Text und Fotos Friedrich Klawiter
"CIRCUS des HORRORS"
Essen, den 06. April 2013


http://circusdeshorrors.de
Der "Circus des Horrors" - das neueste Projekt von Joachim und Roswitha Sperlich erlebte am 04. April in Essen seine Weltpremiere. Der Gastspielort, eine Industriebrache östlich der Innenstadt, bietet die ideale Kulisse für eine Horror-Show.
Die großen, in der Sonne strahlenden, schmucken rot-gelben Zeltanlagen der Familie Sperlich, die ansonsten zur Weihnachtszeit in Karlsruhe aufgebaut werden, bilden einen starken Kontrast zur grauen Umgebung. Die massive Umfriedung des Geländes ist mit Spannbändern, die mit Plakatmotiven des Circus bedruckt sind, dekoriert. Zwei Gräber vor den großen hölzernen Türen, die in die Gruselwelt führen, empfangen die Besucher.
Vorstellungen gibt der "Circus des Horrors" nur abends, am Wochenende kommt noch eine späte Show um 23:00 Uhr dazu. Schon eine Stunde vor Einlass formiert sich eine lange Schlange aus Grusel- und Gothic-Fans vor dem Zelt. Nachdem sich die Pforten geöffnet haben, erwartet ein „Labyrinth des Grauens“ die Besucher. Aus der dichten Dunkelheit des langen gewundenen  Ganges erschallen Schreie, Motorsägen heulen, gruselige Gestalten lauern den Besuchern auf und treiben ihr Unheil. Im Vorzelt angekommen, treten weitere Untote, Vampire und Zombies im fahlen Licht in Aktion. Spinnennetze, Skelette, riesige Spinnen und im Raum schwebende Fledermäuse schaffen ein Gruft-Ambiente. Entlang der Seiten des Zeltes sind die zahlreichen Holzbuden der Restauration aufgestellt und die Mitte des Raumes nimmt eine große runde Bar ein. Ein großer roter, mit goldenen Borden verzierter, Samtvorhang verschließt den Zugang zum  Tunnel, der gleichfalls mit Grusel-Deko ausstaffiert wurde. Im Chapiteau wurde das bekannte große, mit bequemen Einzelklappsitzen ausgestattete, Gradin aufgebaut. Die Logenkästen sind schweren Ketten gewichen, die an großen Holzkreuzen befestigt sind. Der große Artistengang aus rotem, mit Glitzersteinen  besetztem Stoff, nimmt den hinteren Bereich des Chapiteau ein.
Die erhöhte runde Bühne, in die Feuer- und Nebelmaschinen integriert sind, befindet sich an Stelle einer Manege im Zentrum des Zeltes. Eindrucksvoll ausgestattet zeigt sich die Lichtanlage - zwölf Moving-Heads hängen an zwei Traversen direkt unter der langen Zeltkuppel und weitere sind auf dem Bühnenrand platziert, zahlreiche Scheinwerfer an den Masten und Verfolger ergänzen das Equipement. Mit einem formidablen Lichtdesign wird die Show perfekt in Szene gesetzt und die auftretenden Artisten in idealer Weise unterstützt. Über dem Artisteneingang platzierte Laser sorgen für zusätzliche Effekte.

Im wabernden Nebel, untermalt von dumpf hämmernden Beats, ziehen zwei gehörnte Dämonen eine Kutsche auf die Bühne. Der mitfahrende Totengräber öffnet den transportierten Sarg und „Nosferatu“, Oliver Häberle haucht der Figur Leben ein, betritt die Szene. Sein „nächstes Opfer“ suchend, trifft er auf die blonde „Camilla“ - Monika Sperlich – die sich, bedrängt vom wild und ekstatisch tanzenden dreiköpfigen Ballett, immer heftiger auf einem Bett windet. Die Szene kulminiert in einem kurzen Moment der Dunkelheit und Camilla tritt ins Reich der Untoten über, auf dem Bett liegt nun eine dunkelhaarige Gestalt.
Aurélie Brua, sie hat den Platz auf dem Bett eingenommen, begeistert mit ihrer außergewöhnlichen Darbietung am Doppelmast. Die zierliche junge Frau arbeitet eine unglaubliche Anzahl kraftraubendster Tricks in exzellenter Ausführung. Scheinbar ohne Anstrengung hält sie lange die Positionen. Sie setzt während der gesamten umfangreichen Abfolge kein einziges Mal einen Fuß auf den Boden, sondern verharrt die gesamte Zeit am Requisit.
Olexandr Yenivatov  präsentiert gleich im Anschluss als „Sascha the Frog“ seine herausragende Klischnigg-Nummer. Im gewohnten Froschkostüm, nur sein Gesicht wurde  im Horror-Look geschminkt, und mit der fröhlichen Begleitmusik wirkt der Auftritt zunächst wenig horrormässig. Im Verlauf der Nummer kommt, ob der extremen Beweglichkeit des Artisten, das Gruseln dennoch über weite Teile der Zuschauer im vollbesetzten Chapiteau und entlädt sich in kollektivem stöhnen. Spätestens, wenn Sascha the Frog die Beine fast neunzig Grad hinter den Oberkörper streckt und dabei nur auf seinen Händen verharrt, ist die Anspannung im Gradin spürbar.
In einem zweiten Auftritt, zu dem der sympathische Artist als eines von Frankensteins Monstern gestylt wurde, präsentiert er auf außerordentlich eindrucksvolle Weise seine außergewöhnliche Beweglichkeit. Auf einem metallenen Drehgestell sitzend verdreht er Beine und Unterkörper um einhundertachtzig Grad nach hinten und verharrt lange in dieser Position. Schnelle Drehschwünge führen zu weit über diesem Punkt hinausgehenden Positionen und ermöglichen beinahe eine komplette Körperumdrehung.
Jongleur Rudolf Janecek demonstriert seine Geschicklichkeit zunächst mit fünf Fußbällen. Rasch wechselt er zum jonglieren mit Keulen über in hohem Tempo werden die unterschiedlichsten Muster routiniert dargeboten. Beginnend mit drei, steigert er sich über vier, fünf und sechs bis hin zu Routinen mit sieben Keulen. Auch das extrem schnelle drehen der Keulen wird beherrscht. Abschließend dreht Rudolf Janecek einen Salto während sich die drei jonglierten Keulen in der Luft befinden, um sie hernach sicher wieder zu fangen.

Haben wir bis zu diesem Moment normale Circus-Darbietungen in neuer Verpackung gesehen, fließt nun beim ersten Auftritt eines Artisten der norwegischen Freak-Companie „Pain Solution“ echtes Blut in der Horror-Manege und steigert somit noch einmal den Gruselfaktor.
Eine junge Frau im roten Cocktailkleid, den Schädel bis auf einen schmalen Kamm kahlgeschoren kommt langsam auf die Bühne. Das bleich geschminkte Antlitz wird von fünf, gut zehn Zentimeter langen, Nadeln, die in der Stirn stecken, eingerahmt. Vollkommen ruhig und gelassen agierend und auf jedwede Theatralik verzichtend, sticht sich die Künstlerin nacheinander ein weiteres halbes Dutzend dieser Nadeln durch den linken Unterarm und Handrücken. Der weiterte Verlauf des Auftritts gestaltet sich als blutige Angelegenheit. Der Arm wird mit einer Mullbinde umwickelt, die Nadeln entfernt und alsbald färbt sich der Verband blutrot. Eine nach der anderen Nadel zieht die Künstlerin aus der Stirn, die sofort einsetzende Blutung rinnt über die Augenhöhlen und spritzt auf den weißen Schutzumhang über dem Kleid. So wie sie die Nadeln aus der Stirn entfernt, durchsticht sie damit ihre Wangen, führt sie durch die Mundhöhle und lässt sie aus der anderen Wange wieder austreten. Mit der letzten Nadel wird die Haut vor dem Kehlkopf durchbohrt.
In einem weiteren Auftritt im zweiten Programmteil schwebt ein anderes Truppenmitglied, nur an seiner Haut aufgehangen, durch die Kuppel. Von einem Kollegen werden ihm zwei chromblitzende Fleischerhaken durch die Haut über den Schulterblättern gebohrt. Daran werden Schnüre, die in einer Art Kleiderbügel zusammenlaufen befestigt und mittels eines Flaschenzuges hievt man den Ausführenden empor. Alsbald schwingt der Künstler lange Minuten, nur an den Fleischerhaken hängend, weit durch den Raum. Zu guter Letzt klammert sich die „Nadelkünstlerin“ an den Schwebenden, so dass er ihr Gewicht zusätzlich zu tragen hat.

Clown Malefizius alias Oliver Häberle wird, ohne Zusammenhang mit dem weiteren Ablauf, in einem Rollstuhl auf die Bühne geschoben. Ein requirierter „Freiwilliger“ muss, mit Halsband und angelegter Leine, einen Hund mimen und wird nach Domina-Art „bestraft“. Dann folgen am Messerbrett die bekannten Aktionen.
Im zweiten Auftritt werden Logenbesucher zunächst mit „gebrauchten Tampons“ und einer Kakerlake traktiert. Er verkostet (künstlichen) Urin und lässt auch daran Logenbesucher teilhaben. Dies mag im Rahmen einer „Horror-Show“ durchaus angehen, dann allerdings werden alle Regeln des Geschmacks und normaler Umgangsformen mit Gästen aufgegeben. Einem „Freiwilligen“, dessen Hände und Kopf von einer Assistentin in einem Schandbock fixiert werden, greift der „Clown“ in den Schritt, minutenlang bemüht die Hose des Mannes zu öffnen („Halte still, sonst zerquetsche ich deine Eier“) und herunter zu ziehen. Mit einer riesigen Spritze möchte er aus des Opfers After „Blut saugen“. Nach quälend langen Minuten, das Publikum ist inzwischen still und versteinert, gelingt es dem sich heftig wehrenden Opfer endlich dem Treiben ein Ende zu bereiten.

Die Motorradartisten, die vom Vorzelt kommend über eine Rampe in der mittleren Loge zu weiten und riskanten Sprüngen über die Bühne hinweg ansetzen, um dann auf einer weiteren Rampe am Artisteneingang zu landen, konnten auf Grund einer am Vortag erlittenen Verletzung in der besuchten Vorstellung nicht auftreten.
Monika Sperlich präsentiert ihre bekannte attraktive Hula-Hoop Darbietung mit Unterstützung durch das Ballett nun in einem dem Rahmen der Show angepassten Style.
Ihr Bruder René zeigt seine Handstandkünste in zwei unterschiedlichen Auftritten direkt vor und nach der Pause. Zunächst zeigt er seine Flaschenstuhlnummer. Effektvoll beleuchtet, arbeitet er sich auf der Pyramide der edel wirkenden Acrylglas-Stühle in die Höhe und präsentiert sicher ausgeführte Handstände.
Nach der Pause folgt die Handstandequilibristik in ägyptischer Optik auf der Spitze einer Pyramide. Handstände und Waagen werden elegant gearbeitet, ein Klötzchensturz effektvoll verkauft und mit einer Waage auf einer hoch ausfahrbaren Stange endet der Auftritt.
Als Finalnummer wurde nun, nach dem Ausfall der Motorradartisten, das Todesrad von Maik und Siegfried Sperlich platziert. Mit phantastischer Ausleuchtung und Laser-Show perfekt, wie noch nie andernorts bei einem Todesrad gesehen, präsentiert, bieten die Cousins einen mitreißenden Auftritt. Temporeich werden Sprünge in den Kesseln, Seilspringen, doppelter Blindlauf auf der Außenbahn, Aufschwünge an einem Arm und weitere Tricks geboten. Die beiden cool agierenden Artisten begeistern die Zuschauer mit ihrem umfangreichen Repertoire und einer großen Show in perfekter Aufmachung.

Zum Finale erscheint „Camilla“ am Arm von Nosferatu. Auf einem bereitstehenden Großillusions-Apparat wird sie „aufgespießt“ und zu Nosferatus Opfer, damit endgültig gleichfalls zu einer Untoten werdend.
Lang anhaltender starker Applaus des bis auf den letzten Platz besetzten Auditoriums zeigt, das es Joachim Sperlich und seinem Team gelungen ist, den Erwartungen des Publikums an eine artistische Horror-Show bestens zu entsprechen. Die erstklassigen artistischen Leistungen in einer eindrucksvollen Verpackung ergeben eine große Show, die auch eingefleischte Anhänger des klassischen Circus bestens unterhält.
Gelegenheit die gruselige Show zu besuchen besteht noch bis zum 21. April in Essen und vom 03. bis 12. Mai in Hamm.
optimiert