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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE Claudio ZAVATTA
Verdun, 09. April 2011


Im Westen Lothringens liegt die Kleinstadt Verdun, deren Bekanntheit auf die Ereignisse des ersten Weltkrieges zurückgeht. Ein Freizeit-Gelände an einem kleinen See am Rande der Stadt bietet den für Circusgastspiele nötigen Raum.
Der Cirque Claudio Zavatta unter der Direktion von Jacky Prein ist ein Geschäft von respektabler Größe. Reiste man bisher ausschließlich im südlichen Teil Frankreichs, werden in diesem Jahr erstmals auch ein paar wenige Städte in Nord- und Ostfrankreich bespielt.

Die Werbung ist üppig, außer den üblichen Tafeln an Laternen sind zahlreiche, etwa zwei mal drei Meter messende, Plakatwände aufgestellt. Auch werden in Frankreich, anders als bei uns, immer noch viele Mauern großflächig mit Plakaten beklebt. Zusätzlich dreht ein Werbewagen mit entsprechender musikalischer Beschallung und Gastspielankündigung seine Runden durch die Stadt.
Im Gegensatz zur hierzulande gängigen Praxis werden Ermässigungsscheine nur in zwei mit dem Circus kooperierenden Supermarkt-Ketten ausgelegt. Diese Karten offerieren, wie vielfach von französischen Circussen praktiziert, einen freien Eintritt für eine Person wenn zwei weitere Karten der gleichen Kategorie voll bezahlt werden.


Auf dem Platz finden wir einen Circus mit umfangreichem, modernen Material vor. Weithin leuchtet das hohe rote Vier-Masten-Chapiteau von vierunddreißig Metern Durchmesser. Modern gestylt, wurde die Plane bis zu den Mastspitzen, höher als die langgestreckte Kuppel gezogen. Dezente weiße Applikationen geben dem Zeltbau Struktur.
Das auf zwei Masten ruhende Vordach und der Stall sind in gleicher Farbgebung und Optik gehalten.
Der Circus verfügt über ca. zwanzig Zugmaschinen der Marken Mercedes und MAN, sie befördern mit ihren Sattelaufliegern, denen jeweils noch ein oder auch zwei Anhänger angekuppelt werden, das Unternehmen  in einer einzigen Fahrt zur nächsten Gastspielstadt. Dieses in Frankreich übliche System macht die Circusse schneller und flexibler in ihren Reisen, als dies bei uns der Fall ist.  Denn das reisen ohne Ausfalltage ist normal und auch Distanzen von mehreren hundert Kilometern zwischen zwei Gastspielstädten sind üblich. Der einheitlich rote Fuhrpark trägt auf blauem Grund den Namenszug "Claudio Zavatta" in weißer Farbe.
Der Fassaden- und Durchgangswagen, bunt bemalt mit Circusmotiven, und dem integrierten Kassenschalter dominiert die Front. Ein sauber in rot und weiß gestrichener Zaun  wird von blauen Bögen überragt, die mit ihren zahlreichen Glühbirnen im Dunkeln für eine stimmungsvolle Illumination sorgen.
Die Menagerie des Circus Claudio Zavatta ist umfang- und artenreich. Pferde, Kamele und Exoten sind in Einzelboxen untergebracht, bzw. stehen ihnen geräumige Freigehege zur Verfügung. Die dreizehn erwachsenen Löwen, darunter der einzige weiße männliche Löwe in einem französischen Circus – "Bryan" – , sind in zwei großen Raubtierwagen beheimatet, denen ein großes Außengehege vorgebaut werden kann.

Im Chapiteau, es ist innen komplett dunkelblau und nur die Kuppel zeigt ein rot-weißes Dekor, fällt gleich der große und relativ aufwändig gestaltete Artisteneingang ins Auge. Logen und Piste sind schmucklos und komplett in rot ausgeführt. Es folgt eine weitere Reihe ebenerdig stehender Stühle. Dahinter nimmt ein achtreihiges Holzbank-Gradin ohne Rückenlehnen den weiteren Raum ein.
Die Beleuchtungsanlage setzt die Vorstellung in ein angenehmes Licht und wird von einem Verfolger ergänzt. Auf ein Orchester wird verzichtet.

Fünf junge Mitglieder der sechsten Generation Prein eröffnen im Zusammenspiel mit Clown Marco Mariani, wir kennen ihn von Engagements bei Pinder und Medrano, auf Trompeten und Saxophon musikalisch die Spielfolge.
Nach einer kurzen Begrüssung durch Sprechstallmeister Stefano Roncalli stellen Juniorchef Didier Prein und seine Partnerin Alida Gärtner die Cavallerie des Hauses vor. Alida Gärtner dirigiert drei Ponys durchs Rund, ihnen folgt ein erstklassig laufender Vierer-Zug, zwei Friesen und zwei Araber, unter der Peitschenführung von Didier Prein.

In seinem ersten Auftritt führt Clown Marco Mariani, zu Jahresbeginn war er noch als Monsieur Loyal im Cirque Medrano präsent, seinen imaginären Hund in der Manege aus. Nachdem der „Hund“ versorgt ist, zeigt sich der mitgeführte Koffer widerspenstig und lässt sich nicht mehr von der Stelle bewegen. Der darin befindliche Luftballon verhält sich genauso. Die Szene ist gut gestaltet und wird ambitioniert gespielt.
Kompakter fällt seine zweite Reprise im ersten Teil aus, in der er als „großer Zauberer“ im Zusammenspiel mit Monsieur Loyal in die Pause überleitet. Zusammen mit dem versierten, eleganten Sprecher Stefano Roncalli und dessen Frau Alexandra komplettiert er die Reihe der diesjährigen engagierten Artisten.

Kiara und Mandy Prein haben ihre Kür am selten zu sehenden doppelten Luftring romantisch verspielt gestaltet. In weiten Umhängen und Masken vor dem Gesicht treten sie ins Licht. Zu den Klängen von „Allegria“ wird das umfangreiche, von zahlreichen Posen geprägte Luftballett geboten. In einem zweiten, optisch vollkommen anders gestalteten Auftritt sind die beiden jungen Damen mit Hula Hoop zu sehen. Im glitzernden Disko-Look und zu ebensolcher Musik lassen sie, auf von unten mit Stroboskop-Licht erhellten Podesten stehend, die Reifen kreisen.
Nun folgen in einem zusammenhängenden Block, von wechselnden Vorführern präsentiert, die exotischen Tiere des Cirque Claudio Zavatta. Auf die drei Steppenkamele, die von Didier Prein zu ihren Lauffiguren angeleitet werden, folgt Timothee mit drei Eseln.
Zu Country-Musik fahren drei der Jüngsten aus der großen Familie mit einem Ponywagen in die Manege und lassen sechs Gänse paradieren und elegant über eine Rutsche gleiten.
Die große „Caravane Exotic“ sieht Eric, den Bruder von Didier Prein, als Vorführer. Nacheinander absolvieren zwei Lamas, ein Zebra, vier afrikanische Strauße und  zwei Dromedare einige Runden entlang der Piste. Abschließend folgen nochmals  zwei Zebras, die eine Barriere überspringen.
Mikel Prein präsentierte in Verdun erstmals seine Handstandequilibristik auf Stühlen vor Publikum. Die sogenannte „Flaschenstuhl“-Darbietung ist in unserem Nachbarland nicht so häufig zu sehen. Auf die Flaschen verzichtet der junge Mann und stapelt die Stühle gleich auf dem Piedestal in allen nur erdenklichen Formationen, dabei sicher und gekonnt zahllose Handstände ausführend.

Nach der Pause erleben wir das Highlight des Programms. Didier Prein betritt den in einem schlichten schwarzen Anzug den Zentralkäfig um die  hauseigene zehnköpfige Löwengruppe des Cirque Claudio Zavatta zu präsentieren. Drei männliche Löwen gefolgt von sieben Löwinnen betreten die Manege und nehmen ihre Plätze ein. In schneller Folge zeigen die Tiere nun Trick auf Trick. Mit dem wahrlich imposanten Bild, der am  Platz gegen den Käfig steigenden Raubkatzen, beginnt das Spektakel. Es folgt eine sehr schnell aufgebaute Pyramide aller Tiere in der Manegenmitte. Überhaupt wird die Nummer in flotter Gangart, garniert mit allerlei Fauchen, Pranken schlagen und kleinen Scheinangriffen vorgetragen. Verschiedene, weite Sprünge, zunächst von den Löwen dann von den Löwinnen über die Löwenbar folgen. Hochsitzer, Rollover und Teppich sind weitere Elemente der Vorführung. Mehrfaches changieren zweier Löwen und Sprünge von Löwinnen gegen eine Metallplatte hoch oben am Käfig gehören gleichsamt zum Repertoire. Noch einmal steigen alle am Platz am Käfig hoch, dann erfolgen abschließend verschiedene effektvolle Hochsitzer der Löwenherren. Nachdem die Gruppe den Käfig verlassen hat beschließt der weiße Löwe Bryan mit einem kurzen Intermezzo die fast zwanzig minütige Raubtiershow. Es ist eine hochprofessionell aufgebaute und zusammengestellte große Raubtier-Darbietung, die jedem Circusfestival gut zu Gesicht stehen würde. Leider bekommt man heute solch eine qualitativ und quantitativ hochwertige Raubtierdarbietung viel zu selten zu sehen. Didier Prein ist ein erstklassiger Dompteur, der seine Katzen perfekt und höchst publikumswirksam präsentiert. Größe der Gruppe, Trickfolge und Vorführstil machen diese Darbietung zu einem Juwel, dass zu präsentieren sich jeder Circus glücklich schätzen dürfte.
Marco Mariani überbrückt mit einem Applauswettbewerb den notwendigen Käfigabbau.

Alexandra Roncalli, Partnerin des Manegensprechers, produziert sich mit Schwerterbalancen. Sympathisch verkauft die junge Frau die üblichen Abläufe.
Eine zweite Luftnummer, gleichfalls am Ring, sieht Madame Sabrina, die Partnerin von Eric Prein, als Akteurin. Zu dem Whitney Houston Hit „The Power of Love“ zeigt sie ihre kraftvolle Arbeit im Adagio-Stil.
Mit den „Les Prein Junior“, einer sechsköpfigen Formation des Nachwuchses der Familie, erleben wir eine zweite Newcomer-Darbietung an diesem Tag. Es ist die dritte Vorstellung, in der sie ihre Rollschuhkünste präsentieren. Ein sehr breites Spektrum der geläufigen Tricks wird absolviert. Ein wenig fehlt es noch an Routine und dem jungen „Untermann“ fehlt in der ein oder anderen Situation noch ein wenig Kraft. Die kleinen Unzulänglichkeiten werden mehr als wettgemacht von der Spielfreude und dem Charme der Truppe und der Unbekümmertheit speziell der jüngsten Artisten/Innen der Truppe.
Das Clown-Entree wird, in klassischer Manier im französischen Circus, als Finalnummer geboten. Marco Mariani findet sechs freiwillige Mitspieler im Auditorium und mit ihrer Hilfe inszeniert er einen unterhaltsamen Boxkampf.
Ähnlich wie zu Programmbeginn eröffnen die fünf jungen Mitglieder der Familie mit ihren Instrumenten das Finale. Dieses verläuft nach den bekannten Mustern und nach rund zweieinhalb Stunden findet ein, speziell im zweiten Teil, sehenswertes Programm sein gelungenes Ende.
Der Cirque Claudio Zavatta ist ein mittelgroßes, gepflegtes Unternehmen mit einem abwechslungsreichen Programm und einem grandiosen Highlight der Raubtiershow. Wenn sich die Gelegenheit bietet, diesen überwiegend im Süden Frankreichs reisenden Circus zu besuchen, sollte man dies unbedingt wahrnehmen.