Text: Friedrich Klawiter, Fotos: GL (1), Friedrich Klawiter (16)
ZIRKUS Charles KNIE
Prüm, 03. März 2012

www.zirkus-charles-knie.de
Die Saisonpremiere 2012 führte einen der letzten Großcircusse Deutschlands, den Zirkus Charles Knie in das verschlafene Eifelstädtchen Prüm. In weitem Umkreis, bis hin zur belgischen und luxemburgischen Grenze, wurde flächendeckend Werbung gemacht  und der riesige Besucherandrang, der sogar eine Zusatzvorstellung erforderte, legte ein beredtes Zeugnis von der Wirksamkeit der wahrhaft professionellen Marketingmaßnahmen ab.

Auf dem  städtischen Ausstellungsgelände, einem langgestreckten Platz am Ufer des Flüsschen Prüm, war der Circus in seiner ganzen Größe perfekt aufgebaut. Kasse und Büro bilden mit ihren funkelnden und blinkenden Leuchtschriften zusammen mit dem dekorativen Zaun die Front. Im hohen Gitterrohrbogen des Eingangs spannt sich nun ein Zeltdach und die beiden großen Torflügel sind verchromten Durchgangsgittern gewichen. Ansonsten zeigt das Unternehmen im Außenbereich den gewohnten gepflegten Anblick. Hinter dem Chapiteau fanden Pferde- und Exotenstall mit großen geräumigen Außenpaddocks Platz. Darauf folgte das imposante Revier der drei Errani-Elefanten. Die Mannschafts- und Materialauflieger und die modernen Zugmaschinen standen auf dem hinteren Bereich exakt ausgerichtet.

Das Ambiente des Vorzeltes wurde in den vergangenen Monaten noch einmal verfeinert. Die Seitenwände sind mit Spannbändern, die abwechselnd Artistenportraits und einen roten Vorhang zeigen, abgehängt. Die beiden neuen modernen Verkaufswagen ziert ein edles Design. Der glänzende, dunkelrot marmorierte Lack ist mit feinen goldfarbenen Ornamenten geschmückt. Die vier Verkaufsstände und das Circuscafé sind in passendem Dekor gehalten. Vom Eingang bis ins Chapiteau schreiten die Besucher über einen roten Teppich, der die Kunststoff-Waben des Vorzeltbodens überspannt.
Im Chapiteau fällt der veränderte Artisteneingang ins Auge. Bis ans Zeltdach hochragend, umrahmt er nun das ausgezeichnete achtköpfige Orchester. Kapellmeister Volodymyr Kozachuk begleitet mit seinen Musikern das Programm in hervorragender Weise.
Das Lichtdesign liegt wiederum in den bewährten Händen von Enrico Dennis Zoppe-Stolfa, dem es auch bei dieser neuen Produktion wieder ausgezeichnet gelingt, die Akteure gekonnt in Szene zu setzen.

„Wetten dass... wir Sie begeistern“ - dieses neue Motto hat die „Reise um die
Welt“ abgelöst und auch das Programm zeigt sich  in weiten Teilen verändert.
Das opulente Zigeuner-Opening ist nun einer Ballett-Szene gewichen. Fünf Tänzerinnen agieren in der Manege unter einem blau-roten Baldachin, der bereits während des Einlasses installiert ist und mit entsprechenden Musikarrangements wird eine orientalisch inspirierte Stimmung geschaffen.

Tierlehrer Marek Jama stellt den großen Exotenzug des Hauses Knie vor. Fünf Kamele und fünf Zebras absolvieren ruhig und sicher ihre vielfältigen Figuren. Bestens gefüllt zeigt sich der rote Ring wenn kurzzeitig zwei Watussi, ein schottisches Hochlandrind und ein ungarisches Steppenrind dazu kommen. Die Zebras verlassen die Manege und drei Emus umrunden die Rinder und Kamele. Das Känguru fasziniert Groß und Klein mit seinen kräftigen weiten Sprünge.  Abschließend zeigen sechs Lamas ihr Können.
Spiderwoman Priscilla Errani durchdringt ihr stählernes Netz und begeistert mit ihrer attraktiv gestalteten Hula Hoop Darbietung. Schwungvoll präsentiert sie ihre Tricks und durch die aktive Assistenz ihres Partners Marco Moressi erhält die Nummer zusätzlichen Drive.
Clown André gehört zu den wenigen Künstlern, die bereits im letzten Jahr in dieser Manege zu sehen waren. In vier Szenen ist er zu erleben. Zunächst verliert er seinen Kampf gegen eine imaginäre Fliege. Die zweite Reprise ist neu im Repertoire von André. Zusammen mit einem Jungen aus dem Zuschauerraum will er einen Drachen steigen lassen. Was sich zunächst gut anlässt, nimmt ein unerwartetes jähes Ende. Im zweiten Programmteil folgen seine bekannten und bewährten Szenen mit dem Hai in der Badewanne und das Duett mit sich selbst.
Auch Paolo Kaiser wurde mit seiner starker Darbietung auf der Rola-Rola prolongiert. Faszinierender Höhepunkt seiner Evolutionen ist immer wieder der Rückwärtssalto von einer zur anderen Rola.

Gemeinsam mit dem Ballett tanzt Marek Jama zu den Klängen eines Walzers. Drei Friesenhengste kommen in die Manege und zu der Walzermelodie zeigen die Pferde das flechten. Mit diesen romantischen Bildern beginnt der umfangreiche Block der Pferdefreiheiten, der komplett von Johann-Strauss-Melodien – zumeist aus der Operette „Die Fledermaus“ - getragen wird.
Die sechs Friesen werden von Marek Jama routiniert vorgestellt und zeigen sicher ihre Lauffiguren. Für einige wenige Runden bilden Friesen und die  Araber des Hauses einen Zwölfer-Zug, dann zeigen die sechs Araber ihr bekanntes Repertoire.
Noch einmal wechseln die Pferde und sechs dekorative Fallabella-Ponys, dunkelgraues Fell mit cremefarbener Mähne und Schweif, wirbeln durch den roten Ring.
Viele verschiedene Da Capo-Steiger der Ponys und Araber runden die equestrischen Vorführungen ab.
Ives und Ambra Nicols ziehen mit ihrer erotischen Love-Story an den Strapatentüchern das Publikum in ihren Bann. Der Live-Gesang von Ives zu Beginn des Auftritts prägt die Nummer und drückt ihr einen besonderen Stempel auf. Attraktive Tricks, darunter viele weite Flüge in denen auch Ambra als Porteur agiert, werden gezeigt. Tosender Beifall bejubelt die Artisten wenn Ambra abschließend in rasantem Wirbel aus der Kuppel in die Arme des Partners geglitten ist.
Im zweiten Programmteil sehen wir die sympathischen Artisten wieder. Ives brilliert mit seiner hochklassigen Jongleur-Darbietung, indes Ambra graziös assistiert. Fußbälle, Bumerangs, Keulen und Sombreros sind die Requisiten mit denen der Jongleur gekonnt seine Routinen ausführt.

Der Höhepunkt des Programms wurde von der Regie als Pausennummer platziert. In exotischen Kostümen mit aufwändigem Kopfputz, bei jeder Tänzerin individuell gestaltet, stimmt das Ballett auf die Darbietung ein.
Elvis Errani präsentiert die ausgezeichnete Dressurnummer mit den drei indischen Elefanten. Nur mit seiner Stimme dirigiert der junge Vorführer, der keinerlei Hilfsmittel in den Händen hält, die Dickhäuter. Effektvolle Tricks reihen sich temporeich aneinander. Besondere Publikumswirksamkeit beinhaltet immer wieder der Schlusstrick zu dem Elvis Errani ins Gradin geht. Vollkommen selbständig agiert Elefant Baby, überschreitet die Damen Errani und verharrt dekorativ auf zwei Beinen balancierend über den Figurantinnen.
In der besuchten Vorstellung arbeiteten die beiden Seelöwen des Circus nicht und so war die Hohe Schule von Marek Jama zu Beginn des zweiten Programmteils die letzte Tiernummer in der Show. Zu einem French Cancan begleitet das Ballett in entsprechenden Kostümen die Aktionen des Reiters. 

Das Duo Solys, im vorletzten Jahr Teilnehmer der französischen „Supertalent-Show“, begeistert mit Partnerakrobatik. Als Besonderheit übernimmt überwiegend der weibliche Part die Rolle als Porteur. Enorm kraftvoll werden schwierige und publikumswirksame Tricks in erstklassiger Ausführung geboten. Besonders effektvoll gelingt der Abschluss der Darbietung, zu dem der männliche Partner einen Kopfstand auf einer mannshohen Nachbildung des Eiffelturms ausführt, die seine Partnerin auf Knien und Händen balanciert.
In beinahe allen Charles Knie Programmen trat Ventriloge Kenneth Huesca auf. Auch in der neuen Produktion ist er mit seiner bekannter Darbietung, in der er weniger auf technische Feinheiten des Genres, denn auf clowneske Stimmung setzt, präsent.


Als Finalnummer wurde das Flugtrapez der „Flying Costa“ platziert. Während die Luftartisten ihren Arbeitsplatz einnehmen macht das Ballett mit einer Samba-Einlage unter dem Fangnetz Stimmung. Die verschiedenen Sprünge werden von der Fliegerin und den beiden Fliegern elegant ausgeführt und allesamt sicher im ersten Versuch in den Händen des Fängers gelandet. Natürlich darf der legendäre dreifache Salto als Höhepunkt nicht fehlen. Eine Passage der beiden Herren beschließt die Trickfolge.
Man ist bemüht, den Netzabbau schnellstmöglich zu bewerkstelligen, kann aber eine deutliche Unterbrechung im Programmablauf nicht vermeiden. Dies ist der Stimmung auf den Rängen vor dem Finale wenig dienlich.
Der glamouröse, revuehafte Stil des Finales wurde beibehalten, nur auf den „Heißluftballon“ der Weltreise-Produktion wird nun verzichtet. Zu südamerikanischen Klängen tanzt das Ballett und Ives Nicols glänzt mit Live-Gesang. Die Artisten stellen sich in der Manege auf und werden vom Sprecher des Hauses, André Riedesel führt auch in diesem Jahr wieder versiert und charmant durchs Programm, vorgestellt. Die Damen des Balletts sind nun mit üppigem Federschmuck dekoriert und die Choreographie nimmt ihren weiteren Verlauf.  Es ist ein großes opulentes Finale, einzig der etwas überdimensionierte Einsatz der Nebelmaschine beeinträchtigt etwas den Schaugenuss. Das Publikum im restlos besetzten Gradin zeigt sich dennoch begeistert und feiert die Artisten mit langanhaltendem Beifall.
Elegante Show-Elemente, stimmige Tierdressuren, hochkarätige Artistik und erstklassige Clownerie – auch mit der neuen Produktion versteht es die Direktion des Zirkus Charles Knie ihr Publikum mit einem kompletten, modern präsentierten guten Circusprogramm zu unterhalten...
optimiert