Text und Fotos: Friedrich Klawiter |
CIRQUE Alexandre BOUGLIONE Brüssel, 17. Sept. 2010 www.bouglione.be |
Zu einer Zeit, in der den meisten unter uns der Gedanke an Weihnachten noch fern ist, startet der Cirque Alexandre Bouglione sein Gastspiel in der Hauptstadt, dass getrost als 'Weihnachtsgastspiel' bezeichnet werden kann. Schließlich verweilt man bis nach dem Nikolaustag in Brüssel. Wie immer hat man in unmittelbarer Nähe des Atomiums im Park von Laken aufgebaut. Der Circus, der hier steht hat optisch mit dem Saisongeschäft nur wenig gemeinsam. Ein stattlicher Viermaster wird als Spielstätte genutzt, während der Zweimaster von der Saison als Vorzelt aufgebaut wird. Auch der Fuhrpark ist gegenüber der Saison deutlich vergrößert. Die Kasse steht unter einem Zeltdach und ab hier ist ein durchgängiger Holzboden auf der Wiese verlegt und Tunnel verbinden die Zelte. In diesem Jahr wurden zwei weitere alte restaurierte Holzwagen ins Vorzelt integriert. Nun sind drei dekorative Wagen neben dem Restaurationswagen aufgefahren. Die im letzten Jahr erstmals eingesetzten üppig dekorierten Logen und der passende Artisteneingang finden erneut Verwendung. Das Gradin hat hinter zwei Reihen Schalensitzen neun Reihen Holzbänke zu bieten. In den beiden letzten Jahren bestimmte eine Motto-Inszenierung (Zingaro und Bollywood), jeweils eine durchgängig gestaltete Halbzeit. In diesem Jahr hat man auf ein Thema, eine Inszenierung verzichtet und bietet ein sehr starkes klassisches Nummernprogramm. Besondere Erwähnung verdient wieder einmal die seit einigen Jahren exzellente Lichtregie. Geschickt versteht man es, die moderne und sehr gut bestückte Anlage perfekt einzusetzen. Nachdem 'Monsieur Loyal' Pierre Paillé sich selbst aus dem Off, nach einem gewaltigen Tusch, wortreich angekündigt hat, tritt er ins Licht und leitet die Show mit seiner Begrüssung ein. Traditionell beginnt das Bouglione-Programm mit der hauseigenen Raubtierdressur. Juniorchef Nicolas Bouglione führt in bekannter Form seine drei Pumas sowie die zwei gefleckten und einen schwarzen Panther vor. Spielerisch leicht wirkend fügen sich die verschiedenen Dressurelemente aneinander. Beeindruckend ist immer wieder der häufige direkte Kontakt mit mehreren Tieren und Futtergaben direkt aus der Hand. Den Käfigabbau überbrückt das Pepin Leon Trio mit einem musikalischen Intermezzo. Dieses klassische Clowntrio aus Spanien glänzt mit erstklassigen Kostümen, originellen Masken und Perücken und hoher Musikalität. Drei Mal sind sie mit ihren Gags und Instrumenten in der Manege präsent. Ihr großes Entree im ersten Teil reiht viele oftmals zu sehende Szenen zu einem harmonischen, hervorragend gespielten und von Musik getragenem Ganzen aneinander. Im zweiten Programmteil sind sie als Duo mit einer feinen Variante von 'Herr und Frau Nachtigall' zu sehen. Weitere clowneske Auftritte steuert in bewährter Weise Ronny zum Programm bei. Zumeist im Zusammenspiel mit Pierre Paillé präsentiert er seine sympathisch daherkommenden Reprisen, die auch im Laufe der Saison zu sehen waren. In einem Halbmond, der drehbar auf einem Piedestal montiert ist, produziert sich Nancy Brand. Seit Beginn der Saison gehört die junge Frau zum Ensemble des Cirque Alexandre Bouglione. Nun wird ihr Auftritt vom Live-Gesang des Weißclowns untermalt und mit der hervorragenden Unterstützung der Lichtregie wird die Publikumswirkung gegenüber der Tournee immens gesteigert. Das Duo Nikita, Lilly und Florin Tudor, ist seit Jahren in verschiedenen Funktionen und Nummern in diesem Circus zu sehen. Aktuell präsentieren sie ihre starke Perche-Darbietung, die im überqueren einer Leiter mit der Partnerin auf Spitze einer Stirnperche gipfelt. In einem zweiten Auftritt ist Lilly Tudor an Strapatentüchern zu sehen. Der optisch erstklassig gestaltete und hervorragend verkaufte Act beinhaltet alle wesentlichen Tricks des Genres. Die zahlreichen hauseigenen Tiere, die in den beiden vergangenen Jahren präsentiert wurden, sind derzeit in Engagements da die Programme regelmäßig stärker variiert werden. So ist denn einzig Elefantendame Jenny aus der Menagerie des Circus noch in der Manege zu sehen. Souverän leitet sie Nicolas Bouglione zu ihren Tricks. Das einzige Pferd in diesem Programm wird von Maud Gruss-Flores in der 'Hohen Schule' vorgestellt. Die Tochter von Alexis Gruss jun. zeigt sich als exzellente Reiterin, die auf ihrem gut ausgebildeten Pferd auch anspruchsvolle und schwierige Passagen harmonisch und sicher vorträgt. In einem weiteren Auftritt brilliert sie auf dem Tanzseil. Verglichen mit der außergewöhnlich gestalteten Arbeit die sie nun präsentiert, haben wir sie während der Saison in der 'Light-Version' dieser Nummer gesehen. Vier Mal wechselt sie in einer Art Quickchange auf dem Seil während kurzer Dunkelheit ihr Kostüm und den Stil des Auftritts. Beginnend als 'Zigeunerin' erfolgt der Wandel zur Ballerina, die neben Spitzentanz auch akrobatische Balancen beherrscht. Der Rhythmus und Stil der Arbeit passt sich sodann der Begleitmusik 'New York' an, um als dann in einem von ungarischer Folklore inspirierten Kostüm und ebensolcher Musik mit einem Spagat zu enden. Nur sehr selten sind in einem Programm zwei Spitzenjongleure engagiert. Hier nun präsentiert im ersten Teil Tony Flores, der Ehemann von Maud Gruss, seine perfekten Routinen mit Keulen und Ringen. Trick- und variantenreich versteht er zu agieren und reißt das Publikum mit. Einzig will die gewählte Musik nicht so recht überzeugen, passt nicht so ganz zu seinem ein wenig machohaften, rockigen Auftreten. Eines von vielen Glanzlichtern im Programm ist sicherlich der Auftritt von Picasso jun. Mit seinem fröhlichen Stil und seiner jugendlich wirkenden Art begeistert er die Zuschauer vom ersten Moment an. Leicht und spielerisch lässt er die Tischtennisbälle tanzen, jongliert bis zu fünf von ihnen nur mit dem Mund. Es folgt das Spiel mit Tellern, die wie Ufos weit durch das Chapiteau segeln. Erstmals sahen wir, dass er nun auch Zuschauer mit einbezieht. Die ersten sind zu überrascht, auch nur zu versuchen das punktgenau und präzise geworfene Objekt zu fangen. Zielgerichtet zu retournieren ist keinem der Besucher möglich. An den ersten Spieltagen fehlte das Todesrad der Vanegas im Programm, da die beiden ehemaligen FlicFlac-Artisten noch in einem anderen Engagement verpflichtet waren. Zweimal ist die Truppe Stoian aktiv. Zu viert präsentieren sie sich am russischen Barren. Die beiden jungen Frauen, die als Fliegerinnen agieren beherrschen eine Vielzahl attraktiver Tricks, die allesamt elegant ausgeführt und sicher gelandet werden. Mit einem weiteren Partner wird als Schlussnummer der Auftritt am Schleuderbrett gearbeitet. Auch diese Nummer ist harmonisch und flott choreographiert und bringt eine große Anzahl an Sprüngen. Ein Salto in Höhe einer Vier-Mann-Hochs gesprungen, der obere Fänger steht auf einer entsprechend hohen Gürtelperche, markiert den Höhepunkt ihrer Kür. Die Finalgestaltung bei Bouglione ist seit Jahren unverändert.Schwungvoll und ohne ausufernde Länge verabschieden sich die zahlreichen Mitwirkenden vom Publikum.Ein für heutige Verhältnisse ungewöhnlich starkes Programm, dass mit dem Todesrad seine drei Stunden dauert, zeigt sich schon zur Premiere rund und flott ablaufend. Das zahlreiche Publikum im voll besetzten Haus geht enthusiastisch mit und zeigt sich im lang anhaltenden Schlusapplaus überaus begeistert. |