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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE EUROPEEN
Port Camargue, 07. August 2015



Der Cirque Europeen von Roger Klissing tourt, wie die allermeisten französischen Circusse während der Ferienzeit in den Urlaubshochburgen. Port Camargue ist eine riesige, vor dreißig Jahren entstanden Appartement und Hafenanlage, in der rund viertausend Segel- und Motorjachten vor Anker liegen. Dieses künstlich geschaffene Wassersportler-Paradies schließt direkt an den alten Fischerort Le Grau du Roi an.
Die Familie Klissing hielt mehrere Plätze, man spielte immer zwei Tage am gleichen Ort, in der sich über einige Kilometer Länge erstreckenden Gemeinde. An den jeweiligen Circusplatz, eine kleine Grünfläche neben einem Campingplatz, Geschäftszeile oder zentralen Parkplatz, wurde nur das nötigste Material mitgenommen.
Eine mit Clownsköpfen, Steigerpferden und einem Elefantenkopf prächtig bemalte Fassade empfängt die Besucher. Dahinter erhebt sich der kleine, gelb und lila gestreifte Zweimaster, der hell in der Abendsonne glänzt. Ein Lkw, auf dem sich u. a. das Stromaggregat befindet, steht neben dem Zelt. Der Kleintransporter mit Lautsprecheranlage und einem Werbeanhänger sowie der flache offene Chapiteau-Anhänger und sind die einzigen Fahrzeuge am jeweiligen Platz. Die wenigen Circustiere verbringen den Tag in einem Gatter unter hohen Kiefernbäumen.
Die Wohnwagen der Familie verbleiben mit dem übrigen Material auf einem zentralen Platz, der über die nötige Infrastruktur verfügt.
Rund vierzig Minuten vor der Vorstellung wird die Musikanlage im Zelt installiert und das Gelände wird mit traditioneller Circusmusik, die Auswahl reicht von Granda bis La Cucaracha, beschallt. An einem improvisierten Desk neben der Fassade sind die Eintrittskarten zu erwerben.
Im Chapiteau ist ein dreireihiges Holzbankgradin zentral vor der Manege aufgebaut. Eine Reihe Kunststoffstühle davor dient als Logenplätze. Eine flache gelb und lila gestrichene Piste begrenzt die Manege und eine gelbe Plane mit lila Dekor bildet den Artisteneingang. Dieser wird auf einer Seite von der Circusrestauration flankiert.

Madame Lore Klissing übernimmt in charmanter Weise die Rolle der „Madame Loyal“, sie begrüßt das Publikum und führt im weiteren Verlauf redegewandt durch das Programm.
Als Erstes erleben wir Jessy Klissing auf dem Drahtseil. Dieses ist in etwa zwei Metern Höhe gespannt und die Abseglung reicht unter der Rondellleinwand hindurch. Sicher überquert der Artist die Strecke und läuft auch in einem Reifen. Ein Tuch wird aufgenommen und die Balance auf einem Knie quer zum Seil ist ein weiteres Element der Darbietung.
Wenig später präsentiert er das longengängige Pony „Princess“. Dieses trippelt munter ein paar Runden, steht auf einem Tonneau und verabschiedet sich mit rasanten Barrieresprüngen aus der Manege.
Kevin zeigt sein Können auf der Rola-Rola. Geschickt durchsteigt er auf dem labilen Untergrund erst einen und anschließend zwei Ringe zur gleichen Zeit. Auf dem hohen Tisch werden unter der Rola mehrere pyramidenförmige Hocker aufeinander gestapelt und damit der Rollweg bei der Balance immer weiter eingeschränkt. Freihändig steht Kevin auf einem Stuhl, der auf der Rola ausbalanciert wird. Schließlich baut er einen Turm mit drei Etagen auf der Rola und balanciert das Brett abschließend auf einem Basketball aus.

Mit zwei Auftritten ist Miss Christina im Programm vertreten. Zunächst ist sie mit einer temperamentvoll vorgetragenen Hula Hoop Darbietung präsent. Gekonnt und mit gutem Verkauf bietet die sympathische Artistin ihr Können dar, lässt in vielerlei Muster die Ringe um ihren Körper kreisen. Schließlich drehen sich fünfundzwanzig Reifen zur gleichen Zeit um ihre Hüften.
Im zweiten Programmteil erleben wir Christina am Ringtrapez. Kraftvoll und mit Charme erfolgen die verschiedenen Tricks unter der Kuppel. Gekonnt nimmt die Artistin die verschiedenen Halteposen ein und bezaubert ihr Publikum mit einem strahlenden Lächeln.
Lore Klissing präsentiert ihren Hund Jamie. Zur Beginn läuft er eine Runde über die Piste und nachdem ein Kind aufgestanden ist und Jamie streichelt, kommen auch alle anderen nach vorne und der Beginn der Nummer verzögert sich. Der Vierbeiner springt über Hürden, die in verschiedenen Formationen aufgebaut sind und durch Reifen. Er nutzt eine Rutschbahn und balanciert im Stil eines Seilläufers über zwei schmale, parallel angeordnete Leisten. Der Abschied aus der Manege gestaltet sich mit intensiven streicheln ähnlich wie der Beginn der Nummer.

Jessy Klissing begeistert die Besucher mit seiner Equilibristik auf Stühlen. Ruhig, im Adagio-Stil arbeitet er seine Handstände auf den lose aufeinandergestapelten Stühlen. Ohne Vorteil werden die Handstände auf der immer höher werdenden Pyramide sicher und in guter Ausführung gezeigt. Schließlich bilden vier Stühle auf einem Tisch eine hohe Konstruktion auf der der Artist beinahe in der Kuppel seine Evolutionen krönt.
Im vergangenen Jahr erreichte ein Lama namens „Serge“ einige Medienaufmerksamkeit in Frankreich und so wird nun auch in dieser Manege „Serge le Lama du Peru“ präsentiert. Das longengängige Andenkamel schreitet gelassen an der Piste entlang und beäugt neugierig das Publikum, als plötzlich das Licht im Zelt verlischt. Eine kraftvolle Stimme tut kund, dass ein kleines technisches Problem aufgetreten sei und wir in kürzester Zeit den Auftritt der Clowns erleben werden. Das Lama verlässt die Manege und das Publikum verharrt einige Minuten im Dreiviertel-Dunkel des Nicht-Licht-dichten Zeltes. Dann wird an einer Seite die Rundleinwand hochgebunden und die Scheinwerfer des Werbewagens strahlen ins Zeltinnere. Ein Schottisches Hochlandrind-Kalb darf in der Manege von den Kinder gestreichelt werden und so legt sich die aufkeimende Unruhe sofort. Bald darauf springt das Stromaggregat, nachdem einige Liter Diesel nachgefüllt wurden, kraftvoll wieder an und „Le Clown“ kommt zu seinem Auftritt. Im Stil des „musizieren verboten“ spielt er mit den Kindern Ball. Dieser wird nach jeder Runde von „Madame Loyal“ konfisziert und stets durch einen größeren ersetzt.
Auf ein Finale wird im Cirque Europeen verzichtet, stattdessen verabschiedet Madame Klissing ihr Publikum mit einem Gedicht a la „Solange tausend Sternlein stehen...“. Zufriedengestellt machen sich die Besucher auf den Nachhauseweg und rund eine Stunde später weist nichts mehr auf Circusgastspiel auf diesem Platz hin.