passend zum Thema  des in einer „Gefängnis“-Umgebung angesiedelten Programms „Höchststrafe“ sind Einlasspersonal, bzw. Requisiteure als Wachmannschaften ausstaffiert und die Artisten treten einheitlich in „Anstaltskleidung“ auf.

Fahles Licht liegt über der Bühne und die Gruppe der „Gefangenen“ ist beim Hofgang versammelt. Mit den verschiedensten Aktivitäten vertreibt man sich einzeln oder in Grüppchen die Zeit bis das Signal ertönt und die „Aufseher“ alle zurück in den Bau treiben.
Nur die vier Mitglieder der Truppe Expendables bleiben zurück und begeistern mit Handvoltigen das Publikum. Elegant gesprungene Saltos und kraftvoll Handstandfiguren erfolgen sicher und gekonnt. Die Trickfolge ähnelt stark der anderer ukrainischer Truppen.
Nun fällt der schwarze Stoff im Hintergrund der Bühne und gibt den Blick frei auf den Zellentrakt eines Gefängnisses. Je vier Zellen mit voll vergitterter Front sind zu zwei hohen Türmen aufeinander gestapelt und die oberste Reihe ist mittels einer Brücke aus drei weiteren Zellen verbunden. Hier, im vierten Stock logieren die Mitglieder der Band und die Sängerin performt auf einem schmalen, den Zellen vorgelagerten Gang. Die anderen Räume werden je nach Verlauf der Show mehr oder weniger bevölkert.
Mit zwei schwungvollen Darbietung sind die Artisten um Truppenchef Pavel Apostol Horbacz zu erleben. Temperamentvoll ausgeführte Sprungvariationen werden auf dem Fasttrack geboten. Wenig später folgt der Auftritt an der Russischen Schaukel. Die erste Serie der hohen Flüge wird auf einem großen Kissen zum Stand gelandet, dann erfolgen die weiten Flüge in ein Netz, dass vor den vorderen Stuhlreihen gespannt ist.
Rasante Rollschuh-Artistik zeigt das Duo Dandino und Luciana. Die beiden argentinischen Artisten treten hier erstmals in einem europäischen Circus auf. In hohem Tempo und erstklassiger Ausführung reihen sich viele gängige Tricks des Genres an einander.

Wahre Lachsalven löst Steve Eleky in seinen beiden Auftritten aus. Zunächst präsentiert er als „der neue Gefangene, der seine Anstaltskleidung in Empfang nehmen soll“ im Schotten-Outfit seine Comedy-Jonglage. Im zweiten Teil, nun in den Knast integriert, folgt seine spezielle Magic-Show. Sein Markenzeichen - „Spaaaaß“ - lässt die Besucher vor Begeisterung kreischen. Seine scheinbare Ungeschicklichkeit beim jonglieren und als Magier der seine Tricks verrät, wird mit perfekt sitzenden Pointen präsentiert. Eleky kommt ohne Belästigung von Zuschauern aus und lässt auf seine Kosten lachen.
Hubertus Wawra - „ich bin der Arsch für die Umbaupausen“ - ist kein Unbekannter auf der FlicFlac-Bühne. Mit seinen Feuer- und Pyrotechnik-Spielereien passt er hervorragend in den Rahmen der Show. Mit ungehemmt fließendem, sächsisch eingefärbten Redeschwall kommentiert er seine Aktivitäten und unterhält bestens. Ein unglaublich dimensionierter Plateau-Schuh lässt normales gehen fast nicht zu, ersetzt beim Gitarre spielen jedoch perfekt den Hocker als Fußstütze. Mit einem monströsen Flammenwerfer - „der ist noch aus der Zone“ - hantiert der Comedian vor der Pause herum. Die rekrutierte blonde Assistentin soll für einen gezielten Feuerstoß die Zielscheibe halten, doch bevor es dazu kommt, entpuppt sich das Requisit als Tafel mit der die junge Frau im Stil eines Nummerngirls die Pause verkündet. In seinem dritten Auftritt entzündet der „Master of Hellfire“ den Sprühnebel aus einer Flasche „Ajax Allzweckreiniger“ und verblüfft anschließend die Zuschauer indem er die Flüssigkeit trinkt. Abschließend hantiert er mit „Dynamitstangen“ und selbstgebastelten „Rohrbomben“.

Nicolai Kuntz arbeitet seine Longen gesicherten Saltos, Pirouetten und Abfaller am Schwungtrapez. Seine temporeiche Diabolojonglage beinhaltet viele hochkarätige Tricks und wird gekonnt im zweiten Teil präsentiert.
Die Hand-auf-Hand Nummer des Duo Dima & Dima ist zu Beginn des zweiten Teils zu sehen. Vier brennende Benzinfässer auf der Bühne bilden den Rahmen zu dem Ablauf, der als Kampf zwischen zwei Häftlingen inszeniert ist.
Doch „Höchststrafe“ ist nicht nur die Show der harten Machos, die zu hämmernden Beats ihre Muskeln spielen lassen, darüber hinaus sind auch poetisch-träumerische Momente, so z. B. Bei Larissa Kasteins Pole Dance, vorhanden. Einer der „Häftlinge“ träumt von seiner Freundin, die von der versierten Artistin verkörpert wird. Zum französischen Chanson „Je suis malade“ erfolgen die starken Tricks an der Stange.
Tatjana Kastein arbeitet ihre Handstände auf der langsam rotierenden Drehbühne. Vier Männer geben dem Auftritt einen den Rahmen. Auf deren Händen und auf im Bühnenboden eingesteckten Handstäben werden die kraftvollen Handstände eindrucksvoll ausgeführt.

Laura Miller bezieht in ihre eindrucksvolle Luftdarbietung am Ringtrapez auch die Elemente Wasser und Feuer mit ein. Immer wieder senkt sich das Requisit aus der hohen Kuppel herab, taucht sie in ein voluminöses gläsernes Wasserbassin ein, um anschließend erneut ihre Tricks hoch in der Luft zu arbeiten. Ein Sprung aus einigen Metern in Höhe in die mit hell lodernden Flammen bedeckte Wasseroberfläche beendet den Auftritt effektvoll.
Das Duo Turkeyev bietet ungesichert leistungsstarke Partnerakrobatik an den Strapaten. In sehr großer Höhe werden die teils riskanten, kräftezehrenden Tricks, die auch den weiblichen Part als Porteur sehen, ungesichert gearbeitet. Die Anspannung im Gradin ist spürbar, wenn die Partnerin im freihändigen Spagat hoch in der Kuppel schwebt und plötzlich an einem Bein hängend in der Luft pendelt, nachdem sie sich mit einem Fuß aus der Strapatenschlaufe hat gleiten lassen.

Riskante, spektakuläre Stunts sind unverzichtbarer Bestandteil einer jeden FlicFlac-Show und so wird zum Höhepunkt des Ablaufs der riesige „Globe of Speed“ in Stellung gebracht. Beginnend mit drei und bald darauf mit fünf Fahrern werden die waghalsigen Manöver auf kreuzenden Bahnen ausgeführt. Unter den erstaunten Ausrufen von Zuschauern steigert sich die Zahl der Fahrer an diesem Abend auf acht.
Den besonderen Kick bieten anschließend die vier Truppenmitglieder der „MAD Flying Biker“. Mit ihren Motocross Maschinen fliegen sie hoch über die Motorradkugel durch die Kuppel des Chapiteau. Aus dem Vorzelt heraus geht es durch den Tunnel über eine steile Rampe, die nun an Stelle der mittleren Treppe durch den engen Aufgang ins Gradin ragt. Auf dem Treppenabsatz beginnt der Flug zwischen den Stuhlreihen und führt quer durchs Zelt bis zu der Zellenkulisse, in deren breiter Öffnung die Aufsprungrampe hochragt. In mehreren Durchgängen steigern die verwegenen Piloten den Schwierigkeitsgrad ihrer Tricks. Sie stellen die Füße auf dem Lenker ab, stellen die Maschine quer zur Flugrichtung, schweben die Maschine nur noch mit einer Hand oder Fuß an Lenker oder Tank berührend über dem Krad, fliegen gar die Maschine loslassend frei durch den Raum. Mit einem Backflip, einem Rückwärtssalto mit samt dem Motorrad, erreichen die tollkühnen Sprünge ihren Höhepunkt.
Zum kurzen Finale versammelt sich die gesamte Truppe auf der Bühne um den nach oben schwebenden Globe, erfährt per Ansage, dass die Haft nun vorbei und alle wieder „frei“ seien. Man klascht einander ab und nachdem sch Applaus, Jubel und Standing Ovations der zahlreichen Besucher gelegt haben, leert sich die Spielfläche rasch.
FlicFlac bleibt sich und seinem Stil auch im sechsundzwanzigsten Jahr seines Bestehens treu und den Machern ist es wiederum gelungen starke Akrobatik und außergewöhnliche Comedyacts zu einer stimmigen Show zu formen, die mit ihrem sich ständig steigernden Spannungsbogen in einem effektvolle Action bietenden Höhepunkt kumuliert.