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Text und Fotos: Friedrich Klawiter
VARIETÈ DA CAPO
Darmstadt, 23. Dezember 2009

www.dacapo-variete.de
Im Laufe der Jahre ist das Da Capo Varieté von James -Jungeli- Sperlich zu einem Fixpunkt im kulturellen Angebot in Darmstadt geworden. Spielstätte war stets ein Chapiteau auf dem Karolinenplatz, doch dieses hat im Laufe der Zeit einige Metamorphosen erfahren. Der aktuelle Palast – es gibt keinen anderen Begriff diese Konstruktion annähernd richtig zu beschreiben – füllt den knappen Raum perfekt aus.

Den Angaben der Direktion zu Folge handelt es sich bei dem weiß/hellgrau gestreiften rechteckigen Zelt um den höchsten Zweimaster der Welt. Ein hoher, mit zahlreichen Leuchten versehener Gitterbogen krönt die wirklich sehr hohen Masten, die in der Zelttiefe  nach hinten versetzt außerhalb der Mitte stehen. So sind sie nicht im Zuschauerraum sondern am Rand der Bühne platziert. Umfangreiche kleine, festzeltähnliche Anbauten – teils mit festen Wänden – sind um das Chapiteau angeordnet. Die Abseglungen sind nicht an Ankern im Boden, sondern an gestylten, mit Ballast versehenen offenen Containern befestigt.

Säulenfront, Eingangsbereich und einiges mehr ist mit weißem Marmordekor aufwändig gespritzt. Überall sind unzählige Spiegelkugeln unterschiedlichster Größen und weiterer Zierrat angebracht. Zahlreiche Scheinwerfer beleuchten in wechselnden Farben das Arrangement und verzaubern die Anlage. Tritt man durch die Glastüren, in die Scheiben ist das Da Capo-Logo großflächig eingeätzt, hat man nicht mehr das Gefühl in einem „Zelt“ zu sein. Ein kleines Foyer mit Garderobe, ein fein dekorierter Gang und dann ist man im Bar/Lounge-Bereich angelangt. Roter dicker Teppichboden, mit rotem Stoff bespannte Decken und Wände, Ledersofas, gedeckte Tische – wenige Theater- oder Kasinofoyers wirken edler. Einzig die beiden Kartenkontrolleure wollen nicht so ganz in diesen edel und perfekt durchgestylten Rahmen passen. Nur gebrochen Deutsch sprechend und in schlichte schwarze T-Shirts gekleidet passen sie nicht in dieses Ambiente.

Die Optik setzt sich im riesig wirkenden Zuschauerraum konsequent fort. Die Tischgruppen sind in ansteigenden Reihen frontal zur Bühne angeordnet, werden von einem Balkon ringsum eingefasst. Bequeme mit edlem rotem Stoff bezogene Stühle, fein gedeckte Tische, rote Stoffverkleidungen an den Brüstungen dazwischen marmorartig gestaltete Elemente mit Leuchten. Die große hohe Bühne ist in eine 'feste Wand' mit genau passendem Dekor eingelassen. Zwischen den Masten hängt ein Gitterrohrträger, der einen Großteil der sehr üppigen Lichtanlage trägt. Die Zelthöhe ist derart enorm, dass das Hochseil ohne Probleme darunter Platz findet.

Der Dolby-Surround-Klang der Tonanlage ist perfekt und der Einsatz der Lichtanlage steht dem in nichts nach. Beste äußere Voraussetzungen also für eine perfekte Show. Diese trägt den Namen „Crazy“ und sieht Hubertus Wawra alias 'der Master of Hellfire', er stellt sich als „der Arsch für die Umbaupausen“ vor, als ersten vor das Publikum treten. Als Moderator und Komiker in Personalunion bringt er seine von Flicflac her bekannten, sowie  weitere Gags und Stunts auf die Bühne. Mit seinen Feuer-, Pyrotechnik- und Schleifhexen-Spielereien passt er super zum Motto der Show. Sein ungekünstelter Redeschwall, leicht sächsisch eingefärbt, lockert die Hochglanz-Sterilität der Show angenehm auf.
An der sehr sphärisch und nur wenig 'crazy' wirkenden Truppe Atlantis mit ihrer ausgefeilten, perfekt verpackten Akrobatik ist es, als Erste die Zuschauer erstaunen zu lassen. Hier arbeiten sie in blau/grünem Licht vor einem Vorhang auf den der Truppenname und unter Wasser aufsteigende Luftblasen projiziert werden.

Breiten Raum nehmen die Auftritte des erstklassigen Balletts ein. In immer wieder wechselnden Kostümen treten die sechs Tänzerinnen und zwei Tänzer nach jeder Nummer in Aktion. Sängerin Annick wird gleichfalls in die eine oder andere Szene eingebunden.

Jemile Gomari ist ein junger Jongleur der, in coolem Lederoutfit, bis zu fünf Fussbälle virtuos beherrscht. Als Könner in seinem Genre arbeitet er sicher und routiniert, ohne allerdings wirklich 'crazy' zu wirken.
Im Gegensatz dazu sind d' Holmikers die perfekte Umsetzung des Programmmottos. Als eine Art Gruselkabinett gestalten die Schweizer Teilzeit-Artisten ihre starke und perfekt getimmte Arbeit am Barren.

Auch der Klischnigger Sascha wirkt auf seine eigene Art 'crazy'. Mit einem Lächeln demonstriert er die extreme Beweglichkeit seines Körpers und verdeht seine Beine in die unmöglichsten Positionen bzw. Winkel. Seine Partnerin Aurelie hingegen wirkt eher poetisch verträumt mit ihrer Handstanddarbietung. Im Zusammenspiel mit einer weißen Taube, die sie umfliegt und auf ihren Körper Platz nimmt, demonstriert sie ihre Geschicklichkeit auf den Händen.
Eine der drei Luftnummern sieht Marco Noury im Mittelpunkt der Handlung. Während er seine Kraft, Eleganz und Können an den Strapaten demonstriert, versuchen unter ihm drei Ballettdamen seine Aufmerksamkeit zu erlangen. 'Crazy', dass er sich für keine von ihnen, sondern für einen der beiden Tänzer entscheidet.

Wagemutig – in diesem Sinn auch verrückt kann man die Arbeit von Fredy Nock und seinem Partner Mica bezeichnen. Nach dem Unfall von Fredy Nock versuchte sich sein Partner allein auf Seil und Todesrad. Auf diesem Requisit gelang es ihm hervorragend den Ausfall des aktiveren Partners zu kompensieren. Der zweite Kessel des Rades wurde mit einem Ausgleichsgewicht ausgestattet und Mica arbeitete die wesentlichen Tricks der Nummer.
Schwieriger gestaltete sich die Hochseilnummer. Diese beinhaltet normalerweise viele Partnertricks - überspringen, Zwei-Mann-Hoch, Bocksprung, usw. - die nun unmöglich wurden. So wurden neben Blindlauf und Seil springen die Balance auf einem Stuhl – longengesichert – vorgeführt.


Das Finale setzt Artisten und Ballett noch einmal groß in Szene. Da Capo bietet in einem einmaligen, nicht zu toppenden Rahmen eine perfekte, vielleicht schon ein wenig sterile,  Hochglanzshow. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb springt der Funke nicht so recht über, bleibt das Publikum recht verhalten in seinen Reaktionen. Liegt es nun an den hohen Eintrittspreisen, die nur eine bestimmte Besuchergruppe ansprechen, der riesigen – mitunter zu groß dimensionierten Bühne – die etliche Artisten  „klein“ wirken lässt, oder dem permanenten servieren von Speisen und Getränken und der damit verbundenen Störung und den nicht endenden Unterhaltungen an den Tischen?