Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS Enzon ZAVATTA
Ranst, 31.Oktober 2010
Ja, geneigter regelmäßiger Leser dieser Seiten, einen weiteren aus der schier zahllosen Reihe der 'Cirque Zavatta' haben wir besucht. Der Namen 'Zavatta' - fast der einzige der „großen“ Namen, der in Lizenz geführt werden kann da die Familien Bouglione und Gruss diese Möglichkeit nicht mehr bieten - erfreut sich in Frankreich ungebrochener Beliebheit. So wird von der Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht.

Der Circus Enzon Zavatta wird von Samuel Prein betrieben und tourt seit geraumer Zeit durch Belgien. In Ranst, einer Gemeinde vor den Toren Antwerpens stand der Circus außerhalb des Ortes auf einer großen Wiese zwischen aufgelassenen Gewerbehallen und einer Reithalle. Extrem großzügig und weitläufig verteilt steht der Circus auf dem Gelände aufgebaut.
Immer wieder beeindruckend ist der optische Eindruck und Zustand des Materials französischer Circusse. Die Zufahrtsstraße zum Platz mündet genau vor dem aufwändigen Fassadenwagen. Üppige professionelle Airbrushmalereien, fein gestaltete Treppenaufgänge, ein elegant geschwungenes Kassenabteil - dieser Frontwagen ist ein echtes Highlight. Flankiert wird er von zwei Renault Magnum-Trucks, von denen einer ebenfalls per Airbrush verziert wurde.  Vor diesem Arrangement wurde eine Konstruktion aus Gitterrohrträgern platziert, daran hängen zahlreiche Scheinwerfer um die Fassade bei Dunkelheit ins rechte Licht zu rücken. Wie bei so vielen französischen Circussen ist rot die vorherrschende Farbe. Fahrzeuge und Zelte sind einheitlich in rot mit blauen Applikationen, bzw. Beschriftung gehalten. Das Chapiteau, ein Viermaster von etwa achtundzwanzig Metern Durchmesser, trägt zwei kleine runde Kuppeln. Einige Pferde, Ponys, Lamas und ein Kamel bevölkern die Stallungen. Den sechs Tigern der Familie Koritnigg steht außer ihrem Wagen ein Außengehege zur Verfügung.


Die Preisgestaltung (Loge € 22,-, Gradin € 17,-) ist nicht gerade ein Sonderangebot und kennt keinen Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern, es sei denn man hat eine Ermässigungskarte die für Kinder zwei Euro Nachlass auslobt. Das Innere des Chapiteaus zeigt sich extrem schlicht. Eine einfache zweigeteilte rote Plane bildet den Artisteneingang. Sie steht in der Mitte immer etwas offen, so dass man jederzeit die weiteren Vorbereitungen mit verfolgen kann. Hinter den schmucklosen Logenbrüstungen sind zwei bis drei Reihen Stühle angeordnet. Nur zentral vor der Manege gibt es eine einfache vierreihige Tribüne, deren Sitz- und Bodenbretter sich sehr nachgiebig zeigen. Ein seitlich stehender Tisch trägt das Warenangebot der Restauration, die während der ganzen Veranstaltung zur Verfügung steht. Ansonsten herrscht in weiten Teilen des Chapiteaus Leere.
An drei Gitterrohrtraversen und den vorderen Masten sind insgesamt beeindruckende einundsechzig Scheinwerfer angebracht, die jedoch bei weitem nicht alle zum Einsatz kommen.
Aus dem Off heißt der Manegensprecher das Publikum willkommen und mit einem Trompetensolo von Clown Pipo im Raubtierkäfig startet die Vorstellung.
Dompteur Raphael Markus (Koritnigg) lässt drei seiner Tiger ihr Können demonstrieren. Pyramide, Balkonlauf, Sprünge, Teppich und Hochsitzer gehören zum Repertoire, dass flott und sicher vorgetragen wird. Da die Familie ausschließlich französisch spricht, ist Markus Koritnig hier im flämischsprachigen Landesteil auch als Manegensprecher tätig.

Jongleur Enrique, einer der beiden Söhne von Samuel Prein, arbeitet mit Assistenz seiner Partnerin eine umfangreiche Nummer. Kleine Bälle, Keulen und Ringe werden ausdauernd und vollkommen fehlerfrei jongliert. Abschließend demonstriert er sein Können mit lichterloh brennenden Fackeln.
Der Direktor selbst stellt im ersten Programmteil einen Friesen, der einige Figuren um vier Plastik-Leitkegel läuft, in einer Einzelfreiheit vor. Im zweiten Teil dürfen drei Ponys unter seiner Anleitung ihre Runden um die Manege drehen. Der zweite Sohn des Hauses, Kevin, führt als Schlussnummer die Exoten vor. Auf zwei Esel folgt ein einzelnes Kamel. Die hauseigenen Dressuren zeigen sich allesamt recht ideenlos und lassen die Tiere in erster Linie einige Runden entlang der Piste laufen.

Nach jeder Nummer kommt Clown Pipo, Hugo Caveagna ist mit dieser Rolle betraut, zu einer Reprise. Es wird den Zuschauern sehr bewusst, dass es nicht genügt eine rote Nase aufzusetzen um ein Clown zu sein. Die ansehnlicheren Szenen sind eine Jonglage als Koch und eine „Motorradfahrt“ mit Zuschauerbeteiligung. Den Tiefpunkt markiert ein Fotoshooting. Er kommt um die Manege zur Tribüne, drückt - ohne eine Miene zu verziehen - nacheinander fast jedem der Besucher eine Plastikrose in die Hand um ihn alsdann mit seiner Digitalkamera mit Blitzlicht abzulichten. Nach Beendigung dieser Prozedur verlässt er ohne jede weitere Aktion den Zuschauerraum wieder. Der Sinn, bzw. der Gag dieser Reprise hat sich uns bis heute nicht erschlossen.

Für alle weiteren Nummern des Programms ist Juliana, die Partnerin von Markus Koritnigg, zuständig. Zu den Klängen von 'Allegria' werden die üblichen Tricks einer Taubenrevue gezeigt. Eine weitere Nummer wird als „Lama-Dressurschule“ angekündigt, woraufhin zwei longengängige Lamas ein paar Abläufe in der Manege zeigen. Am Ringtrapez verschwindet Miss Juliana leider in der relativen Dunkelheit der Kuppel, da kein einziger der wenigen eingeschalteten Scheinwerfer auch nur geringfügig nach oben gerichtet ist. Hinzu kommt, dass die Scheinwerfertraversen die Sicht auf die Artistin stark beeinträchtigen. Ihr vierter Auftritt bringt eine schwungvolle Hula Hoop Darbietung zu Gesicht.

Nach gut eineinhalb Stunden inklusive einer Pause hat man dieses Programm komplett erlebt. Genauso kontrastreich wie das Erscheinungsbild des Circus, äußerlich perfekt - im Chapiteau trist, kommt das Programm daher. Den interessanten Nummern der engagierten Artisten und des Jongleurs stehen die Clownerie und hauseigenen Tiere gegenüber. Das Gebotene kann insgesamt und angesichts der ernsthaft verlangten Eintrittspreise nicht überzeugen und so verwundert es auch nicht unbedingt, dass einige Logenbesucher nach der Pause ihre Plätze nicht mehr einnehmen. 
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