Text und Fotos Friedrich Klawiter
Flic Flac

Dortmund, 10. März 2007

Es ist nicht nur ein neues Programm, dass die Besucher erwartet, es ist ein komplett neuer Circus der auf einem der Parkplätze an den Westfalenhallen aufgebaut ist. Wobei der Begriff Circus sich nur noch auf das Erscheinungsbild des Unternehmens beziehen kann. Flicflac ist kein Circus, jedenfalls nicht in dem Sinn, in dem wir diesen Begriff im allgemeinen gebrauchen. Besser spricht man wohl von einer “zeitgemäßen, spektakulären Akrobatik und Stunt Show”. Etwas Vergleichbares wird zur Zeit nicht geboten und Nachahmer sind wohl in nächster Zeit angesichts des enormen Aufwandes ebenfalls nicht in Sicht.

Ein riesiger Klotz ist das nagelneue 8-Masten-Chapiteau, dass in seinem Aussehen dem alten Zelt entspricht, einzig das es nun eine längliche Kuppel, die die Masten nicht überragt, trägt. Seit Jahren ist die Flicflac-Stadt einmal nicht von der mobilen Wand umgeben und somit perfekt zu betrachten. Ein großer, hoher 3-Master als Vorzelt komplettiert das Ensemble. In seinem Innern sind, Flicflac üblich, Kasse und Cafewagen untergebracht. Die linke Seite ist in voller Höhe komplett mit einem schwarzen Tuch abgetrennt. Die davor angeordneten Pixi-Toiletten lassen nach öffnen der jeweiligen Tür viele “Notdürftige” zurückschrecken. Fehlt diesen stillen Örtchen doch Sitzgelegenheit und Rückwand. Bei näherer Betrachtung entdeckt man dann, dass es hinter dem Horizont weitergeht - der  kaum zu beschreibende, unglaublich luxuriös mit Kunstleder, Chrom, Flachbildschirmen an jedem Platz und weiteren technischen Finessen bzw. Spielereien ausgestattete Auflieger kommt in Sicht. Ein Besuch dieser Örtlichkeit ist in jedem Fall Pflicht.

Im Chapiteau wird man von der seit Jahren gewohnten Umgebung der Flicflac-Restauration empfangen. Das Gradin ist umgebaut und entlang der beiden Längsseiten des Chapiteaus als gerade Tribünen errichtet. Die beiden halbkreisförmigen “Kurven” des Chapiteaus beinhalten das technische Equipment der Show und sind zusammen so groß wie ein ordentliches Chapiteau. Provisorisch wirkt noch der lange Weg auf die Sitzplätze der “Gegengeraden” entlang der Rundleinwand durch diese ungestalteten Bereiche voller Requisiten und Show-Vorbereitungen. Der Blick auf die Bühne wird während des Einlasses mit unmittelbar vor der ersten Gradinreihe angeordneten sehr hohen Vorhängen verwehrt.

Die Stoffbahnen teilen sich, die Scanner der ausgezeichneten Lichtanlage flammen auf und “Mein Herz brennt” von Rammstein dröhnt aus den Boxen. Ein schwerer Manitou Hubstapler fährt langsam auf die Szene, überquert die Bühne an seinem Ausleger ein raumfüllendes, brennendes Herz mit sich führend. In seinem Gefolge formieren sich die Artisten und meterhohe Feuersäulen schießen aus zahlreichen Schächten im Bühnenboden. Genauso spektakulär und unnachahmlich wie die Eröffnung gestaltet sich die gesamte Show mit ihrem immensen, ungewöhnlichen technischen Aufwand. Besteht ein Teil des Programms aus gängigen  Circusnummern, die nur flicflacmäßig inszeniert werden, sind die anderen umso spektakulärer.

Zu den eher konventionellen Auftritten zählt eine junge “schwangere” Artistin, die in und an einem grobmaschigen Netz ihre Luftnumer arbeitet, sie ersetzt die verletzte Salima Peippo.  Larissa Kastein, sie produziert ihre Handstandkür in und über einem mobilen Wasserbecken, ihre Schwester Tatjana zeigt Ihre Handstände in sehr großer Höhe im zweiten Teil, sind in diesem Zusammenhang ebenso zu nennen wie Vitali Jouravel. Im sexy aufbereiteten Taucheranzug hängt er an einem Wasserschlauch-Vertikalseil und bietet dem Publikum zahlreiche Abfaller. Auch Mehmed Mehmedov und Sezgin Ahmedov mit ihrem Hand auf Hand Akt sind hier zu nennen. Zwei meterhohe Portraitbilder von Gilles Antares zieren die Bühnenmitte und die Böhsen Onkelz intonieren “Nur die besten sterben jung” während der sehr introvertiert wirkende BMX-Artist Wolfgang Sauter seine Kreise zieht. Als zweiter Radartist ist Marc Giély mit seinem Trial-Bike vertreten. Seine guten Leistungen würden noch besser ankommen, nutzte er die Bühne gänzlich aus. Die Optik der Requisiten, die er erklimmt und überspringt, lässt ein wenig zu wünschen übrig. Sie sehen zu sehr nach umfunktionierten, ehemaligen Raubtierpodesten aus. So richtig spektakulär wird es bei Marcel Lemoines Autostunts. Seine 180 Grad Turns beanspruchen die Bühne in voller Breite. Ein Bobcat-Bagger, rosa lackiert und mit Bunny Outfit, erheitert tanzend das Publikum. Comedian Barto ist auch in dieser Produktion wieder für den Humor zuständig und zeigt in seinen beiden Auftritten seine, vom Vorjahr bekannte komische Akrobatik. Pausennummer ist das wahrlich riesige dreifache Riesenrad. In vollkommen neuer Präsentation ist es beeindruckender denn je. Zwei schwere Stapler rollen auf die Bühne, sie tragen die gewaltige Metallkonstruktion mit dem Rad auf ihren Gabeln. Schnell ist sie abgesetzt und abgesegelt und die meisten Zuschauer bekommen feuchte Hände angesichts des Gebotenen.

Der Hochseilapparat der Camadis ist zusammenklappbar auf dem Brückenauflieger eines Sattelzuges montiert und wird nur für die Dauer des Auftritts im Chapiteau platziert. Die Truppe umfasst nun acht Mitglieder. Die 7er-Pyramide gelang an diesem Abend nicht ganz, will sagen das Seil wurde zu sechst und etwas unsicher wirkend überquert. Rammsteins Song “Spring” gibt den passenden Rahmen. Michael Threin beherrscht sein schweres Motorrad perfekt und brilliert mit einer Vielzahl großartiger Tricks. Der Globe of Speed ist nun auf einen LKW montiert und mittlerweile ein Klassiker in den Flicflac Produktionen. Der Kanonenschuß wird hervorragend verkauft.
Die Kanone ist liebevoll im Stile Jules Vernes gestaltet und katapultiert Miroslav Toskov, er fliegt ohne Helm, locker über 40m weit über die gesamte Spielfläche. Während Tatjana Kasteins Handstandshow verwandelt sich etwa ein Drittel der Bühne in Windeseile in ein flaches Bassin. Hierin jongliert Ira Rizaeva mit Feuerbällen und -keulen. Flammen züngeln übers Wasser, wenn das Gas, dass den im Becken verlegten Leitungen entströmt, von der Artistin entzündet wird. Street of no Return ist die Auftritt dreier Motorradakrobaten betitelt. Ihre  gefährlichen Sprünge  füllen den Raum in voller Länge und Höhe. Zum Finale erscheinen alle Mitwirkenden in weißen Overalls und planschen und spielen ausgelassen im Bassin während aus der Kuppel heftiger Regen hernieder prasselt.
Auch wenn am dritten Spieltag die Show mit Sicherheit noch nicht perfekt ablief, lässt sich zusammenfassend festhalten, dass der Direktion ein großer Wurf gelungen ist. Programmakts, Musik und Licht bilden eine Symbiose wie sie nicht oft geboten wird.
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